Inhalt
Bei einem Ausflug nach Berlin lernt der Frankfurter Juniorprofessor Samuel die lebenslustige Edda kennen. Es funkt auf Anhieb, und nach einer romantischen Liebesnacht in Samuels Wohnmobil brechen die beiden zu einem Trip in die brandenburgische Provinz auf. Eigentlich wollen sie dort in Eddas Heimatort Friedberg ihren Vater besuchen. Doch unglücklicherweise werden sie unterwegs Zeugen, als der Provinzgangster Herrmann einen Verehrer seiner Freundin Katja umbringen will. Zwar kann Samuel den Mord vereiteln, wird aber von Herrmann entdeckt und muss fliehen. Unterdessen sucht Edda Hilfe bei einem alten Schulfreund, der inzwischen Polizist ist - doch anstatt ihr zu helfen, wird er zudringlich – in Notwehr schießt sie auf ihn und sucht das Weite. So nimmt für das frischverliebte Paar Edda und Samuel eine wilde Jagd durch die brandenburgische Provinz ihren Lauf.
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Zunächst aber, die letzte Nacht hat beide auf den Geschmack gebracht, geht’s ins nächstgelegene Waldstück. Ein markerschütternder Hilfsschrei veranlasst Sam, sein Fahrzeug zu verlassen und er wird Zeuge, wie Herrmann Völkel zusammen mit seinen Kumpanen Thoralf, Steffen und Ronny einen vierten, vor ihn knieenden Mann erschießen will. Wozu es nicht kommt, da Sam entdeckt wird und zusammen mit dem Opfer auf einen Bauernhof fliehen kann: Rudi hatte es gewagt, mit der aufregend-exotischen, da nicht aus dieser Gegend stammenden Gattin des Bosses Herrmann, der superblonden Femme fatale Katja, welche im Pick Up ihres Mannes ungerührt auf den Ausgang der Racheaktion wartet, anzubandeln. Als Sam nicht zurückkehrt, verlässt auch Edda das Wohnmobil – und trifft auf einen früheren Klassenkameraden. Frank ist nicht an den Verbrechern sondern nur an Edda interessiert. Statt die Fahndung nach dem Quartett einzuleiten, beklagt er sich wortreich über sein hartes Schicksal als Dorfpolizist: „Auf vier Männer kommt hier eine Frau, findest du das fair?“. Edda widersetzt sich seinem Vergewaltigungsversuch, dabei löst sich aus der Pistole des Beamten ein Schuss, welcher Frank tödlich verwundet.
„Wer liebt, der kann nicht verlieren“: Rudi kommt vom Regen in die Traufe, denn der Hof stellt sich als Relikt eines stillgelegten Stahlwerkes heraus. Immerhin die Sauna funktioniert noch, Lieblings-Rückzugsort für Herrmanns schwerbewaffneten Vater Rainer, der dort einst gearbeitet hat und kurzerhand den Lover seiner Schwiegertochter unter Dampf setzt. Aber dann doch nichts dagegen hat, dass Sam diesen aus dem hölzernen Schwitzkasten erlöst. Weil Herrmann noch auf der Liege bei der Ärztin und Voodoo-Priesterin Dr. Ojewolo liegt zur Bluttransfusion für seinen Kumpel Steffen, kommt die „Brigade“ zu spät zur Geburtstagsfete des im Rollstuhl sitzenden Bürgermeisters im Dorfgasthaus. Wo deren Boss erfährt, dass er sein 15 Hektar großes Bauland, mit dem er seinen insolventen Betrieb retten wollten, doch nicht an einen Logistikkonzern verkaufen kann, weil dieser sich für einen anderen Standort entschieden hat. Der Alkohol fließt reichlich und Rudi hat, aus Liebe zu Katja, seinen Nebenbuhler Wolf mit einem Degen durchbohrt, als Edda eintrifft, um nach „ihrem“ Professor zu suchen. Ihre Mutter Antje ist derweil beim „Eichhörnchen-Töter“ genannten Haselnuss-Schnaps angelangt und macht sich Gedanken übers Weihnachtsmenü daheim, zu dem traditionell deftiger Grünkohl gehört. Nach weiteren blutigen Auseinandersetzungen versammelt sich der ganze Ort zum Weihnachtsgottesdienst und aus dem Off ist Detlev Bucks Schlusskommentar zu hören: „Wir können auch anders, wenn wir wollen.“
Womit wir beim Vorläufer dieser vogelwilden deutschen „Fargo“-Version wären, Detlev Bucks Ossi-Ballade „Wir können auch anders“ mit Horst Krause und Joachim Król aus dem Jahr 1993, übrigens ein Jahr vor Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ herausgekommen. Heimatfilm, Thriller, absurde Komik – das alles trifft wie beim Oscar-gekrönten Streifen der Coen-Brüder auch auf „Wir können nicht anders“ zu, einem Ende 2019 in Brandenburg gedrehten gut hundertminütigen Kinofilm, den die beiden Berliner Produktionsfirmen DCM und Bucket (Buck ohne Boje) coronabedingt nicht in die Kinos bekamen und daher im Dezember 2020 dem Streamingdienst Netflix überließen. Es besteht aber noch Hoffnung, dass der Film vor der im Winter 2021/22 geplanten ZDF-Ausstrahlung auf die große Kinoleinwand kommt.
Trotz des für Detlev Buck typischen lakonischen Wortwitzes und einer stimmigen Besetzung, etwa noch zu nennen „Rammstein“-Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz als Chorleiter, schleppt sich diese fürchterlich verwickelte Story „nach vielen wahren Begebenheiten“, wie es im Vorspann heißt, ohne eigentlichen Roten Faden dahin. Immerhin geht es dreißig Jahre nach der „Wende“ um ganz reale Ossi-Befindlichkeiten wie die des abgebauten Stahlarbeiters Rainer Völkel, der sich immer noch als Sozialist versteht, insbesondere wenn er sich über die Versuche seines Sohnes, sich als kleiner Kapitalist zu etablieren, mokiert. Herrmann ist ein Loser, einerseits. Andererseits hat er nicht Unrecht, wenn er dem Frankfurter Akademiker, Vorlesung mit Vorlesen verwechselnd, an den Kopf wirft: „Was, du kriegst fürs Vorlesen viereinhalbtausend Euro im Monat? Und ich reiß mir hier den Arsch auf und verschulde mich!“
Pitt Herrmann