Summary
November Child
Malchow, GDR, 1980. 20-year-old Anne is hiding Juri, a deserter of the Red Army. The two fall in love with each other. But their love is threatened: there is an arrest warrant and possibly a death sentence waiting for Juri. The two leave the country and flee to the West, leaving Anne’s six-month-old daughter Inga behind. Inga grows up with her grandparents and thinks that her mother died during a swimming accident. 25 years later she meets the literature professor Robert, who sends her on the trail of her past. He met Inga’s mother Anne during one of his seminars. At first Inga is resistant, but then she asks for Robert’s help. Together they take off on a journey through Germany, in search of Inga’s mother Anne...
Source: German Films Service & Marketing GmbH
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Konstanz, 2007. Ein Mann wird aus einer Klinik entlassen und offenbar von seiner Gattin abgeholt, es geht mit der Autofähre über den Bodensee. Claire versucht vergeblich, ihren Mann Robert, Professor für kreatives Schreiben an der Konstanzer Universität, der gerade einen Herzinfarkt überstanden hat, für einen gemeinsamen Erholungsurlaub zu gewinnen. Sein erstes Buchprojekt ist ihm wichtiger – offenbar auch als die kriselnde Ehe.
Malchow, Ende November 2007. Inga und ihre beste Freundin Steffi baden, nackt bis auf die Weihnachts-Bommelmütze, im nahen und sicherlich eiskalten See. Um sich dann von Steffis Mutter Kerstin in der Sauna verwöhnen zu lassen: Ein emotionsgeladener Abschied, bei dem der kalte Verstand mit dem heißen Herzen ringt. Denn Steffi geht nach Nürnberg, in den neu gewonnenen Westen, und lässt die lebenslustige Bibliothekarin Inga allein zurück mit ihrem Motorrad, ihren Büchern – und ihren Großeltern.
Christa und Heinrich, der mittlerweile im Rollstuhl sitzt, sind uns schon im wie ein Dokumentarfilm aus alten grobkörnigen Orwo-Tagen daherkommender Prolog zu „Novemberkind“ begegnet. „Ich hab' Eltern, und die heißen Oma und Opa“: Inga ist bei ihnen aufgewachsen, nachdem sich der unbekannte Vater offenbar noch vor ihrer Geburt aus dem Staub gemacht hat und ihre Mutter Anne bei einem Ostsee-Urlaub auf Hiddensee ertrunken ist. So jedenfalls die offizielle Version nicht nur der Großeltern, sondern auch von Kerstin, der besten Freundin Annes. Als Inga noch auf dem Bahnsteig der gerade nach Franken abgefahrenen Steffi nachtrauert, bemerkt sie einen Neuankömmling nicht, der sich mit Gepäck beladen an ihrem Rücken vorbei in Richtung Dorf bewegt.
Sie wird ihn anderntags in der Bücherei wiedersehen, nachts an einer verwaisten Bushaltestelle, beim Abendessen im Dorfkrug: Robert, der Literaturprofessor aus Konstanz, erzählt ihr eine schier unglaubliche Geschichte, die Ingas bisheriges Leben völlig auf den Kopf stellen wird: Er habe vor ein paar Jahren in seinem Institut an der Hochschule Ingas Mutter Anne getroffen – und gesprochen. Anne sei vor mehr als 25 Jahren mit dem jungen Sowjetarmisten Juri in den Westen geflüchtet, habe ihre kranke Tochter bei ihren Eltern zurücklassen müssen.
Nachdem sich Inga vergewissert hat, dass nicht nur ihre Großeltern, sondern das ganze Dorf von der Fluchtgeschichte gewusst hat, bugsiert sie Robert kurzerhand auf den Sozius ihrer MZ und bricht nach Süden auf. Zunächst nach Stuttgart, wo Juri auf dem Güterbahnhof arbeitet. Von diesem erhofft sie Aufschluss über den derzeitigen Aufenthaltsort ihrer Mutter Anne...
„Novemberkind“, Christian Schwochows Diplomfilm an der Ludwigsburger Filmakademie Baden-Württemberg, erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die sich quer durch Deutschland auf die Suche nach ihrer Mutter und damit nach ihrer eigenen Vergangenheit macht. Das Drehbuch schrieben übrigens Mutter und Sohn Schwochow gemeinsam – und das vor dem biographischen Hintergrund einer Ost-West-Geschichte: Christian Schwochow wurde auf Rügen geboren, wo er auch aufwuchs, bis seine Eltern einen Ausreiseantrag stellten, der in der unmittelbaren Wendezeit bewilligt wurde und die Familie nach Hannover verschlug.
„Novemberkind“ erzählt eine zutiefst deutsch-deutsche Geschichte von Schweigen und Verdrängung, von Schuld und Verantwortung und den verheerenden Auswirkungen fehlenden Vertrauens. Christian Schwochows hochkarätig besetztes Drama lebt ganz von der Titeldarstellerin Anna Maria Mühe – in der Doppel-Hauptrolle als Inga und Anne. Und das umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich die auf der Leinwand häufig so übermütig und lebenslustig gebende Anna Maria Mühe im realen Leben als Tochter von Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe auch auf eine sicherlich schmerzhafte Suche nach ihrer eigenen Geschichte begeben musste wie die von ihr in „Novemberkind“ verkörperte Figur Inga: Im Vorfeld seines „Oscar“-Erfolges „Das Leben der Anderen“ hatte Mühe seine inzwischen geschiedene Gattin der Stasi-Mitarbeit bezichtigt, was diese bis zu ihrem Tod stets vehement abstritt. Und vor Gericht erreichen konnte, dass entsprechende Stellen in einem Film-Begleitbuch geschwärzt werden mussten. Nun sind beide Eltern Anna Maria Mühes an Krebs gestorben und das Thema für die Öffentlichkeit ad acta gelegt, sicherlich aber nicht für die 24-jährige Schauspielerin selbst. Deren Lebensgefährte Matthias Adler wohl nicht zufällig zu den „Novemberkind“-Produzenten gehört. Inga jedenfalls findet am Ende einen Ausweg ganz für sich selbst, wenn es auch ein schmerzlicher ist...
Pitt Herrmann