Pelikanblut - Aus Liebe zu meiner Tochter

Deutschland Bulgarien 2018/2019 Spielfilm

Inhalt

Die Pferdetrainerin Wiebke lebt mit ihrer neunjährigen Adoptivtochter Nicolina auf einer Pferdefarm. Nach langer Wartezeit adoptiert sie die fünfjährige Raya, die nun als Nicolinas lang gewünschte Schwester beginnt, sich in die neue Familie einzuleben. Nach einiger Zeit schlägt die harmonisch wirkende Situation um, da sich Raya immer aggressiver verhält und beginnt, eine Gefahr für sich selbst und andere darzustellen. Wiebke muss sich entscheiden, ob es richtig ist, Raya weiter bei sich zu behalten, und stellt sich die Aufgabe, ihr auf ungewöhnliche Weise zu helfen.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Western-Stiefel und Stetsonhut: Cowgirl Wiebke Landau betreibt seit einigen Jahren einen Pferdehof und lebt davon, dass sie Polizeipferde trainiert mit dem Ziel, Ross und Reiter für die „Gelassenheitsprüfung“ vorzubereiten. Zusammen mit ihrem Mitarbeiter Hagen stellt sie einen realitätsnahen Parcours auf, der künftige Einsätze etwa bei Demonstrationen imaginiert. Fahnen werden geschwenkt, Knallkörper zur Explosion gebracht, Bälle geworfen: Die Tiere müssen im wahren Wortsinn durchs Feuer gehen, und tun das nur, wenn sie Vertrauen zu ihrem Reiter haben.

Wiebke muss also auch Polizisten wie die junge, noch recht scheue Alma für die Führung ihres Pferdes schulen. Als diese bei einem Einsatz abgeworfen und verletzt wird, ist es die erfahrene Pferdeflüsterin, die beide wieder zusammenbringt. Was auch für Almas Kollegen Benedict bisweilen an Zauberei grenzt. Er zeigt sich auch privat an der alleinstehenden, aber auf dem abgelegenen Hof nicht alleinlebenden attraktiven Frau interessiert: Als berufstätige Single darf Wiebke in Deutschland keine Kinder adoptieren, wohl aber in Bulgarien. Weshalb sie aus einem Heim in Sofia vor einiger Zeit die inzwischen neunjährige Nicolina aufgenommen hat, die sich bestens entwickelt hat.

Nun holen die beiden aus dem gleichen Heim mit der fünfjährigen Raya ein blondes Engelchen nach Deutschland und die erstaunlicherweise gar nicht eifersüchtige Adoptivtochter zeigt dem Neuzugang als erstes ein großes Geheimnis: ihr Baumhaus-Versteck. Das gute Verhältnis der Kinder bekommt erste Risse, als Raya aggressive Verhaltensweisen offenbart, die einem gedeihlichen Zusammenleben auf der Pferdehof im Weg stehen. Um mich nicht zu sehr in unappetitlichen Einzelheiten zu verlieren: Helena Zengel war ein vergleichsweise harmloses Schreikind als Benni in Nora Fingscheidts unter die Haut gehendem Debütstreifen „Systemsprenger“.

Der Psychologe Dr. Zaruba (Sebastian Rudolph) diagnostiziert bei Raya eine schwere dissoziative Persönlichkeitsstörung: Aufgrund eines frühen Bindungstraumas könne sie keine normalen Emotionen empfinden. In der Tat ist das Mädchen für sich und seine Umwelt eine Gefahr: nachdem sie im Kindergarten die kleine Paula (Blagodava Gauckeva) immer wieder geschlagen hat, blieb der Erzieherin (Elisa Tokeva) gar keine andere Wahl, als dem Wunsch von Paulas Mutter und anderen Eltern zu entsprechen und Raya auszuschließen.

Spätestens, als auch ihre Freunde Bibi und Alexander berichten, Raya habe ihren kleinen Sohn Noah (Toussaint Fleming) bei brutalen Doktorspielen physisch und psychisch misshandelt, hätte Wiebke die Reißleine ziehen und dem Vorschlag des Psychologen folgen müssen, das in seiner „magischen Phase“ schier nicht zu bändigende Kind mit Frühtraumatisierung der Obhut einer universitären Spezialklinik zu übergeben. Schon um Nicolina willen, die sich vernachlässigt fühlt und sich immer häufiger zu Benedict und seinem Sohn „Jojo“ Johannes flüchtet.

Doch Wiebke ist überzeugt: Nur ihre Selbstaufopferung führt zum Erfolg. Im bulgarischen Kinderheim hatte sie das Bild einer Pelikanmutter gesehen, die sich mit ihrem spitzen Schnabel die eigene Brust aufreißt, um ihren Nachwuchs am Leben zu erhalten. Mit Hormonpillen erreicht sie, dass sie Raya wie eine biologische Mutter die Brust geben kann, und sie trägt die Fünfjährige fortan beim Pferdetraining und allen anderen Arbeiten auf ihrem Rücken. Wiebke ist bald nervlich und körperlich am Ende ihrer Kräfte, sodass sie verzweifelt nach esoterischen Wegen sucht, den Dämon in Raya zu besiegen. „Wenn man auf eine Reise geht“, verrät die von Hagen besorgte Schamanin, „kommt man anders zurück.“ Die Polizei hat inzwischen einen anderen Pferdehof gefunden für das Training ihrer Reiterstaffel…

„Pelikanblut“, der Titel von Katrin Gebbes nach „Tore tanzt“ (2013) zweitem Spielfilm, bezieht sich auf die besagte, auch vom Christentum übernommene antike Legende, ist eine ziemlich krude Mischung aus Sozialdrama und Psychothriller, angereichert mit einigen Verweisen auf einschlägig bekannte Horrorfilme („Rosemary’s Baby“, „Das Omen“, „Der Exorzist“). Man kann sich die in Venedig als Eröffnungsfilm der Sektion „Orrizonti“ uraufgeführte, vielfach national ausgezeichnete und mit 127 Minuten recht lange, so die Regisseurin, „alptraumhafte Vision der Elternschaft“ eigentlich nur unter dem Aspekt der enormen Leinwandpräsenz einer nicht nur metaphorisch blutenden Pelikanmutter Nina Hoss antun, die für ihre Darstellung den Günter-Rohrbach-Filmpreis 2020 erhielt. "Pelikanblut" wird am 27. Juni 2022 auf Arte erstausgestrahlt.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 13.08.2018 - 08.01.2019: Bulgarien [Hauptdreharbeiten bis Mitte Oktober. Danach wohl noch Nachdreh. (Quelle: C.U.)]
Länge:
127 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 10.10.2019, 191831, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (IT): 28.08.2019, Venedig, IFF;
Erstaufführung (DE): September 2019, Hamburg, Filmfest;
Kinostart (DE): 24.09.2020

Titel

  • Originaltitel (DE) Pelikanblut - Aus Liebe zu meiner Tochter
  • Weiterer Titel (EN) Pelican Blood

Fassungen

Original

Länge:
127 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 10.10.2019, 191831, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (IT): 28.08.2019, Venedig, IFF;
Erstaufführung (DE): September 2019, Hamburg, Filmfest;
Kinostart (DE): 24.09.2020

Auszeichnungen

Günter Rohrbach Filmpreis 2020
  • Preis der Saarland Medien GmbH, Beste Kamera
  • Darsteller*innen-Preis
Heimat Europa Filmfestspiele 2020
  • Lobende Erwähnung
Filmschau Baden-Württemberg 2019
  • Filmpreis, Bester Spielfilm
Filmfest Hamburg 2019
  • Produzentenpreis, Deutsche Kinoproduktionen