Wir wollten aufs Meer

Deutschland 2010-2012 Spielfilm

Inhalt

Rostock, 1982. Die besten Freunde Cornelis und Andreas sind in die Hafenstadt gezogen, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen: als Matrosen der DDR-Handelsmarine die Weltmeere zu bereisen. Aber es kommt alles anders, und auch Jahre später hat sich dieser Traum noch immer nicht erfüllt. Als letzte Chance sieht Andreas eine Zusammenarbeit mit der Stasi: Spitzeldienste gegen einen Job auf See. Er kann Cornelis zu dem schmutzigen Deal überreden. Gemeinsam sollen sie einen Freund, den Vorarbeiter Matze aushorchen, der angeblich seine Flucht aus der DDR plant. Tatsächlich gelingt es ihnen, von ihrem ahnungslosen Kollegen sämtliche Details seines Plans zu erfahren. Während Andreas sich freut, mit diesen brisanten Informationen endlich seinem Berufsziel näher zu kommen, wird Cornelis von schweren Gewissenbissen geplagt. Er will Matze nicht an die Stasi verkaufen...

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Rostock, DDR, 1982. Cornelis „Conny“ Schmidt (von den Kritikern als neuer Horst „Hotte“ Buchholz gefeiert: ein für mich etwas zu glatter Alexander Fehling) und Andreas Hornung zieht es ans „Tor zur Welt“. Das ist Rostock-Warnemünde, jedenfalls für die Menschen zwischen Kap Arkona und Fichtelgebirge. Dort gehen die Schiffe der DDR-Handelsmarine auf große Reise, auch in die kapitalistische Hemisphäre. Und solch' eine Reise haben sich die beiden Freunde schon seit geraumer Zeit vorgenommen.

Conny hat an Republikflucht gedacht, sich eine konkrete Route über das sozialistische Bruderland Tschechoslowakei ausgeguckt. Aber Andreas kann ihn überreden, mit ihm zusammen an die Ostsee zu gehen. Doch drei Jahre später sind die beiden immer noch an Land, in der Brigade von Matthias „Matze“ Schönherr. Das ist ein Kumpeltyp, der sich kümmert. Um seine Leute, aber auch um seine Familie: Matthias ist glücklich verheiratet mit Sabine, die bald das zweite Kind von ihm erwartet.

Eines Abends ist „Onkel Conny“ bei den Schönherrs zu Besuch. Matthias druckst herum, will nicht so recht mit der Wahrheit heraus – und gibt gegenüber seinem besten Kumpel dann schließlich doch zu, konkrete Fluchtpläne zu hegen: in zwei Tagen will er an Bord eines Bremer Frachters gehen und sich dort in der Ladeluke so lange verstecken, bis sich das Schiff außerhalb des DDR-Hoheitsgebietes befindet. Was Matze nicht ahnt: Conny ist verkabelt, das vertrauliche Gespräch ist per Tonband aufgezeichnet worden. Doch als der nach dem „freundschaftlichen“ Besuch zu Andreas in den Wagen steigt, überkommen ihn Skrupel: Er will seinen Vorarbeiter doch nicht verraten und wirft die Kassette aus dem Fenster.

Andreas hatte den Stasi-Deal eingefädelt: Spitzeldienste gegen einen Job auf hoher See. Der wäre ohne eine derartige Verbindung nie zustande gekommen, denn die beiden Freunde sind ohne familiären Anhang und so von vornherein potentielle Republikflüchtlinge. Sein Führungsoffizier glaubt Conny nicht, dass er bei Schönherr nichts erfahren hat, und setzt Andreas psychisch unter Druck, sodass dieser vor dem Stasi-Oberst Seler auspackt: Matthias wird verhaftet und in eine berüchtigte Strafanstalt nach Cottbus verfrachtet. Conny stellt Andreas zur Rede, es kommt zu einem Handgemenge und Letzterer gerät unter einen Lastkraftwagen.

Conny befüchtet, dass seine Liaison mit einer vietnamesischen Krankenschwester, der seit Jahren die versprochene Medizinausbildung verweigert wird, ruchbar und Phuong Mai zurück in die Heimat geschickt wird. So setzt er seinen ursprünglichen CSSR-Plan um, kommt auch über die Grenze, wird aber auf den letzten Metern abgefangen: offenbar ist sein Fluchtplan verraten worden. Um Mai zu schützen, lässt er sich von den tschechischen Waffenbrüdern widerstandslos gefangen nehmen. Aber von Oberst Seler nicht verpflichten, weshalb ihn eine lange Haftstrafe erwartet. Conny ist nicht wenig überrascht, als er hinter den Cottbuser Gefängnismauern auf Matze trifft...

Währenddessen hat Andreas das Krankenhaus wieder verlassen können, ist aber auf einen Rollstuhl angewiesen. Er wird Major Roman von der Stasi-Abteilung Feindkontakt zugeteilt, der sich in einer verwanzten konspirativen Wohnung um vernachlässigte Frauen kümmert mit dem Ziel, diese für die „Firma“ anzuwerben. Ein Scheißjob für den zunehmend dem Alkohol verfallenden Andreas, bei dem er monatelang nicht aus diesem Luxusghetto herauskommt. Doch bald warten neue Herausforderungen auf ihn.

Denn im Cottbuser Knast regiert Oberwachtmeister Eberhard Fromm, auch „Roter Terror“ genannt, mit eiserner Faust. Dem brutalen Schläger versuchen Conny und Matze durch Bestechung beizukommen: über ihre Angehörigen mit entsprechenden Kontakten zu bundesdeutschen Hilfsorganisationen organisieren die politischen Gefangenen gut bestückte Westpakete für Fromm und die anderen Spitzengenossen des Wachpersonals, denen jeglicher Kontakt zum Klassenfeind strikt verboten ist, selbst den engsten Familienkreis betreffend. Mit Erfolg: die Angehörigen dürfen einmal im Monat zu Besuch kommen und Ausreiseanträge werden an die DDR-Behörden weitergeleitet. Mit berechtigter Hoffnung auf „Freikauf“ der Gefangenen durch die Bonner Bundesregierung.

Andreas, der Conny mehrfach in Cottbus besucht und von den Erleichterungsmaßnahmen erfährt, lässt den Deal durch Oberst Seler unterbinden. Was Matthias als vermeintlichem Anstifter nicht nur eine Einzelhaft in einem feuchten Kellerloch einbringt, sondern auch die Nachricht, dass seine Frau Sabine die Scheidung eingereicht hat. Doch damit nicht genug: Mai hat es tatsächlich bis nach Hamburg geschafft und sie hofft, über Andreas den Kontakt zu Conny, dem Vater ihres Kindes, das sie im freien Teil Deutschlands zur Welt bringen konnte, herstellen zu können. Doch der inzwischen zum Stasi-Hauptamtlichen vereidigte „Kundschafter“ des Arbeiter- und Bauernstaates vertreibt sich seine viele Zeit zwischen zwei Romeo-Einsätzen des Majors Roman mit perfider Fälschertätigkeit: Er schreibt Mais Briefe an Conny um und umgekehrt.

Mit fatalen Folgen, als Conny und Matthias doch noch vom Westen freigekauft werden und Ersterer nach dem 1990 erfolgten Sturm der Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße über seine Akten erfährt, dass Mai in Hamburg bei einer südvietnamesischen Restaurantbesitzerin untergekommen ist, dass sie ihm über Jahre geschrieben hat – und dass er Vater geworden ist...

Es hat schon viele, sicherlich auch spektakulärere Filme zum Stasi-Komplex gegeben, erinnert sei an „Barbara“ und natürlich an „Das Leben der Anderen“. Aber in meiner Erinnerung noch keinen, der das Thema des alltäglichen Rassismus des SED-Staates so offen dargestellt hat: Keineswegs nur unter der Hand wurden die nordvietnamesischen Kampfgefährten „Fidschis“ genannt, die in die DDR zur Ausbildung geholt und zumeist nur als billige Arbeitskraft missbraucht wurden – wie die Film-Figur Phuong Mai. Sie lebten abgeschirmt von der übrigen Bevölkerung in Wohnheimen, ein privater Kontakt zu den DDR-Deutschen war ausdrücklich unerwünscht.

„Wir wollten aufs Meer“ richtet den Fokus auf die letzten Jahre der bereits dem Untergang geweihten DDR: Es sind sämtlich perfide Zyniker, die die Fahne mit Hammer und Sichel hochhalten, am eindrucksvollsten verkörpert durch die Defa-Legende Rolf Hoppe. Was kein Wunder ist: Gerade auch im Künstler- und Intellektuellenmilieu stand der Verrat unter scheinbar besten Freunden auf der Tagesordnung. TV-Erstausstrahlung am 23. Juli 2014 auf Arte.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Kamera-Assistenz

Steadicam

Farbkorrektur

Optische Spezialeffekte

Standfotos

Licht

Beleuchter

Szenenbild

Innenrequisite

Kostüme

Schnitt

Schnitt-Assistenz

Ton-Assistenz

Stunt-Koordination

Casting

Musik

Darsteller

Ausführender Produzent

Producer

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 27.10.2010 - 15.12.2010
Länge:
3199 m, 117 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 08.11.2011, 130220, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.07.2012, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 13.09.2012

Titel

  • Weiterer Titel (DE) Niemandsland - Kein Ziel ist zu weit
  • Originaltitel (DE) Wir wollten aufs Meer

Fassungen

Original

Länge:
3199 m, 117 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 08.11.2011, 130220, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.07.2012, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 13.09.2012

Auszeichnungen

FBW 2013
  • Prädikat: besonders wertvoll