Berlinale 2017: Panorama komplett

Mit der Einladung weiterer 24 Spielfilme ist die Programmauswahl abgeschlossen. 51 Filme aus 43 Ländern wurden ausgewählt, davon 21 Panorama Dokumente und 30 Spielfilme in Hauptprogramm und Panorama Special. Davon sind 36 Weltpremieren, sechs internationale und neun europäische Premieren (siehe Nachrichten vom 20.12.2016 und 17.01.2017).

Die deutsche Produktion "Tiger Girl" von Jakob Lass eröffnet zusammen mit dem bereits gemeldeten brasilianischen Beitrag "Vazante" das diesjährige Panorama Special im Zoo Palast.

In "Tiger Girl" entwickelt sich rasant erzählt eine starke Freundschaft zweier Frauen, bei der die Wertmaßstäbe ins Wanken geraten. Ein veritables Sittengemälde aus dem Souterrain unserer heutigen Republik. "Vazante" von Daniela Thomas steht für den Programmschwerpunkt "Schwarze Welten", der durch den eben bestätigten Südafrikanischen Beitrag "Vaya" von Akin Omotoso verstärkt wird, in dem sich ein urbanes Bild des Landes zeigt.

Der vierte Film aus Brasilien ist Como Nossos "Pais" ("Just Like Our Parents") von Laís Bodanzky, der mit grandioser Natürlichkeit den Alltag dreier Generationen in Sao Paulo als ein Feuerwerk individueller Leidenschaften und Existenzlügen inszeniert. Der kurze Animationsfilm "Vênus - Filó a fadinha lésbica" ("Venus - Filly the Lesbian Little Fairy") von Sávio Leite rundet die starke Präsenz Brasiliens im diesjährigen Panorama ab.

US-Indie-Regisseur Travis Mathews, Chronist einer schwulen, westlichen Moderne, zeigt mit "Discreet" seinen zweiten Film im Panorama. Ein unheimlicher Soundteppich liegt auf seiner oft elliptisch montierten Geschichte, die um einen nicht mehr ganz jungen Mann kreist, der sich in den Untiefen seiner Vergangenheit verstrickt.

Die originäre Handschrift des Marokkaners Hicham Lasri zeigte sich bereits 2015 in "The Sea is Behind" und 2016 in "Starve Your Dog". Mit "Headbang Lullaby" inszeniert er bildgewaltig und in strahlenden Farben ein psychedelisches Märchen voller absurder Situationen und blickt damit gesellschaftskritisch in die Historie des Landes.

Naoko Ogigami bezauberte das Berliner Publikum bereits 2008 mit "Megane" und 2012 mit "Rentaneko". In ihrem neuesten Film "Karera ga Honki de Amu toki wa" ("Close-Knit") erzählt die japanische Regisseurin in kontemplativen, konzentrierten Bildern von der möglichen Selbstverständlichkeit nicht-normativer Sexualitäten und dem Wert von Familien, die nicht durch Konventionen, sondern durch Fürsorge und Liebe definiert werden.

Drei moderne Arthouse-Filme aus China und Hongkong werfen ein frisches Licht auf die komplexen Umbrüche des Riesenlandes. Sich in autoritären Systemen Alternativen einzurichten ist ein großer Schritt zur individuellen Freiheit: In "Bing Lang Xue" ("The Taste of Betel Nut") erleben wir den Wirbelwind junger Liebe auf einer Ferieninsel, in "Ghost in the Mountains" und schließlich in "Ciao Ciao", einer französischen Co-Produktion, landen wir durch meisterhafte Bildkompositionen in den atemberaubenden Landschaften des chinesischen Berglandes.

Der samoanische Regisseur Tusi Tamasese erzählt in seinem neuseeländischen Film "One Thousand Ropes" in mythischen Bildern voller Spannung und Konzentration von Maea, dem Bäcker und Geburtshelfer mit den heilenden Händen, dessen Dämonen zu seinem Alltag gehören.

Dem Glücksversprechen, das die Anziehungskraft von Berlin ausmacht, folgen heute ganze Heerscharen junger Weltbürger – Filme, die dieser Vision auf extrem unterschiedliche Weise Respekt zollen, sind der Psychothriller "Berlin Syndrome" der Australierin Cate Shortland mit Teresa Palmer, Max Riemelt und Matthias Habich, das feministische Märchen "The Misandrists" von Berlinale-Stammgast Bruce LaBruce, und das parapornografische Science-Fiction-Undergroundwerk "Fluidø" der taiwanesisch-amerikanischen Künstlerin Shu Lea Cheang.

Europa

Allein dreizehn weitere Filme konnten aus Europa bestätigt werden. Darunter Werke wie der spanische Erstling "Pieles" ("Skins") von Eduardo Casanova, "Rekvijem za gospodju J." ("Requiem for Mrs. J.") von Bojan Vuletić aus Serbien, Ferenc Töröks "1945" aus Ungarn und "God's Own Country", der Erstling von Francis Lee aus Großbritannien.

Teona Mitevska kommt zurück mit einer bitteren Beschreibung der Orientierungssuche mazedonischer Jugendlicher in "When the Day Had no Name". Ebenfalls zurück im Panorama sind die Norweger Ole Giæver, mit der emanzipatorisch-philosophischen Selbstbetrachtung "Fra balkongen" ("From the Balcony"), und Erik Poppe mit "Kongens Nei" ("The King's Choice") über den norwegischen König im Widerstand gegen die Wehrmacht.

Luca Guadagnino zeigt seine italienisch-französische Erzählung einer Sommerliebe, "Call Me by Your Name", mit Armie Hammer, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg und Amira Casar nach einem Drehbuch mit Co-Autor James Ivory und nach dem gleichnamigen Roman von André Aciman.

Die belgisch-französisch-libanesische Co-Produktion "Insyriated" von Philippe Van Leeuw ist ein intensives Kammerspiel mit Hiam Abbass, eingeschlossen in der Wohnung, während draußen der Krieg wütet. "Kaygı" ("Inflame") von Ceylan Özgün Özçelik erzählt von dem schrittweise voranschreitenden Zensurverhalten in der türkischen Presse und den Auswirkungen auf eine junge Journalistin. Und schließlich "Hostages" des Georgiers Rezo Gigineishvili, wie bei einer Flugzeugentführung 1983 die Sehnsucht junger Sowjetbürger nach Freiheit und Unabhängigkeit in Gewaltbereitschaft eskaliert.

Der Panorama Publikums-Preis wird zum 19. Mal gemeinsam mit radioeins und erstmals in Kooperation mit dem rbb Fernsehen für den besten Spiel- und Dokumentarfilm vergeben. 2016 haben über 30.000 Zuschauer ihre Stimmen abgegeben. Am Berlinale Publikumstag, dem 19. Februar, kommen die Gewinnerfilme im Anschluss an die Verleihung im CinemaxX 7 zur Aufführung.

Zum fünften Mal wird der Heiner-Carow-Preis in Zusammenarbeit mit der DEFA-Stiftung zur Förderung der deutschen Filmkunst im Panorama an einen Dokumentar-, Spiel- oder Essayfilm vergeben. Im Anschluss an die Verleihung am 16. Februar im Kino International kommt der Heiner-Carow-Film "Bis dass der Tod euch scheidet" (DDR 1979) zur Aufführung.

Panorama-Hauptprogramm und Panorama Special

"1945" - Ungarn
Von Ferenc Török
Mit Péter Rudolf, Bence Tasnádi, Tamás Szabó Kimmel, Dóra Sztarenki, Eszter Nagy-Kálózy
Europäische Premiere

"Berlin Syndrome" - Australien
Von Cate Shortland
Mit Teresa Palmer, Max Riemelt
Europäische Premiere

"Bing Lang Xue" ("The Taste of Betel Nut") - Hongkong, China
Von Hu Jia
Mit Zhao Bing Rui, Yue Ye, Shen Shi Yu
Weltpremiere

"Call Me by Your Name" - Italien / Frankreich
Von Luca Guadagnino
Mit Armie Hammer, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg, Amira Casar, Esther Garrel, Victoire Du Bois
Weltpremiere

"Ciao Ciao" - Frankreich / Volksrepublik China
Von Song Chuan
Mit  Liang Xueqin, Zhang Yu
Weltpremiere

"Como Nossos Pais" (Just Like Our Parents) - Brasilien
Von Laís Bodanzky
Mit Maria Ribeiro, Clarisse Abujamra, Paulo Vilhena, Felipe Rocha, Jorge Mautner, Herson Capri, Sophia Valverde, Annalara Prates
Weltpremiere

"Discreet" - USA
Von Travis Mathews
Mit Jonny Mars, Atsuko Okatsuko, Joy Cunningham, Bob Swaffar
Weltpremiere

"Fluidø" - Deutschland
Von Shu Lea Cheang
Weltpremiere

"Fra balkongen" ("From the Balcony") - Norwegen
Von Ole Giæver
Weltpremiere

"Ghost in the Mountains" - Volksrepublik China
Von Yang Heng
Mit Tang Shenggang, Liang Yu, Shang Meitong, Xiang Peng, Zhang Yun
Weltpremiere

"God's Own Country" - Großbritannien
Von Francis Lee
Mit Josh O'Connor, Alec Secăreanu, Gemma Jones, Ian Hart
Europäische Premiere

"Headbang Lullaby" - Marokko / Frankreich / Katar/ Libanon
Von Hicham Lasri
Mit Aziz Hattab, Latefa Ahrrare, Zoubir Abou el Fadl, El Jirari Benaissa, Salma Eddlimi, Adil Abatorab
Weltpremiere

"Hostages" – Russische Föderation / Georgien / Polen
Von Rezo Gigineishvili
Mit Merab Ninidze, Darejan Kharshiladze, Tina Dalakishvili, Irakli Kvirikadze
Weltpremiere

"Insyriated" – Belgien / Frankreich / Libanon
Von Philippe Van Leeuw
Mit Hiam Abbass, Diamand Abou Abboud, Juliette Navis, Mohsen Abbas, Moustapha Al Kar
Weltpremiere

"Karera ga Honki de Amu toki wa" ("Close-Knit") - Japan
Von Naoko Ogigami
Mit Toma Ikuta, Rinka Kakihara, Kenta Kiritani
Weltpremiere

"Kaygı" ("Inflame") - Türkei
Von Ceylan Özgün Özçelik
Mit Algı Eke, Özgür Çevik
Weltpremiere – Debütfilm

"Kongens Nei" ("The King's Choice") - Norwegen / Schweden / Dänemark / Irland
Von Erik Poppe
Mit Jesper Christensen, Anders Baasmo Christiansen, Karl Markovics, Tuva Novotny, Katharina Schüttler, Juliane Köhler
Europäische Premiere

"The Misandrists" - Deutschland
Von Bruce LaBruce
mit Susanne Sachsse, Kembra Pfahler
Weltpremiere

"One Thousand Ropes" - Neuseeland
Von Tusi Tamasese
Mit Uelese Petaia, Frankie Adams, Væle Sima Urale, Ene Petaia, Beulah Koale, Anapela Polataivao
Weltpremiere

"Pieles" ("Skins") – Spanien
Von Eduardo Casanova
Mit  Ana Polvorosa, Candela Peña, Carmen Machi, Macarena Gómez, Secun de la Rosa, Jon Kortajarena, Antonio Duran "Morris", Eloi Costa
Weltpremiere - Debütfilm

"Rekvijem za gospodju J." ("Requiem for Mrs. J.") - Serbien / Bulgarien / Mazedonien / Russische Föderation/ Frankreich
Von Bojan Vuletić
Mit Mirjana Karanović, Jovana Gavrilović, Danica Nedeljković, Vučić Perović
Weltpremiere

"Tiger Girl"  – Deutschland
Von Jakob Lass
Mit Ella Rumpf, Maria Dragus
Weltpremiere

"Vaya" - Südafrika
Von Akin Omotoso
Mit Mncedisi Shabangu, Zimkhitha Nyoka, Nomonde Mbusi, Sihle Xaba, Warren Masemola,
Zimkhitha Nyoka, Nomonde Mbusi, Azwile Chamane
Europäische Premiere

"When the Day Had no Name" – Mazedonien / Belgien / Slowenien
Von Teona Mitevska
Mit Leon Ristov, Hanis Bagashov, Dragan Mishevski, Stefan Kitanovic, Igorco Postolov, Ivan Vrtev Soptrajanov
Weltpremiere

Vorfilm

"Vênus - Filó a fadinha lésbica" ("Venus – Filly the Lesbian Little Fairy") – Brasilien
Von Sávio Leite

Bereits gemeldete Titel

"Centaur" - Kirgisistan / Frankreich / Deutschland / Niederlande, von Aktan Arym Kuba
"Honeygiver Among the Dogs" – Bhutan, von Dechen Roder
"Pendular" - Brasilien / Argentinien / Frankreich, von Julia Murat
"The Wound" - Südafrika / Deutschland / Niederlande / Frankreich, von John Trengove
"Vazante" - Brasilien / Portugal, von Daniela Thomas

Quelle: www.berlinale.de