Wenn alle Deutschen schlafen

Deutschland 1994/1995 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Polen im Jahr 1942. In panischer Eile muss der fünfjährige jüdische Junge Marek mit seinen Eltern die angestammte Wohnung im jüdischen Ghetto von Litzmannstadt verlassen. Zusammen mit den anderen Bewohnern ihrer Straßenseite, zu denen auch Mareks Spielkamerad Julian gehört, treten sie einen Marsch ins Ungewisse an, der sie zunächst in die beengten Baracken eines Sammellagers führt.

Dort herrscht quälende Langeweile für die Kinder, denen nun fast alles verboten ist, was im Ghetto noch erlaubt war, welches sie „wie eine Heimat“ empfunden haben (Jürgen Hentsch als Ich-Erzähler Marek aus dem Off) und die Ereignisse als großes Abenteuer wahrnehmen. So fragt Marek seinen Vater immer wieder beim täglichen Morgenappell, ob er seine Nummer selber aufsagen darf. Dabei hatten die Kinder im Ghetto häufig einen alten Juden besucht, den „Tenzer“ (Gerry Wolff), der ihnen in seiner Wohnung Geschichten erzählt hatte. Und der nur aufgrund des Besitzes einer exotischen Pflanze, eines mexikanischen Kaktus, als erster abgeholt wurde.

Die Erwachsenen dagegen sind sich sehr wohl darüber im Klaren, dass dies nur eine Zwischenstation zum Vernichtungslager Auschwitz bedeutet. Und streiten sich dennoch im Alltag um des Kaisers Bart, als gäbe es dieses Damoklesschwert gar nicht, etwa um die Frage, ob der Strand Venedigs nun „der“ oder „das“ Lido heißt. Als Marek seinen besten Freund Itzek trifft, schmieden die beiden den Plan für ein lebensgefährliches Unterfangen: Sie wollen nachts, wenn alle Deutschen schlafen, ausbrechen, um vergessenes Spielzeug aus ihren alten Wohnung im Ghetto zu holen. Marek und Itzek treffen sich in der folgenden Nacht und schaffen den Sprung über die Lagermauer. Auf dem Boden angekommen, schleichen sie zunächst zwischen menschenleeren, zur Sprengung freigegebenen Häuserzeilen umher und finden schließlich ihre ehemaligen Wohnungen verbarrikadiert vor.

Beim Versuch, ihr „Abenteuer“ zu beenden und ins Lager zurückzukehren, wird die Mauer zum unüberwindbaren Hindernis. Ausgerechnet ein deutscher Soldat (Reiner Heise), der die beiden im Morgengrauen vor der Mauer entdeckt, hilft ihnen zurück ins Sammellager...

Nach seiner 1983 erschienenen Erzählung „Die Mauer“, die Jurek Becker aufgrund eigener Erlebnisse geschrieben hat, verfasste der im polnischen Lodz geborene Ost-Berliner Schriftsteller und TV-Drehbuchautor das Skript zu einer Spielfilm-TV-Koproduktion, die jedoch nicht den Weg in die Kinos fand sondern auf Arte erstausgestrahlt wurde. Was auch an ihrer wenig kinogerechten Länge von 72 Minuten gelegen haben mag.

„Wenn alle Deutschen schlafen“ ist eine authentische Geschichte aus dem jüdischen Ghetto Litzmannstadt, die gerade deshalb unter die Haut geht, weil sie im Gewand des Kammerspiels daherkommt und nicht so emotional aufgeblasen worden ist wie etwa die Hollywood-Produktionen „Holocaust“ oder „Schindlers Liste“.

Jurek Beckers und Frank Beyers Stil einer sachlichen Erzählung, eines Erlebnisberichtes aus der Sicht des jüdischen Jungen Marek, mag allerdings auch dafür verantwortlich sein, dass „Wenn alle Deutschen schlafen“ nicht auf die Leinwand gelangte. Dabei wird der Völkermord an den Juden wirkungsvoller dargestellt, ja überhaupt fassbar durch kleine, authentische Begebenheiten.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • Polen
Länge:
72 min bei 25 b/s
Format:
35mm, 1:1,37
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE FR): 31.07.1995, Arte;
Aufführung (DE): 10.03.1996, ZDF [TV]

Titel

  • Originaltitel (DE) Wenn alle Deutschen schlafen

Fassungen

Original

Länge:
72 min bei 25 b/s
Format:
35mm, 1:1,37
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE FR): 31.07.1995, Arte;
Aufführung (DE): 10.03.1996, ZDF [TV]