Inhalt
Nach dem teils autobiografischen Roman "Franziska Linkerhand" der früh verstorbenen DDR-Autorin Brigitte Reimann. Die junge Architektin Franziska trennt sich von ihrem Mann und scheidet freiwillig aus dem Mitarbeiterstab eines berühmten Dresdner Professors aus, um in einem Kleinstadtbüro zu arbeiten. Dort will sie ihre hohen Ansprüche an sozial orientierten Städtebau verwirklichen, gerät darüber allerdings mit dem Stadtarchitekten Schafheutlin aneinander. Sie gibt dennoch nicht auf und überzeugt ihre Kollegen von einem Ideenwettbewerb zur Umgestaltung des Zentrums. Den Wettbewerb gewinnt sie, allerdings wird die Umsetzung ihrer Pläne vom Städtebaukombinat auf unbestimmte Zeit verschoben.
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Aber Franziska will nicht länger als Meisterschülerin gelten, sondern ihr Talent unter Beweis stellen. Große Worte, Illusionen, Ideale hin oder her – sie will mit ihrer Arbeit – und ihrem Leben – endlich etwas erreichen. „Mit achtzehn heiraten und mit 36 Jahren am Ende“: Zumindest ihre Ehe ist in die Brüche gegangen, noch ein Grund, der Hauptstadt den Rücken zu kehren. Wolfgang verkraftet es nicht, mit einer Diplom-Architektin, einer Intellektuellen verheiratet zu sein, während er (Fabrik-) Arbeiter geblieben ist. Aus ihm ist ein Trinker geworden und ein brutaler Schläger noch dazu, da kann Franziska nur das Weite suchen. Und froh darüber sein, dass seine Schwester ihr manche Mühen des Umzugs nimmt, in dem sie ihr die halbe Bude ausräumt.
Der Weg vom Bahnhof der Kleinstadt zum Projektionsbüro und damit zu ihrem neuen Chef, dem Stadtarchitekten Horst Schafheutlin, führt Franziska über den Friedhof. Welche Symbolik: Sie trifft auf ein Kollektiv, das längst vor den Zwängen der Praxis kapituliert hat. Industrieller Wohnungsbau am Rande der historischen Altstadt und ohne Anbindung an diese, und zwar unter dem Motto: So viel, so schnell, so billig wie möglich. Normierte „Platte“ statt Renommierobjekt Theater. Da kann man(n) schon alle Illusionen verlieren wie Franziskas Bürokollege Jazwauk, der lieber Innenarchitekt geworden wäre, wenn es denn einen Studienplatz für ihn gegeben hätte. Frau dagegen startet durch, auch auf die Gefahr hin, mit dem Kopf durch die Wand zu müssen. Franziska, die Maximalistin, schickt sich nicht ins Unabänderliche. Sondern vertritt ihren Anspruch, Ideal und Wirklichkeit möglichst in Deckungsgleichheit zu bringen.
Leben und Wohnen, hat ihr Professor Reger ins Stammbuch geschrieben, sind bezeichnenderweise nur im Deutschen zwei Begriffe. Franziska will die Funktionstrennung zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit, die gerade in dem Satelliten-Neubauprojekt am Stadtrand in Beton gegossen wird, aufheben und regt einen Wettbewerb zur Rekonstruktion der Altstadt an. Womit sie bei Schafheutlin zunächst auf taube Ohren stößt. Aber sie gewinnt Verbündete, so den erfahrenen Kollegen Kowalski, der sie von Anfang an ermuntert hat, und sogar den so verknöchert wirkenden Architekten Grabbe, der eigene Ideen zur Gestaltung einer Fußgängerzone einbringt. Schließlich ist der Stadtarchitekt bereit, beim Wohnungsbau-Kombinat vorzusprechen. Der Wettbewerb wird tatsächlich ausgeschrieben – und Franziska Linkerhands Entwurf von der Jury, in der auch Schafheutlin sitzt, als bester ausgewählt. Allein die Wirklichkeit, die ist nicht so: Das Kombinat bedankt sich herzlich, sieht aber auf absehbare Zeit keine Umsetzungsmöglichkeiten.
Parallel zur beruflichen setzt auch eine private Niederlage Franziska beinahe außer Gefecht. In Frau Helwigs Wirtsstube ist ihr schon vor geraumer Zeit ein stiller Gast aufgefallen, der bei all’ dem Trubel die kleinformatige (DDR-) „Weltbühne“ liest – und diese auch auf der Straße kaum einmal aus der Hand legt. Der offenbar introvertierte Intellektuelle kommt Franziska vor wie eine Oase in der Wüste – und dennoch ist dieser Trojanovicz nur ein Kipperfahrer. Aber einer mit geheimnisvoller Vergangenheit: Im Gefängnis soll er gesessen haben, verrät der Hausverwalter. „Lieber dreißig wilde als siebzig brave, geruhsame Jahre“: Ihre Liebe zu ihm ist aufrichtig – und so kompromisslos wie ihr bisheriges Leben. Franziska will ihn ganz, Trojanovicz aber lebt mit Sigrid zusammen, die er nicht sitzen lassen kann, nachdem sie in schwerer Zeit alles für ihn geopfert hat. Keine Altstadt-Rekonstruktion, keine Liebe – da bleibt nur noch tabula rasa und der Rückzug unter die sicheren Fittiche des Professors. Der ihr erst jüngst bei der feierlichen Übergabe des Theaters versichert hat, dass er fest mit ihrem Wiedereintritt in sein Team rechnet. Da erscheint Schafheutlin bei Franziska, die quasi schon auf gepackten Koffern sitzt, zu einem Kadergespräch...
In „Unser kurzes Leben“ konzentriert sich Lothar Warneke in seiner knapp zweistündigen Verfilmung des 1975 posthum erschienenen Romans “Franziska Linkerhand“ von Brigitte Reimann weitgehend auf die beruflichen Probleme seiner Protagonistin. Die aber, wenn auch nicht ganz so deutlich wie etwa in „Spur der Steine“, gesellschaftlich grundiert sind. Planerfüllung nach Schema F, Devisen- und daher Materialknappheit, das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit des sozialistischen Wohnungs- und Städtebaus („Arbeiterschließfächer“) werden unumwunden thematisiert. Eher zwischen den Zeilen erfährt man einiges über die privaten Probleme der Menschen im Arbeiter- und Bauernstaat im vierten Jahrzehnt seiner Existenz. Dass es immer noch Wohnungsnot gibt und die „Intelligenz“ bei der Verteilung des knappen Gutes bevorzugt wird, dass das als vorbildlich geltende Schul- und Bildungssystem der DDR offenbar doch Lücken hat. Und dass man als Architekt oder Bauingenieur solche Probleme mit der Staatsmacht bekommen kann, dass man als Kipperfahrer endet und damit zufrieden ist, in Ruhe gelassen zu werden.
„Unser kurzes Leben“, angelaufen am 16. Januar 1981 und am 6. Juli 1982 im Fernsehen der DDR erstausgestrahlt, ist bis in kleinste Episodenrollen hervorragend besetzt, dafür paradigmatisch zwei Beispiele: Annemone Haase als Gattin von Franziskas älterem Kollegen Kowalski und Christine Schorn als Schafheutlins so stutenbissige wie vereinsamte Sekretärin Gertrud, die sich nach einem Tanzabend das Leben nimmt. Nicht ganz überraschend nach den verräterischen Narben in Pulsadernähe, die nicht nur Franziska aufgefallen sein dürften. Ein funktionierendes Betriebskollektiv jedenfalls sieht anders aus. Beim XII. Int. Filmfest Moskau 1981 erhielt „Unser kurzes Leben“ den Spezialpreis des sowjetischen Verbandes bildender Künstler. Noch im gleichen Jahr gabs vier Kunstpreise des Freien Deutschen Gewerkschafts-Bundes (FDGB) für Regine Kühn, Christa Müller, Claus Neumann und Lothar Warneke.
Pitt Herrmann