Stiller Sommer

Deutschland 2012/2013 Spielfilm

Inhalt

Nach einer anstrengenden Auktion und einem heftigen Streit mit ihrem Mann Herbert verliert die Kunsthistorikerin Kristine plötzlich ihre Stimme. Im familiären Ferienhaus in den französischen Cevennen will die gestresste Karrierefrau sich eine Auszeit gönnen.

Mit dieser Idee ist sie allerdings nicht alleine: Kristine trifft in Frankreich überraschend auf ihre Tochter Anna, die sich nach einer vermasselten Prüfung mit ihrem Freund Franck erholen will. Zunächst herrscht eine Atmosphäre der Harmonie und Heiterkeit. Auch in der Dorfgemeinschaft aus Franzosen und deutschen Auswanderern fühlt Kristine sich trotz ihrer "Sprachlosigkeit" schnell wieder heimisch.

Dann aber beginnt sie eine Affäre mit Franck – und plötzlich steht ihr Leben Kopf. Denn überraschend taucht Herbert in Frankreich auf, und in der dörflichen Abgeschiedenheit lässt sich der amouröse Seitensprung sowieso nicht lange geheim halten.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Leah Strikers Kamera schwenkt über ein tief ausgeschnittenes Flusstal, umgeben von mittelgebirgshohen, bewaldeten Bergen. Schnitt. Eine Frau steigt einen steilen, steinigen Weg hinauf, einen Rollkoffer hinter sich herziehend. „Kristine?“ kommt eine überraschte Stimme aus dem Vorgarten eines Grundstückes, das sie kaum betreten hat. Barbara schließt ihre langjährige Freundin Kristine in die Arme, welche den bei ihr deponierten Ferienhaus-Schlüssel abholen will. Und kein Wort herausbringt, denn die gestresste Kunsthistorikerin hat plötzlich ihre Stimme eingebüßt. Sicheres Zeichen dafür, dass sie eine Auszeit braucht – im verwaist geglaubten Ferienhaus der Familie in den südfranzösischen Cevennen.

Wo Kristine wider Erwarten auf ihre Tochter Anna trifft, die eine wichtige Prüfung vermasselt hat und sich in der idyllischen Abgeschiedenheit mit ihrem französischen Freund Franck eine Auszeit nimmt. Der „Madame Winter“ sogleich freudig begrüßt, hat er doch bereits als Zwölfjähriger für die Deutsche geschwärmt. Franck fühlt sich vom ersten Moment an von der geheimnisvollen Sprachlosigkeit der Frau, die gut und gerne seine Mutter sein könnte, angezogen.

Auch die Dorfgemeinschaft aus Franzosen und deutschen Feriengästen, die zumeist in eigenen Immobilien längst heimisch geworden sind weit ab von der Hektik beruflicher oder gesellschaftlicher Verpflichtungen, ist erst einmal verblüfft, Kristine nach langer Zeit, in der ihre Ferienwohnung stets an Fremde vermietet war, wieder zu sehen. Dass sie offenbar nicht in der Lage ist, zu sprechen, ist für niemanden ein Problem. Und für die Tochter schon gar nicht: „Das Tolle an deinem Stimmverlust ist: Wir können gar nicht streiten und du hörst mir zu.“ Sogleich kreist die Weinflasche und es wird sogar ein kleines Wildschwein geschlachtet.

Rasch kommt auch Kristines Mann Herbert aus Deutschland hinzu, der sich Sorgen macht um seine beiden Frauen. Er will bereits seit langem das offenbar schon Jahre nicht mehr selbst genutzte Haus verkaufen und hat mit Joe auch einen ernsthaften Interessenten an der Leine. Ansonsten kümmert sich eine „Ex“ Herberts, die im nächsten größeren Ort ein Immobilienbüro unterhält, darum. Während Kristine eine Affäre mit Franck beginnt und dabei die tiefe Verletzung ihrer Tochter, die beide tatsächlich inflagranti erwischt, in Kauf nimmt, sieht sich die von Jean Pierre enttäuschte Barbara, er steht kurz vor der Hochzeit mit Claire, unter den verbleibenden Männern um.

Mit dem jungen Franck hätte sie auch 'was angefangen, aber als der frustrierte Herbert sich an seiner Gattin mit ihr rächen will, lehnt Barbara aus verletztem Stolz ab: So weit heruntergekommen ist sie nun wirklich nicht. So gerät die sommerliche Leichtigkeit innerhalb der kleinen Gemeinschaft ins Wanken. Die erotischen Spannungen zwischen allen Beteiligten laden sich immer weiter auf. Zumal Kristine auf dem Weg zu einem Wohnwagen mitten im Wald, in dem Maurice den Sommer über residiert, ihren Herbert an dessen Seite entdeckt – beide nackt und auch sonst in recht vertrautem Miteinander.

Jetzt kippt der Film. Und wechselt die Perspektive von Kristine zu Herbert. Wir sehen, wie Letzterer zusammen mit Bernard auf dem Motorrad heimlich dem Quad mit Kristine und Franck gefolgt ist, und wir begreifen, dass der Bootsunfall an der Stromschnelle, bei dem Herbert beinahe ertrunken wäre, Annas übersteigertem Ehrgeiz anzulasten ist. Schließlich könnte es doch noch einmal etwas werden zwischen den Eheleuten...

Nana Neul erzählt in atmosphärisch starken Bildern einen Film, der wie ein Rätsel funktioniert, das binnen knapp neunzig Minuten sukzessive gelöst wird. Allmählich erkennt man hinter dem zunächst oberflächlich wirkenden Liebestreiben der Figuren, dass sie alle in irgendeiner Form Gezeichnete sind. Nach dem Perspektivwechsel wird klar, dass das von Herbert Verdrängte das ist, was Kristine bis zur Stummheit belastet. Das künstlich geschaffenen Scheinidyll in Südfrankreich bildet für dieses Selbstfindungs- und Familiendrama, das auf dem Filmfest München in der Reihe „Neues deutsches Kino“ Premiere feierte, genau die richtige Fassade.

Nana Neul, geboren 1974 im westfälischen Werther, studierte von 1995 bis 2000 an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Sie drehte etliche Kurzfilme und absolvierte 2004 die Drehbuchwerkstatt München. Ihr erster Langfilm war das Drama „Mein Freund aus Faro“ um ein Mädchen, das sich als Junge ausgibt. Beim Saarbrücker Festival um den Max Ophüls-Preis 2008 wurde sie für das Buch zu diesem Film mit dem SR/ZDF-Drehbuchpreis ausgezeichnet. „Stiller Sommer“ ist am 9. November 2015 vom SWR auf Südwest-3 erstausgestrahlt worden.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 04.09.2012 - 15.10.2012: Les Vans Frankreich, Bonn
Länge:
86 min
Format:
35mm, 16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 21.02.2014, 143612, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 30.06.2013, München, Filmfest - Neues deutsches Kino;
Kinostart (DE): 10.04.2014

Titel

  • Originaltitel (DE) Stiller Sommer
  • Weiterer Titel Stiller Sommer

Fassungen

Original

Länge:
86 min
Format:
35mm, 16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 21.02.2014, 143612, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 30.06.2013, München, Filmfest - Neues deutsches Kino;
Kinostart (DE): 10.04.2014