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Oskar Fischinger stellte, lange bevor es computeranimierte Bilder gab, abstrakte Formen, pulsierende Farbmuster und bewegte Animationen zusammen und kombinierte sie in kurzen Experimentalfilmen mit Musik. Harald Pulch beleuchtet in diesem Dokumentarfilm das Leben und Schaffen des "Vaters des Video-Clips" und zeigt zudem ein exklusives Interview von 1993 mit Elfriede Fischinger, Witwe und Arbeitskollegin des Filmemachers. Darin erzählt sie über das Künstlerleben des Ehepaars, das zunächst in Frankfurt, München, Berlin und schließlich in Hollywood arbeitete.
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1900 in der hessischen Kleinstadt Gelnhausen in einer Drogistenfamilie geboren und aufgewachsen, nahm Oskar Fischinger zunächst ein Ingenieurstudium in Frankfurt/Main auf. Sein Freund Bernhard Diebold, Feuilletonist der „Frankfurter Zeitung“, brachte ihn mit Walter Ruttmann zusammen, dessen Mitarbeiter er 1920 wurde. Technisch interessiert baute Fischinger eine „Wachsmaschine“ mit eingebauter Kamera mit dem Ziel, Malerei und Film zusammenzubringen.
Nach einer Trickfilm-Ausbildung in München wanderte er mit nur einer 35mm-Filmrolle im Gepäck drei Wochen lang zu Fuß in die Hauptstadt, woraus 1927 die Kurz-Doku „München-Berlin“ entstand. Bei der Ufa in Babelsberg erhielt er sogleich einen Animationsjob für Fritz Langs „Frau im Mond“ (1929). Seine Cousine und spätere Gattin Elfriede Fischinger, die er als 19-jährige Offenbacher Kunstgeschichtsstudentin kennenlernte, präsentiert nicht ohne Stolz das Raketen-Modell.
„Was ich erfinde, gehört den Massen“: Mit seinen experimentellen „Studien“ gilt Oskar Fischinger als erster Video-Clip-Schöpfer überhaupt – und das ganz ohne Computer-Technik. Einfache abstrakte Formen wie Quadrate und Dreiecke, aber auch an fliegende Vögel erinnernde Silhouetten wurden als „Tönerne Ornamente“ unmittelbar mit Musik unterlegt. Seine „Studie No. 7“ lief 1931 als Vorfilm zu Elisabeth Bergners Kinohit „Ariane“ – Fischingers Durchbruch. In der folgenden Kurz-Animation „No. 8“ ließ er seine mit weicher Kohle auf weißem Papier erstellte Vorlage im Film negativ ablaufen, so tanzten nun weiße Formen auf schwarzem Grund.
Für die Berliner Werbeagentur Tolirag schuf er 1933 mit „Kreise“ den ersten kompletten Farbfilm in Europa, auf den auch ausländische Aufträge etwa von Van Houten aus Holland folgten. Im Jahr darauf lernten mit Holzstäbchen statt Tabak gefüllte Zigaretten laufen – mitten durchs Brandenburger Tor. Der in Gasparcolor gedrehte Reklamefilm „Muratti greift ein“ war für viele Kinobesucher, so Gattin Elfriede, wichtiger als der Hauptstreifen.
1935 gabs den Spezialpreis der Biennale Venedig u.a. für „Komposition in Blau“, den ersten abstrakten Film mit dreidimensionalen Gegenständen. Als „entartet“ gebrandmarkt von den neuen Machthabern in Deutschland ging das Ehepaar Fischinger 1936 ins Exil. Noch im gleichen Jahr entstand für Paramount mit „Alegretto“ der erste Farbfilm in den USA. Später folgten Arbeiten für MGM und Disney, aber keine Zusammenarbeit war von längerer Dauer. Frustriert davon, nicht wie im Deutschland der Weimarer Republik unabhängige Filme produzieren zu können, widmete sich Fischinger mit Hilfe des Galeristen Karl Nierendorf und einem Guggenheim-Stipendium in den letzten 15 Lebensjahren bis 1967 ganz der Ölmalerei.
Mit Animationsfilmen wie „An Optical Poem“ und „Motion Painting No.1“, 1949 ausgezeichnet mit dem Großen Preis beim Internationalen Experimentalfilm-Wettbewerb in Brüssel, war Oskar Fischinger ein Wegbereiter. Indem er anhand der Partituren noch vor dem Tonfilm die Synchronisation von Bild und Ton vorantrieb, gelten seine Arbeiten als Vorläufer moderner Musikvideos.
Professor Harald Pulch begleitete die Tätigkeit Fischingers über vier Jahrzehnte. Sein ehemaliger Student Ralf Ott hat daran angeknüpft, das Material neu strukturiert und den Film gemeinsam mit Pulch fertiggestellt. Nach einer aufwendigen digitalen Restaurierung der experimentellen Animations-Filme und Werbefilmklassiker ist „Oskar Fischinger – Musik für die Augen“ ein 90-minütiges Zeitdokument, das einen der bedeutendsten Filmkünstler des 20. Jahrhunderts ins kollektive Gedächtnis zurückholt.
Pitt Herrmann