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Der Film, im Untertitel ausgewiesen als "Studie über die aufbauende Unzufriedenheit eines Komponisten", porträtiert den streitbaren und in der DDR nicht unumstrittenen Musiker Paul Dessau (1894–1979) als Pädagogen. Er zeigt ihn bei Proben zu seinen "Bach-Variationen" mit dem Orchester der Staatsoper Berlin und beim Unterricht vor Schülern der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule I in Zeuthen, die er zu einer kritischen Haltung erziehen will. Im Interview wendet sich Dessau gegen die Simplifizierung künstlerischer Mittel und erläutert Sinn und Notwendigkeit "harter Klänge in einer nicht weichen Zeit". "Genüsse", man sieht es ihm bei der Arbeit an, "sind mit Anstrengungen verbunden": "Kunst ist nie bequem. Den Sozialismus aufbauen ist überhaupt nicht bequem. Darum bin ich für das Unbequeme."
Quelle: 66. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Schnitt. Paul Dessau an der Kreidetafel. Was die Kinder, teilweise als Junge Pioniere uniformiert, auf einen vorgegebenen Liedanfang singend komponieren, bringt er in rastellihafter Geschwindigkeit an die Tafel, um sich danach ans Klavier zu setzen und die Notenfolge in verschiedenen Tonlagen zu spielen. Die dreißig Zeuthener Schulkinder, Sechstklässler einer Polytechnischen Oberschule, können dann selbst bestimmen, welche für sie die beste ist – und weiter geht’s im Text. Unterricht, der die Kinder fordert, der ihnen aber auch Spaß macht.
Schnitt. Paul Dessau nimmt im Interview mit Richard Cohn-Vossen kein Blatt vor den Mund. „Der“ Brecht-Komponist schlechthin wehrt sich gegen den Begriff „Dissonanz“, der das Publikum zum Kopfschütteln animiere. Er bevorzuge stattdessen „Spannungsfelder“, ein Begriff aus der Physik. Man müsse das Publikum zum neuen Hören und Verstehen zeitgenössischer Musik erziehen: „Harte Klänge in einer nicht weichen Zeit“ bedürfen ein kritisches Zuhören eines wachen, aktiven Publikums, das bisher gewohnt war, sich zurückzulehnen und zu genießen. „Musiker sind Erfinder, keine Wiederkäuer“: der streitbare Komponist, ein bekennender Kommunist, unterstreicht die Notwendigkeit einer neuen Musik für eine neue Zeit, die er auch 1967, sechs Jahre nach dem Mauerbau Walter Ulbrichts, für die DDR kommen sieht. „Kunst kann nicht bequem sein, sondern stellt Anforderungen und regt zum Denken an.“
„Paul Dessau“ ist wahrscheinlich der bekannteste Dokfilm des gebürtigen Schweizers Richard Cohn-Vossen. Er wurde 1962 von Andrew Thorndike für das zweiteilige Mammutprojekt „Das russische Wunder“ verpflichtet, auch, weil er der russischen Sprache mächtig war. Zum Team gehörte neben dem Autor Günther Rücker auch Paul Dessau – Cohn-Vossens erste Begegnung mit einem Komponisten, der nicht nur im Umgang mit den Medien als äußerst schwierig galt.
Eine zweite Begegnung fand in der Polytechnischen Oberschule Zeuthen statt, als Cohn-Vossen, inzwischen Regieassistent im Dokfilm-Studio der Defa, einen Beitrag für den „Augenzeugen“ drehte. Letztlich aber war es nach eigener Aussage des Regisseurs im Gespräch mit Paul Werner Wagner am 27. März 2019 beim nd-Filmclub „Dokumentarische Einblicke in Lebens- und Arbeitswelten der DDR“ im Berlin-Weißenseer Kino Toni der damals bereits wie Andrew Thorndike mit eigenem Studio in Babelsberg vertretene Regisseur Karl Gass, der ihm mit „Paul Dessau“ seine erste eigenständige Regiearbeit vermittelte, die am 11. August 1967 in den DDR-Kinos anlief.
Die mit einem für den jungen Debütanten gravierenden Eingriff der HV Film, der Hauptverwaltung Film beim Ost-Berliner Ministerium für Kultur, leben musste, weil Paul Dessau mit den Schnitt-Auflagen einverstanden war: Als bei einer Orchesterprobe in der Staatsoper nebenan eine Sopranistin so lautstark übte, dass ihre Koloraturen den Ablauf der Probe ernsthaft zu gefährden schienen, schlug ein Orchestermitglied – nicht ganz ernsthaft – Sanktionen vor. Paul Dessaus spontane Antwort fiel dem Zensor zum Opfer: „Ablehnen? Ich bin doch selber abgelehnt.“
Pitt Herrmann