Und nächstes Jahr am Balaton

DDR 1979/1980 Spielfilm

Inhalt

Jonas wollte eigentlich allein mit seiner Freundin Ines verreisen. Aber ihre Eltern haben andere Pläne: spießiger Familienurlaub am Schwarzen Meer. Nicht mit Jonas. Er steigt unterwegs aus und trampt allein weiter. Er trifft Kumpels aus seiner Werkstatt und schließt sich Shireen, einem holländischen Mädchen an, das bis nach Indien zur Sekte der Tahtras gelangen will. An der bulgarisch-türkischen Grenze nehmen sie wehmütig Abschied. In Nessebar trifft Jonas wieder auf Ines und erfährt von der Familienreise mit Hindernissen. Der Vater musste sich um einen gestohlenen Koffer kümmern und die Mutter hatte den Zug verpasst. Am Ende gibt es doch noch einen versöhnlichen Urlaub zu Viert.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die Studentin Ines Moldenschütt, bildhübsche Tochter eher kleinbürgerlicher Eltern, verliebt sich in den etwas ausgeflippten Jonas. Er ist insofern ein Aussteiger, als dass er nach dem Abitur statt auf die Universität in den „Produktionsprozess“ gegangen ist. Nicht aus Mangel an intellektuellen Fähigkeiten oder gar, weil er sich zum Christentum bekennt, sondern als bewusstes „Eintauchen in die Praxis“. Die Moldenschütts haben einen Bahnurlaub am Schwarzen Meer gebucht. Um die Tochter bei Laune zu halten, darf Jonas mitfahren. Doch nur mit Verlobungsring – des Hotelpersonals wegen, so jedenfalls die offizielle Lesart. Schließlich wartet am beliebtesten Badestrand der DDR ein Doppelzimmer auf die beiden Achtzehnjährigen.

Doch Jonas sucht das Weite, als er erfährt, welcher Anschlag auf seine Freiheit geplant ist. Was zu einer folgenreichen Kettenreaktion führt: Während sich Mutter Irene durch den Kauf einiger Illustrierten im Bahnhofskiosk zu beruhigen sucht, schließt sich Ines auf der Zugtoilette ein. Als sich die Bahn in Richtung Nessebar in Bewegung setzt, befinden sich nur noch Ines und ihr Vater Heinz darin. Letzterer erreicht das Ziel auf normalem Wege freilich auch nicht: Misstrauisch geworden ob der Vielzahl seiner Gepäckstücke, winken ihn die Grenzbeamten aus dem Abteil. So erreicht zunächst nur Ines Bulgarien.

Das freilich auch beim Rest der Familie nicht aus dem Blickwinkel gerät. Mutter Irene trifft nicht nur auf den alleinstehenden und in seiner ausgesprochen biederen Trabi-Gemütlichkeit geradezu idealen Reisebegleiter Otto Schmiedel, sondern auf einer Hochzeitsfeier auch auf den feurigen bulgarischen Bauern Prohazka. Und Jonas klinkt sich bei der attraktiven holländischen Studentin Shireen ein, die sich auf Guru-Trip nach Indien befindet.

Es ist müßig, alle kleinen Parallelhandlungen zumeist lustiger und jedenfalls landschaftlich reizvoller Art näher auszuführen. Aller Irrungen und Wirrungen zum Trotz trifft sich schließlich alles wieder am Schwarzen Meer. Selbst Jonas und Ines finden wieder zueinander, als das sommersprossige Hindernis Shireen über die türkische Grenze verschwunden ist. So wird Jonas, dessen buddhistische Zeremonie zwischenzeitlich für einige Unruhe gesorgt hatte unter den Touristen (dabei hatte doch gerade die FKK-Kultur im sozialistischen Deutschland ihre Heimstatt), in die bürgerliche Welt der DDR-Urlauber wieder aufgenommen...

„Und nächstes Jahr am Balaton“ war „der“ Streifen der „Sommerfilmtage 1980. „Easy Rider made in GDR“ könnte man die, so Regisseur Zschoche, „Liebesgeschichte“ betiteln. Zahlreiche DDR-Kritiker sprachen seinerzeit von einem „Tramp-Film“. Was Herrmann Zschoche gar nicht mochte: „Das Thema könnte man genauso in Berlin-Mitte erzählen. Da begegnen sich zwei, die sich mögen, zwischen denen aber so viel Trennendes steht, dass sie es nicht überwinden können.“

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, unterstreicht aber das durchaus kritische Urteil der DDR-Rezensenten anno 1980, die vor allem der Drehbuchautorin vorwarfen, dass von der „weltanschaulichen Dimension“ der Walther-Vorlage „kaum etwas geblieben ist“, so Henryk Goldberg im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“.

Das heutige Publikum nimmts gelassener und freut sich an dem „unbeschwerten, rundherum sympathischen kleinen Film mit jungen Leuten und wohl hauptsächlich für junge Leute“, so Günter Sobe in der (Ost-) „Berliner Zeitung“. Die Hauptrollen besetzte Herrmann Zschoche bewusst mit Laien, Kareen Schröter und Rene Rudolph waren Berliner Baufacharbeiter-Lehrlinge, oder Anfängern wie der frischgebackenen Abiturientin Odette Bereska, für die nach den Dreharbeiten eine Probezeit am Berliner Ensemble begann.

Doch auch heute noch wird deutlich, dass das mit romantischer Musik von Günther Fischer unterlegte (Rail-) Road Movie seinerzeit auch als Beitrag der SED-Ideologen gedacht war, das Fernweh der jungen Staatsbürger zumindest mit bunten Bildern und ebensolchen Geschichten zu befriedigen. Jonas ist halt nicht der bürgerlich-dekadente Aussteigertyp der Sorte Shireen, sondern ein zwar temporär ausgeflippter, aber jenseits hormoneller Schübe dennoch bodenständig-realistischer Typ, der eine Flucht in indische Musik nicht für eine gangbare Lösung zur Bewältigung der mitteleuropäischen Gegenwart hält. Und internationale Atmosphäre lässt sich schließlich auch über das Staatliche Reisebüro der DDR buchen...

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
2456 m, 90 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung: 26.06.1980, Weißwasser, Kunsteisstadion "Wilhelm Pieck"

Titel

  • Originaltitel (DD) Und nächstes Jahr am Balaton

Fassungen

Original

Länge:
2456 m, 90 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung: 26.06.1980, Weißwasser, Kunsteisstadion "Wilhelm Pieck"