Inhalt
Die Schauspielerin Kathi ist 30, allein erziehend und spricht mit schöner Regelmäßigkeit erfolglos bei Castings vor. Auch sonst weiß Kathi nicht recht, wie sie ihr Leben gestalten und in den Griff bekommen soll. Ganz anders ihre Mutter, die als Psychologin erfolgreich Karriere gemacht hat. Sie belächelt den Berufswunsch ihrer Tochter und versucht fortwährend, ihr gute Ratschläge zu geben. Eines Tages taucht völlig überraschend Kathis Vater auf. 15 Jahre lang hatte sie nichts von ihm gehört, nun will er auf einmal die Familie wieder zusammenführen. Durch diese Konfrontation mit der Vergangenheit bekommt die junge Frau eine unerwartete Chance, den Konflikt mit ihrer Mutter aufzuarbeiten und auch ihre Zukunftspläne neu zu gestalten.
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Dabei hätte Kathi eine Chance bitter nötig, ist sie doch alleinerziehende Mutter des vierjährigen Lenni, den sie morgens zumeist auf die allerletzte Minute in den Hort im Bötzowviertel bringt und ansonsten bei ihrer Mutter Chris (Susanne Lothar beeindruckt einmal mehr – in ihrer letzten Rolle!) ablädt, wenn wieder ein Vorsprechtermin ansteht. Chris ist ebenfalls alleinerziehende Mutter, von Kathi und deren jüngerem Bruder Gabriel, welcher noch daheim wohnt. Und sich, wo immer möglich. auf die Seite seiner Schwester schlägt. Dennoch ist Chris, in vielem das genaue Gegenteil ihrer Tochter, eine beruflich sehr erfolgreiche Psychologin, die zu ihren Klienten eine 38-Jährige zählt, die es nach eigener Einschätzung nicht geschafft hat, die Erwartungen der Eltern, der Gesellschaft und vor allem die eigenen zu erfüllen.
Was Chris nicht daran hindert, ihrer Tochter die Lebensberatung zu versagen, die sie ihrer Klientin zuteil werden lässt: Anstatt ihr Selbstbewusstsein zu stärken, hintertreibt Chris alle Versuche Kathis, auf eigenen Beinen zu stehen. So hat sie eine Wohnung für ihre Tochter und deren Sohn gekauft, die unmittelbar unter ihrer liegt, um so Kathis Leben noch stärker kontrollieren zu können. Chris bestimmt die Farbe der Wände, besorgt die Einrichtung und legt den Umzugstermin fest. Das Fass zum Überlaufen aber bringt erst der Versuch, Kathi ihren Sohn wegzunehmen, um diesen selbst erziehen zu können. Willkommener Anlass ist ein Ausreißversuch des Kleinen, der im Gewirr eines Berliner Flohmarktes verloren gegangen ist und von der Polizei einige Zeit später wohlbehalten in einer Eisdiele aufgefunden wird.
„Jetzt hab' ich nichts mehr“: Kathi lässt sich von ihrem Vater Wolfgang trösten. Der ist nach 15 Jahren wieder aufgetaucht, um die Familie wieder zu vereinen – und sich als Musiker in der Hauptstadt zu etablieren. Selbst Künstler, kennt er die Existenznöte seiner Tochter aus eigenem Erleben. Und kommt erst 'mal in der Baustelle der neuen Wohnung unter, bis Chris ihre Tochter nötigt, Wolfgang wieder vor die Tür zu setzen: Sie hat mit der Vergangenheit abgeschlossen, will nicht mehr an bessere Tage erinnert werden. Kann freilich ihren Kindern nicht den Kontakt zum Vater verbieten.
Als Kathi auf dem Sportplatz Fabian kennenlernt, den flippigen Onkel eines Fußballkameraden Lennis, öffnet sich plötzlich ein Fenster in die Freiheit: Der Schauspieler, Musiker und Puppenspieler ist zwar auch ein vergleichsweise brotloser Künstler und dazu noch ein Hallodri mit gleich mehreren weiblichen Eisen im Feuer, aber ein spontaner, netter, unkomplizierter Kerl, der ganz offenbar mit ihren Eigenheiten zurechtkommt – und auch noch mit Kindern kann. Kathi zieht, mit Lenni natürlich, wieder in ihre alte Wohnung zurück – und bald mit Fabian über die Plätze der Hauptstadt...
„Staub auf unseren Herzen“, das Langfilm-Regiedebüt der frischgebackenen dffb-Absolventin Hanna Doose, erinnert an manche Regeln der Dogma-Produktionen, indem es das ungeschminkte, ganz normale Leben mit scheinbar ungeschminkten, ganz normalen Darstellern offenbart. Die Rigorosität und Unerbittlichkeit, die Susanne Lothar in die Rolle der kontrollsüchtigen Über-Mutter steckt, trägt gespenstische Züge. Gabriel zuckt erschreckt zurück, wenn Chris ihn berühren, mit ihm knuddeln will wie in längst vergangenen Kindertagen. Instinktiv ist dieser Rückzug von der zunehmend vereinsamten Mutter, den seine Schwester zumindest räumlich längst vollzogen hat. Kathis erst körperlich-handfeste, dann stumme Verzweiflung über den Besitzergreifungs-Anspruch der Mutter lässt die Zuschauer mitempfinden, mitleiden ohne die Chance auf eine reinigende Katharsis: Stephanie Stremler vermittelt in ihrer Rolle eine bei aller unspektakulären Alltäglichkeit der Situationen schon beinahe antike Tragik der Unausweichlichkeit.
Die „Spielwütige“ Stephanie Stremler gehört wie Florian Loycke nicht nur zum Ensemble des bundesweit bekannten Berliner Puppentheaters „Das Helmi“, sondern ist auch Mitglied der Prenzlberger Band „Beton“, die neben dem Titelsong „Nichts ist gefährlicher für unsere Herzen als der Staub“ die ganze Musik komponiert und live eingespielt hat – und das ganz situationsbezogen Take für Take.
Pitt Herrmann