Inhalt
Im Heimatdorf des Filmemachers, dem Ostseebad Göhren auf Rügen, streiten die Einwohner*innen über die Zukunft des beliebten Urlaubsortes. Den Gemeinderat dominiert seit Jahren eine Gruppe von vier Männern, die für Wachstum und Investitionen steht. Im Dorf nennt man sie die "Vier von der Stange", weil sie stets die Projekte von Großinvestor W. Horst unterstützen. Der Multimillionär aus Nordrhein-Westfalen hat seit der Wende so viele Hotels und Ferienhäuser gebaut wie kein anderer.
Als Horst ein Bauvorhaben im Naturschutzgebiet plant, gehen die Aktivistin Nadine und ihr Vater Bernd dagegen vor. Schnell merken sie, dass sie nur eine Chance haben, die malerische Landschaft ihrer Heimat zu schützen: Indem sie bei der anstehenden Kommunalwahl mit Gleichgesinnten antreten und die Mehrheit im Gemeinderat erringen. Können sie die Übermacht der "Vier von der Stange" brechen?
Ein persönlicher Film über das Wesen der Demokratie zwischen weißer Bäderarchitektur und sanftem Meeresrauschen.
Quelle: Filmfestival Max Ophüls Preis 2021
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
„Herr Horst kauft sich ein Dorf“ lautete der Titel eines „Zeit“-Dossiers am 14. April 2016, Christoph Eders Film setzt die Recherchen der Hamburger Journalisten bis in unsere Gegenwart fort. Der inzwischen 71-jährige Multimillionär Wilfried Horst, Sohn eines Bergarbeiters und einer Zigarrenmacherin aus Bad Oeynhausen, ist auf seinem ersten Ausflug in die neuen Bundesländer ins damals arg verschlafene, wie von einem Grauschleier überzogene Göhren gekommen und hat gleich das große Geschäft gewittert. Der charismatische Menschenfischer verstand es, mit Hilfe des Gemeinderates Häuser, Hotels, Geschäfte und Restaurants zu erwerben.
„Die Vier von der Stange“ wird das Quartett, das ihm in den parlamentarischen Gremien die Stange gehalten hat, im Volksmund genannt. Als Herr Horst die Gemeinde beim Bau eines Personenaufzuges zum Waldhotel und dem Bau eines Parkhauses übervorteilte, berichteten gleich mehrere Fernsehanstalten über den bauernschlauen Kapitalisten aus dem Westen, der seine Steuern nach wie vor in Nordrhein-Westfalen bezahlt. Nach dem Rücktritt des von Wilfried Horst erst geförderten und dann bekämpften parteilosen Wolfgang Pester als ehrenamtlicher Bürgermeister blieb Gesche Krohne von der Wählergruppe „Gemeinsam für Göhren“ einsame Ruferin im Gemeinderat gegen die Investitionsvorhaben und deren politische Unterstützer, allen voran die Geschäftsleute Markus Pigard (Sportkneipe und Buden an der Strandpromenade) und Klaus Möller (Diskothek „Zum Lotsen“).
Nadine Förster und ihr Vater Bernd Elgeti setzen sich an die Spitze einer Bürgerinitiative zur Rettung der letzten unberührten Küste und des einzigartigen, malerischen Naturschutzgebietes, das einst auch Caspar David Friedrich inspirierte. Und in dem nun landwirtschaftliche Nutzfläche in Baugebiet umgewandelt werden soll. Zur Kommunalwahl am 26. Mai 2019 tritt die Partei „Bürger für Göhren“ an und gewinnt auf Anhieb vier Mandate. Auch der 72-jährige Bernd Elgeti (CDU) wird erstmals gewählt, sodass der neue Bürgermeister Torsten Döring (SPD) auf eine neue Mehrheit im Kampf gegen Gentrifizierung und Turbo-Tourismus, die Göhrener Saison dauert ganze drei Sommermonate, bauen kann. Einer der ersten Beschlüsse: Verbot der Umwidmung von Miet- in Eigentumswohnungen. Damit hat das Gemeinwohl noch nicht gegen den Kapitalismus gesiegt: längst genehmigte Bauprojekte wie das Akzent Wellness-Spa-Resort neben dem Waldhotel lassen sich nicht mehr stoppen und der Herr Horst zahlt seine Steuern immer noch in Bad Oeynhausen…
„Wem gehört mein Dorf?“ ist ein sehr persönlicher Film über das Wesen der Demokratie und den langen Atem, den Bürger in ihr benötigen. Christoph Eder, und das ist ihm hoch anzurechnen, lässt beide Seiten zu Wort kommen, obwohl er seine Sympathien für die Argumente Nadine Försters und Bernd Elgetis keineswegs verhehlt. Er zeigt, dass politisches Engagement auf kommunaler Ebene etwas bewegen kann. Strukturwandel und Naturschutz unter einen Hut zu bringen, erscheint als Quadratur des Kreises. Aber es kann gelingen, wirtschaftliche Interessen unter das Primat der Ressourcenschonung und der Nachhaltigkeit zu stellen: Mallorca und andere Touristen-Hotspots begeben sich gerade auf den richtigen Weg, der da lautet: Weniger ist mehr.
Christoph Eder im jip-Presseheft: „Mich interessiert vor allem das Spannungsfeld zwischen den Interessen Einzelner und den Interessen der Gemeinschaft und welche Rolle dabei Kapital spielt. Am Beispiel von Göhren stelle ich im Film die zentralen Fragen: Wie wollen wir leben und wer bestimmt darüber? In meinem Film treffen Menschen aufeinander, die für sich glauben, das Richtige für ihren Heimatort zu tun und solche, die zu zweifeln beginnen und nach neuen Wegen suchen. (…) ‚Wem gehört mein Dorf?‘ erzählt von Menschen mit verschiedenen Ansichten und Zielen. Es ist ein Film über die Kraft der Demokratie.“
Pitt Herrmann