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Am 20. Juli 1954, dem zehnten Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler, nahm Otto John, der damalige Präsident des "Bundesamtes für Verfassungsschutz", als einer der wenigen überlebenden Attentäter an der Gedenkfeier in West-Berlin teil.
In derselben Nacht verschwand er. Kurze Zeit später tauchte er in den ostdeutschen Medien wieder auf und kritisierte die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland als Hindernis für die Wiedervereinigung des Landes. Ist er freiwillig in den Osten gegangen oder wurde er entführt? Im Dezember 1955 kam er in den Westen zurück, wurde verhaftet und zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Freilassung kämpfte er unermüdlich für die Aufhebung dieses Urteils. Ergänzt wird seine Darstellung durch Aussagen u.a. von Markus Wolf, dem ehemaligen Chef des DDR-Geheimdienstes, dem dänischen Journalisten Henrik Bonde-Henrikesen, der John die Rückkehr in die Bundesrepublik ermöglichte, und einer Zeugin, die erst kürzlich aufgetaucht ist.
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Otto John war als bei der Lufthansa tätiger Jurist durch Dietrich Bonhoeffers Bruder Klaus zum Widerstand gegen das Nazi-Regime gekommen und hatte sich an den Vorbereitungen zum Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt. Während sein Bruder Hans John an Freislers Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und noch am 23. April 1945 von der SS hingerichtet wurde, gelang ihm die Flucht nach London, wo er bis Kriegsende beim britischen Propaganda-Soldatensender Calais tätig war.
Der Fall Otto John sei die deutsche Dreyfus-Affäre, konstatierte Prinz Louis Ferdinand von Preußen, bis zu seinem Tod 1994 ein enger Freund Otto Johns. Trotz weiterer prominenter Unterstützer aus Politik und Gesellschaft wurde Otto John erst 1986 durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker begnadigt. Danach kämpfte er aus seinem zweiten Exil Österreich weiter für seine Rehabilitation – Motivation für Erwin Leiser, einem der spektakulärsten, aber auch heikelsten Fälle der deutschen Nachkriegsjustiz einen 90-minütigen Dokumentarfilm zu widmen.
Uraufgeführt im August 1995 beim Int. Filmfestival Locarno wurde er nach seiner Deutschen Erstaufführung Anfang November 1995 beim Int. Leipziger Festival für Dokumentations- und Animationsfilme „Dok“ mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis als Bester publizistischer Beitrag ausgezeichnet. Dennoch war ihm nur ein kurzes Programmkino-Dasein beschieden. Der Erstausstrahlung bei Arte folgte eine Diskussion, an der u.a. auch Erwin Leiser und der frühere russische Botschafter in Bonn, Valentin Falin, teilnahmen.
„Otto John – Eine deutsche Geschichte“ ist eine berührende, weil dezidiert Stellung beziehende Dokumentation. Erwin Leiser verzichtet bewusst auf Distanz, sondern nimmt in seiner auf Emotionen setzenden Montage Partei für Otto John, was naturgemäß auch zu kritischen Reaktionen geführt hat. Henrik Bonde-Henriksen spricht Klartext: Die Richter, die als Vertreter des Bundesgerichtshofs am 22. Dezember 1956 das Urteil über John fällten, hatten bereits dem NS-Staat treu gedient und waren „glücklich darüber, einen lebendigen Widerstandskämpfer in ihren Händen zu haben.“
Pitt Herrmann