Mordfall Goos

Wenn es sich gelegentlich lohnt, in einige Folgen dieser Fernsehserie hineinzuschauen, dann nicht wegen der oft unechten Milieus und der am Schreibtisch erdachten Handlung, sondern weil dort die Besten der deutschen Schauspieler mitwirkten. Zum Beispiel hier: Martin Benrath als Thomas Goos. Thomas hat unter seinem Stand geheiratet und sich damit den Zorn seines Vaters (Martin Held) zugezogen. Als er schließlich den Freunden und Kumpeln seiner Frau aus dem Artistenmilieu eine Achterbahn finanzieren will, rastet sein Vater aus. Geschickt laviert Reinecker das Drehbuch in die Richtung, dass wir alle glauben, der Vater hätte den Mörder von Thomas Goos‘ Frau gedungen, doch es stellt sich eine ganz andere Lösung heraus. Martin Held, in seiner einzigen Derrick-Folge, wirkt schon sehr greisenhaft, seine sonst hoch modulationsfähige Stimme hat sich zu einem Altersfalsett verändert, doch seine schiere körperliche Präsenz, sein Auftreten und alleine schon die Art, wie er aufrecht und unerbittlich in einem Sessel sitzen kann und von dort die Anderen dirigiert, macht den oft wiederholten Satz „Wir müssen zuerst an die Familie denken“ filmisch glaubhaft. Mit einem derart Unerbittlichen möchte es niemand aufnehmen! Aber es ist Martin Benrath, der das Leiden des Ehemannes verkörpert, dem die Ehefrau erschossen wurde, die er mit all seinen Fasern geliebt hat. Seine Verzweiflung lässt sich hautnah spüren, seine Reaktionen, die zwischen rasender Wut und tiefer Depression schwanken, berühren. Von der anfänglichen Unbeschwertheit bis zu dem Schock des Mordes zeigt Benrath die Wandlungsfähigkeit eines Schauspielers, der sich in diese Rolle nicht nur hineingedacht, sondern hineingefühlt hat. Sicher einer der besseren Derricks, und Reineckers offensichtliche Neigung zum gehobenen Bürgertum befähigt ihn, solche Dramen milieugerecht zu ersinnen. Haften bleibt die Absage an jegliche Form der Selbstjustiz. Derrick zu Thomas Goos: „Sie haben den Falschen erschossen“. Eindrucksvolle Unterhaltung.