Margarethe von Trotta - Zeit der Frauen

Italien USA Deutschland 2020/2021 Dokumentarfilm

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Heinz17herne
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Die Hommage zum 80. Geburtstag Margarethe von Trottas beginnt standesgemäß im Palais am Funkturm mit der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2019 für ihr Lebenswerk: Mit Katja Riemann hält eine langjährige Weggefährtin und Freundin die Laudatio. „Wer spricht von Siegen, Überstehen ist alles“: Gerade hat sie noch Rilke zitiert, da reckt sie die Goldene Lola stolz in die Höhe und ruft: „Das ist ein Sieg!“

Eine nur allzu verständliche, bei ihr sonst völlig unbekannte Geste des Triumphes der 1942 als Angehörige eines alten baltischen Adelsgeschlechts staatenlos in Berlin zur Welt gekommen Schauspielerin und Regisseurin, die 1981 in Venedig für „Die bleierne Zeit“ mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, der Beginn einer Weltkarriere und der Startschuss zu einer bis heute andauernden Verehrung als Vorbild für Frauen, die sich in der Männerdomäne Film kämpfend durchsetzen – vor und hinter der Kamera.

Berlin. Ruinen sind ihre erste Erinnerung an die Stadt, in der sie mit den Eltern in einer unbeheizten Ein-Zimmer-Wohnung hausen und tagsüber um Brot betteln musste. Aufgewachsen in Düsseldorf, zog es sie als ganz junges Mädchen nach Paris, in die Stadt des Existentialismus, wo sie den Mief des biederen Nachkriegs-Deutschland zurücklassend das Flair Montmartres genoss. Zwischen Buchhandlung, Kino und Café spielte sich ihr Leben ab. Ingmar Bergmans „Das 7. Siegel“ war bestimmend für ihre berufliche Karriere: „Ich hab‘ Film gelernt, indem ich immer wieder ins Kino gegangen bin.“

München. Hier hat Margarethe von Trotta Schauspielunterricht genommen. Julia von Heinz, seit zwölf Jahren Regisseurin und – nach 50 Jahren Hochschule für Fernsehen und Film – die erste Frau als geschäftsführende Professorin für Regie, führt ihr verehrtes Vorbild durch die Räumlichkeiten der HFF und hat eine Erklärung für den nach wie vor notwendigen langen Marsch durch die Institutionen: „Frauen haben kein Talent zu Größenwahn.“ In München spielt sie bei Fassbinder („Baal“), lernt ihren späteren Gatten Volker Schlöndorff kennen und führt mit diesem erstmals Regie: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Der Name Trotta fehlt auf den Kinoplakaten. 1977 kommt mit „Das zweite Erwachen der Christa Klages“ ihr erster eigener Film heraus.

„Ich zeige Frauen, die versuchen, in die Geschichte einzugreifen“ sagt Margarethe von Trotta zu Beginn des Films. Barbara Sukowa, eine weitere langjährige Weggefährtin und Freundin, vergleicht später deren Impetus mit dem Hannah Arendts: „Ich will verstehen.“ Was für Frauen der Zeitgeschichte wie Rosa Luxemburg, die mutigen Angehörigen inhaftierter Juden in „Rosenstraße“ und die Gattin eines von der Mafia ermordeten italienischen Richters („Zeit des Zorns“, 1993) ebenso gilt wie für Alltagsgeschichten einer Freundschaft, in denen Männer nur eine Nebenrolle spielen („Heller Wahn“, 1983).

Rom. Nach der Trennung des vor allem in den USA arbeitenden Volker Schlöndorff beginnt eine in jeder Hinsicht glückliche Zeit in Italien, beruflich und privat an der Seite des Produzenten Felice Laudadio. Als sich das Brandenburger Tor öffnete, war Margarethe von Trotta in Rom und verfolgte das Geschehen in ihrer Lieblingszeitung La Repubblica. Laudadio war es auch, der sie zur Verfilmung des Buches „Das Versprechen oder: Die Jahre der Mauer“ von Peter Schneider ermutigte, 1995 der erste deutsche Berlinale-Eröffnungsfilm nach einer gefühlten Ewigkeit. Vom Publikum geliebt, aber bei der Kritik durchgefallen, was ihr Regie-Kollege Werner Herzog prophezeit hatte. Auch aus finanziellen Gründen nahm Margarethe von Trotta erstmals ein Angebot des Fernsehens an, „Jahrestage“. Unglücklicherweise als Ersatz für den geschassten DDR-Kollegen Frank Beyer, was zu vielen Missverständnissen geführt hat – und beinahe zum Bruch mit Volker Schlöndorff.

New York. Für die Autorin und Film-Professorin Pam Katz, Tochter jüdischer Deutscher, die noch rechtzeitig vor der Schoa Leipzig in Richtung Schweiz und später USA verlassen konnten, ist Margarethe von Trotta „meine große feministische Filmheldin“, für die sie zunächst das Drehbuch zu „Rosenstraße“ (2003) verfasste, bevor sie sich auf das achtjährige Abenteuer „Hannah Ahrendt“ (2012) einließ.

Palermo, Sizilien. Margarethe von Trotta wird zur Ehrenbürgerin ernannt im Rahmen einer großen Retrospektive ihrer Filme. Auch „Il Lungo silenzio“ ist dabei, die Regisseurin wird gerade vom jungen Publikum mit Ovationen überhäuft. 1993 hatte es die Mafia noch verhindern können, dass der Film überhaupt in den Kinos ihres Einflussbereichs gezeigt werden konnte. Der Bürgermeister lobt ihr soziales Engagement: Bei der Eröffnung eines von ihr mitinitiierten Frauenhauses entstehen die vielleicht schönsten und jedenfalls ausgelassen-fröhlichsten Bilder dieser Koproduktion von Doclights und Nordfilm für WDR, rbb und Arte. Sie ist mit Blick auf die Vergangenheit der gelungene Versuch einer Rehabilitierung durch Rede und Gegenrede (etwa im Fall Schlöndorff), in erster Linie aber eine sehr persönliche Huldigung der argentinischen Regisseurin und ihres auf TV-Serien spezialisierten Kollegen sowie der beiden Produzentinnen Kerstin Ramcke und Michaela Hummel.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 09.11.2020 - 27.08.2021: Berlin, München, Paris und Rom
Länge:
89 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 21.02.2022, Arte

Titel

  • Originaltitel (DE) Margarethe von Trotta - Zeit der Frauen

Fassungen

Original

Länge:
89 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 21.02.2022, Arte