Die Mitglieder des Kinematheksverbunds (KV) – das Bundesarchiv, die Deutsche Kinemathek und das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum – begrüßen die umfangreichen Digitalisierungen von analogen Filmmaterialien, die mit dem 2019 gestarteten Förderprogramm Filmerbe (FFE) von BKM, den Ländern und der FFA möglich werden. Die Ergebnisse des Förderprogramms zeigen, dass die Restaurierung und Zugänglichmachung von Filmen der Vergangenheit eine neue Qualität und Quantität erreicht hat.
Die systematische Digitalisierung von analogen Filmmaterialien hat in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung bekommen. Aufgrund der heutigen beinahe ausschließlich digitalen Distributionskanäle (Kino, TV, Plattformen, DVD/Blu ray) wird die Digitalisierung benötigt, um das deutsche Filmerbe für die Zukunft zu bewahren und es mit dem Ziel der digitalen Langzeiterhaltung für nachfolgende Generationen verfügbar zu machen. Dazu ist eine hochaufgelöste Digitalisierung von analog vorliegenden Filmmaterialien notwendig. Die Mitglieder des KV digitalisieren retrospektiv Filme zur Verfügbarmachung, Sicherung und für die unterschiedlichen Auswertungsformen, insbesondere auch für die Aufführung in Kinos. Dafür müssen von den analog vorliegenden Filmmaterialien hochaufgelöste Files hergestellt werden. Diese Arbeiten gehen oft einher mit aufwändigen Restaurierungen und regelmäßig mit entsprechender Nachbearbeitung (z. B. bei Farb- und Lichtbestimmung). Nur so ist es möglich, das deutsche Filmerbe vor seinem dauerhaften Verschwinden zu bewahren. Dies gilt speziell auch vor dem Hintergrund der ständig abnehmenden Möglichkeiten der so genannten fotochemischen Sicherung. Soll über die Zugänglichmachung hinaus, die digitale eine analoge Sicherung ergänzen, so müssen spezielle Anforderungen an die Qualität und Nachhaltigkeit für eine Langzeitarchivierung zwingend erfüllt sein. Im gesamten Digitalisierungs- und Aufbereitungsprozess müssen eindeutige Vorgaben an die einzuhaltenden konservatorischen Rahmenbedingungen definiert und deren Einhaltung bei der Durchführung überprüft werden.
Der Normungsausschuss Veranstaltungstechnik Bild und Film (NVBF) des Deutschen Instituts für Normung (DIN), Arbeitsausschuss NA 149-00-03 AA "Produktion, Wiedergabe und Archivierung von audiovisuellen Medien", hat im März 2019 eine Veröffentlichung zur Filmdigitalisierung in deutscher und englischer Sprache im Beuth Verlag vorgelegt. Der NVBF ist zuständig für die Erarbeitung und regelmäßige Überprüfung von Normen und Standards in den Bereichen Veranstaltungstechnik, Fotografie und Kinematografie. Die Mitarbeit in DIN Gremien steht allen Interessierten unter Einhaltung der Regularien des DIN offen. Die an der Erstellung der DIN SPEC 155887 Empfehlungen zur Digitalisierung von kinematografischem Film beteiligten Expertinnen und Experten aus Industrie, Archiven und Wissenschaft haben diese Anforderungen in einem dreijährigen Konsensus-Prozess gemeinsam erarbeitet. Das Dokument gibt Empfehlungen für einen nachhaltigen Digitalisierungsworkflow von kinematografischem Film und magnetischen Filmtonträgern. Dieser DIN-Standard definiert die Mindestanforderungen, die bei einer nachhaltigen Filmdigitalisierung einzuhalten sind, sichert den Stand der Technik zur Digitalisierung von analogem Film und dient als Empfehlung.
Die DIN SPEC 15587 beschreibt auf über 100 Seiten detailliert die Anforderungen an eine Digitalisierung, also die Überführung von einem analogen Speichermedium in ein digitales Fileformat. Die DIN SPEC ist in drei Themenbereiche gegliedert:
- Grundlagen des Umgangs mit kinematografischen Filmmaterialien
- Beschreibung des Digitalisierungsworkflows und
- Weiterverarbeitung der Digitalisate
Unter dem Abschnitt "Grundlagen des Umgangs mit kinematografischen Filmmaterialien" werden im Wesentlichen fachliche, aber auch gesetzliche Regeln beschrieben, die im Zusammenhang mit der Gesamtheit der Arbeiten, die mit und an den betreffenden Filmmaterialien erbracht werden sollen, zu beachten sind. Dies betrifft z.B. sowohl die Kennzeichnung von Filmbehältnissen, Umklimatisierung, Beförderung und Zwischenlagerung, als auch Gefährdungspotentiale, welche im Rahmen der direkten Handhabung innerhalb der Wechselbeziehung Mensch-Maschine-Film gegeben sind. Der Abschnitt "Beschreibung des Digitalisierungsworkflows" gliedert sich in zwei Themenbereiche: Die Beschreibung der Art und Weise der vor dem eigentlichen Digitalisierungsvorgang auszuführenden Arbeiten auf Grundlage einer entsprechenden Vorbefundung sowie die Digitalisierung selbst. Im letzten Drittel der DIN SPEC werden unter der Überschrift "Weiterverarbeitung der Digitalisate" Bearbeitungsstufen beschrieben, deren Produkte sich entsprechend ihrer individuellen Eigenschaften zur Sicherung und Langzeitarchivierung, als Distribution-Master bzw. als Präsentations-Format eignen.
Die DIN SPEC 15587 ist der derzeitige, nationale Standard zur Digitalisierung von analogen Filmen. Die darin formulierten Vorgaben erlauben eine nachhaltige und dem Ausgangsmaterial entsprechende Digitalisierung. Die Forderung nach Nachhaltigkeit setzt unter anderem voraus:
Verwendung von Filmmaterialien frühester Generation
Nur die originalsten Materialien sollen digitalisiert werden. Werden Filmmaterialien späterer Generation gescannt, entsprechen Auflösung, Schärfe, Farbwiedergabe, Kontrast nicht dem Original. Materialien späterer Generation dürfen nur als Ausgangsmaterial vorgezogen werden, wenn nachweisliche qualitative Gründe vorliegen.
Nutzung adäquater Scanner Technologie
Es gibt derzeit nur sehr wenige Scanner, die für eine nachhaltige Digitalisierung geeignet sind. Nachhaltigkeit bedeutet aber auch, dass die verwendete Scanner Technologie es auf absehbare Zeit nicht mehr notwendig macht, das Filmmaterial nochmals zu scannen. Anforderungen an Scanner sind:
- Materialadäquater Filmtransport des Scanners
- Wetgate-Option
- Akkurate Abbildung des Filmbildes durch entsprechende Technologie
Überwachung aller Arbeitsschritte
Eine nachhaltige Bearbeitung setzt voraus, dass alle Arbeitsschritte von geschultem Personal durchgeführt, geleitet und überwacht werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass tatsächlich eine genaue Abbildung des Filmwerkes entsteht.
Beachtung restaurierungsethischer Prinzipien
Eine nachhaltige Digitalisierung erfordert die Beachtung restaurierungsethischer Prinzipien:
- Das Ziel der Bearbeitung ist die exakte Wiedergabe der filmischen Überlieferung.
- Für jede Bearbeitung sollen Referenzen gefunden werden.
- Jeder verfälschende Eingriff im Digitalisierungsprozess, z.B. in der Lichtbestimmung, ist zu vermeiden.
- Jeder Materialeingriff ist zu dokumentieren und zu vermerken.
Für eine nachhaltige Digitalisierung von kinematografischem Film stellt die DIN SPEC 15587 den wichtigen Schritt in der Standardisierung dar. Der Kinematheksverbund empfiehlt daher die Anwendung der Regeln der DIN SPEC 15587 in allen digitalisierenden Einrichtungen, um so den Erhalt und die Verfügbarkeit des deutschen Filmerbes für nachfolgende Generationen zu gewährleisten.
Quelle: Kinematheksverbund
Update zur Position des Kinemathekverbundes zum "Förderprogramm Filmerbe" (2020)
Das Positionspapier des Kinemathekverbundes zur Digitalisierung des Filmerbes (erste Version 2015)