Novemberkind

Deutschland 2007/2008 Spielfilm

Inhalt

Die 25-jährige Inga ist in einem kleinen Dorf in Mecklenburg aufgewachsen. Als sie wenige Monate alt war, ist ihre Mutter Anne bei einem Badeunfall in der Ostsee ertrunken – so haben es ihr zumindest die Großeltern erzählt. Eines Tages taucht der Literaturprofessor Robert bei Inga in Malchow auf. Er behauptet, ihre Mutter erst vor wenigen Jahren in Konstanz getroffen zu haben. Als sich herausstellt, dass Robert Recht hat und sogar das ganze Dorf zu wissen scheint, dass Anne damals in den Westen geflüchtet ist, bricht für Inga eine Welt zusammen. Den Grund, warum ihre Mutter sie in der DDR zurückgelassen hat, erfährt sie nicht, und sie bittet Robert, ihr bei der Suche nach ihrer Mutter zu helfen. Gemeinsam reisen sie auf Annes Spur durch Deutschland und finden heraus, dass Anne mit einem Deserteur der Roten Armee geflohen ist. Doch langsam wird Inga klar, dass Robert noch ganz andere Motive hatte, sie aufzusuchen.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Malchow, DDR, 1980. Die Volkspolizei hat in dem kleinen mecklenburgischen Dorf Straßensperren errichtet, kontrolliert akribisch jedes Auto - wie an der Grenze zum Klassenfeind BRD. Eine junge Frau mit Kinderwagen traut sich nicht, den Kontrollpunkt zu passieren, macht lieber einen Umweg zu ihrer Wohnung. Die ältere Frau an ihrer Seite versucht zu beruhigen: Ein Sowjetarmist sei getürmt und werde nun gesucht.

Konstanz, 2007. Ein Mann wird aus einer Klinik entlassen und offenbar von seiner Gattin abgeholt, es geht mit der Autofähre über den Bodensee. Claire versucht vergeblich, ihren Mann Robert, Professor für kreatives Schreiben an der Konstanzer Universität, der gerade einen Herzinfarkt überstanden hat, für einen gemeinsamen Erholungsurlaub zu gewinnen. Sein erstes Buchprojekt ist ihm wichtiger – offenbar auch als die kriselnde Ehe.

Malchow, Ende November 2007. Inga und ihre beste Freundin Steffi baden, nackt bis auf die Weihnachts-Bommelmütze, im nahen und sicherlich eiskalten See. Um sich dann von Steffis Mutter Kerstin in der Sauna verwöhnen zu lassen: Ein emotionsgeladener Abschied, bei dem der kalte Verstand mit dem heißen Herzen ringt. Denn Steffi geht nach Nürnberg, in den neu gewonnenen Westen, und lässt die lebenslustige Bibliothekarin Inga allein zurück mit ihrem Motorrad, ihren Büchern – und ihren Großeltern.

Christa und Heinrich, der mittlerweile im Rollstuhl sitzt, sind uns schon im wie ein Dokumentarfilm aus alten grobkörnigen Orwo-Tagen daherkommender Prolog zu „Novemberkind“ begegnet. „Ich hab' Eltern, und die heißen Oma und Opa“: Inga ist bei ihnen aufgewachsen, nachdem sich der unbekannte Vater offenbar noch vor ihrer Geburt aus dem Staub gemacht hat und ihre Mutter Anne bei einem Ostsee-Urlaub auf Hiddensee ertrunken ist. So jedenfalls die offizielle Version nicht nur der Großeltern, sondern auch von Kerstin, der besten Freundin Annes. Als Inga noch auf dem Bahnsteig der gerade nach Franken abgefahrenen Steffi nachtrauert, bemerkt sie einen Neuankömmling nicht, der sich mit Gepäck beladen an ihrem Rücken vorbei in Richtung Dorf bewegt.

Sie wird ihn anderntags in der Bücherei wiedersehen, nachts an einer verwaisten Bushaltestelle, beim Abendessen im Dorfkrug: Robert, der Literaturprofessor aus Konstanz, erzählt ihr eine schier unglaubliche Geschichte, die Ingas bisheriges Leben völlig auf den Kopf stellen wird: Er habe vor ein paar Jahren in seinem Institut an der Hochschule Ingas Mutter Anne getroffen – und gesprochen. Anne sei vor mehr als 25 Jahren mit dem jungen Sowjetarmisten Juri in den Westen geflüchtet, habe ihre kranke Tochter bei ihren Eltern zurücklassen müssen.

Nachdem sich Inga vergewissert hat, dass nicht nur ihre Großeltern, sondern das ganze Dorf von der Fluchtgeschichte gewusst hat, bugsiert sie Robert kurzerhand auf den Sozius ihrer MZ und bricht nach Süden auf. Zunächst nach Stuttgart, wo Juri auf dem Güterbahnhof arbeitet. Von diesem erhofft sie Aufschluss über den derzeitigen Aufenthaltsort ihrer Mutter Anne...

„Novemberkind“, Christian Schwochows Diplomfilm an der Ludwigsburger Filmakademie Baden-Württemberg, erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die sich quer durch Deutschland auf die Suche nach ihrer Mutter und damit nach ihrer eigenen Vergangenheit macht. Das Drehbuch schrieben übrigens Mutter und Sohn Schwochow gemeinsam – und das vor dem biographischen Hintergrund einer Ost-West-Geschichte: Christian Schwochow wurde auf Rügen geboren, wo er auch aufwuchs, bis seine Eltern einen Ausreiseantrag stellten, der in der unmittelbaren Wendezeit bewilligt wurde und die Familie nach Hannover verschlug.

„Novemberkind“ erzählt eine zutiefst deutsch-deutsche Geschichte von Schweigen und Verdrängung, von Schuld und Verantwortung und den verheerenden Auswirkungen fehlenden Vertrauens. Christian Schwochows hochkarätig besetztes Drama lebt ganz von der Titeldarstellerin Anna Maria Mühe – in der Doppel-Hauptrolle als Inga und Anne. Und das umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich die auf der Leinwand häufig so übermütig und lebenslustig gebende Anna Maria Mühe im realen Leben als Tochter von Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe auch auf eine sicherlich schmerzhafte Suche nach ihrer eigenen Geschichte begeben musste wie die von ihr in „Novemberkind“ verkörperte Figur Inga: Im Vorfeld seines „Oscar“-Erfolges „Das Leben der Anderen“ hatte Mühe seine inzwischen geschiedene Gattin der Stasi-Mitarbeit bezichtigt, was diese bis zu ihrem Tod stets vehement abstritt. Und vor Gericht erreichen konnte, dass entsprechende Stellen in einem Film-Begleitbuch geschwärzt werden mussten. Nun sind beide Eltern Anna Maria Mühes an Krebs gestorben und das Thema für die Öffentlichkeit ad acta gelegt, sicherlich aber nicht für die 24-jährige Schauspielerin selbst. Deren Lebensgefährte Matthias Adler wohl nicht zufällig zu den „Novemberkind“-Produzenten gehört. Inga jedenfalls findet am Ende einen Ausweg ganz für sich selbst, wenn es auch ein schmerzlicher ist...

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 21.01.2007 - 18.03.2007: Malchow, Stuttgart, Konstanz, Kornwestheim, Eisenach, Kiel
Länge:
95 min
Format:
Super16mm - Blow-Up 35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SR
Aufführung:

Uraufführung (DE): 17.01.2008, Saarbrücken, Max-Ophüls-Preis;
Kinostart (DE): 20.11.2008;
TV-Erstsendung (DE): 26.10.2009, SWR

Titel

  • Arbeitstitel (DE) Novemberlicht
  • Originaltitel (DE) Novemberkind

Fassungen

Original

Länge:
95 min
Format:
Super16mm - Blow-Up 35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SR
Aufführung:

Uraufführung (DE): 17.01.2008, Saarbrücken, Max-Ophüls-Preis;
Kinostart (DE): 20.11.2008;
TV-Erstsendung (DE): 26.10.2009, SWR

Digitalisierte Fassung

Länge:
99 min
Format:
DCP, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby

Auszeichnungen

Studio Hamburg Nachwuchspreis 2009
  • Beste Produktion
FBW 2008
  • Prädikat: Besonders wertvoll
Max-Ophüls-Preis 2008
  • Publikumspreis