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Maschhad, nordöstlicher Iran, 2001: Ein Serienmörder treibt sein Unwesen in der Heiligen Stadt. Deklariert als "Mission Gottes zur Reinigung der Straßen" werden mehrere Prostituierte brutal umgebracht. Die Journalistin Rahimi will dem Fall nachgehen, doch stößt sie in der streng patriarchalen Gesellschaft auf immer mehr Hindernisse. Denn die Behörden setzen dem Mörder nicht nur kaum etwas entgegen, man scheint die Taten geradezu zu ignorieren, wenn nicht gar zu billigen. Rahimi lässt jedoch nicht locker auf ihrer Suche nach der Wahrheit.
Der Film greift den realen Fall des fanatisch-religiösen "Spinnenmörders" auf, der zwischen 2000 und 2001 16 Frauen ermordete.
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Die Teheraner Journalistin Arezoo Rahimi reist im Auftrag ihrer Zeitung nach Maschhad, um im Fall des nur „Spinnenmörder“ genannten Serientäters, der die Leichen zumeist in Teppiche einrollt und mit dem Motorrad an der Peripherie „entsorgt“, zu recherchieren. Wie kann es sein, dass die Polizei den Täter immer noch nicht gefasst hat, der sich regelmäßig beim lokalen Kriminalreporter Sharifi zu den Morden bekennt und ihm die Fundorte der Leichen mitteilt? Frauen, zumal unverheiratete wie Rahimi, haben es schwer in Maschhad, die Journalistin erhält ihr vorab gebuchtes Hotelzimmer erst nach Vorlage ihres Presseausweises. Und muss sich später sogar den Annäherungsversuchen des Kriminalkommissars Rostami erwehren.
Bei dem Motorradfahrer, das offenbart Ali Abbasis gerade hochaktueller zweistündiger Polit-Thriller nach dem erschütternden realen Kriminalfall des „Spinnenmörders“ Saeed Hanaei, der zu Beginn der 2000er-Jahre in Maschhad 16 Prostituierte ermordete, gleich in den ersten Minuten, handelt es sich um den 50-jährigen streng religiösen Bauarbeiter Saeed Azimi, einen liebevollen Vater dreier Kinder. Der traumatisierte Veteran des Iran-Irak-Krieges bekennt gegenüber seinem Schwiegervater Haji (Firouz Agheli): „Gott hat mich nicht erschaffen, um nur ein Zimmermann zu sein.“ Worauf Haji, der ahnt, dass im nervösen Saeed etwas vorgeht, aber nicht weiter nachhakt, antwortet: „Nicht jeder kann ein Märtyrer sein.“
Mit Sharifi an der Seite befragt Rahimi Behörden und die Polizei. Als beide den der Geistlichkeit angehörenden Richter mit ihrem Verdacht konfrontieren, der Täter werde aus religiösen Gründen gedeckt, weil er die Stadt ganz im islamischen Sinne von „schmutzigen“ Frauen befreie, wird Rahimi auf Vorgänge in ihrer Vergangenheit wie die Auseinandersetzung mit ihrem Teheraner Chefredakteur angesprochen – und regelrecht bedroht. Sie lässt sich jedoch nicht einschüchtern, steckt zur Sicherheit immer ein Klappmesser ein. Rahimi beobachtet ein Hotel, in dem immer wieder Prostituierte mit ihren Kunden verschwinden. Und spricht auf der Toilette eines Dönerladens mit Soghra eine von ihnen, die übel zugerichtet wurde, an.
Als Sharifi vom Täter informiert wird, dass eine weitere, in einen Teppich eingerollte Leiche auf einem Acker außerhalb der Stadt liegt, erkennt Rahimi in der Toten die Prostituierte Soghra. Sie stellt sich selbst als Lockvogel an den Tulpenplatz, während sie ihr im Auto wartender Kollege nicht aus den Augen verliert. Wohl aber das Motorrad, das Saeed mit der Journalistin im Rücken durch engste Gassen bugsiert, durch die kein Auto kommt. Dank ihres Messers kann sie in höchster Not entkommen und Sharifi alarmiert die Polizei.
„Er hat ein paar sittenlose Frauen weggeschafft“, erklärt Saeeds Gattin ihrem ältesten Sohn: „Er wird sicherlich bald freikommen.“ Von Demonstrationen vor dem Gefängnis für eine Freilassung des Massenmörders bis hin zum Gemüsehändler auf dem Markt, der die Familie des Täters kostenlos versorgt, reicht die für europäische Maßstäbe unfassbare öffentliche Reaktion. Die gruseligste Szene des Films aber schaut sich die nach Teheran zurückkehrende Rahimi im Bus auf ihrem Camcorder an: Der Sohn spielt mit seiner kleinen Schwester die Mordabläufe des Vaters in der Wohnung nach. Er ist stolz auf dessen Rolle als islamischer Sittenwächter und könnte sich vorstellen, einmal in seine Fußstapfen zu treten.
Der in Kopenhagen lebende iranische Regisseur Ali Abbasi wollte „Holy Spider“ ursprünglich in der Türkei drehen, wich aber nach einer Intervention des iranischen Regimes auf die jordanische Hauptstadt Amman aus. Der konventionell-chronologisch gedrehte, zum Ende hin hochspannende Thriller weist einige vermeidbare Gewaltszenen auf. Während der populäre iranische Schauspieler Mehdi Bajestani 2022 in Stockholm als „Bester Hauptdarsteller“ ausgezeichnet wurde, erhielt die im Pariser Exil lebende Iranerin Zara Amir Ebrahimi im gleichen Jahr in Cannes und Sevilla den Preis als „Beste Hauptdarstellerin“.
Pitt Herrmann