Selbst der Wetterhahn auf dem Dach spannt den Regenschirm auf, so gießt es vom Himmel über einer idyllischen Kleinstadt im bergigen Süden der Republik, über der eine veritable Burg thront. Allerdings könnte so manches Gebäude ebenfalls einen Regenschirm gebrauchen in Ermangelung eines intakten Ziegeldaches. Junge Pioniere führen im Freien in besagten mittelalterlichen Mauern Kurt Schwaens szenische Kantate „Vom König Midas“ auf, eine Parabel über einen Besessenen, dem alles, was er berührt, zu Gold wird, und der daran fast verhungert. Dietrich Heilmann, der den sagenhaften griechischen König Midas verkörpert, lässt sich beim Anlegen des Kostüms durch sein Spiegelbild korrigieren. Regisseur Günter Stahnke hat sämtliche Rollen mit Kindern besetzt und für den musikalischen Part sowie die vielköpfige Statisterie den Kinderchor des Deutschlandsenders verpflichtet.
Während Dietrichs Kameraden eifrig bei der Sache sind, Kulissen zu malen und ein Banner zu beschriften, das den Anfang des Zuges markieren soll, mit dem später in den verwinkelten Gassen des ganz von heimeligen Fachwerkbauten geprägten Ortes für die Theateraufführung geworben wird, versucht Stefan Mayer, einen Esel aus dem Stall zu locken. Was für den weinlaubbekränzten Darsteller des Bacchus keine leichte Aufgabe ist. Schließlich lässt sich das störrische Grautier doch mit frischem Brot aus der Backstube locken. Und dann geht’s im schnell wachsenden Kinder-Zug, an der Spitze das Banner und die beiden Hauptdarsteller, wobei Stefan auf dem vergleichsweise großen Vierbeiner thront, durch das Städtchen. Aber erst, als mit einem kleinen Trick das Wetterhäuschen auf Sonnenschein fixiert ist und sich daraufhin die Regenwolken tatsächlich verflogen haben: „Vom König Midas“, lässt Günter Stahnke von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, ist ein Märchenfilm. Der in den ersten Minuten nur mit Kurt Schwaens Musik auskommt und einigen wenigen Originaltönen wie den Pauken des JP-Orchesters.
Bacchus, „der lustige Gott“, hat sich unterwegs verirrt. Sein Rücken schmerzt und der Kopf scheint ihm zu platzen. Er wird von Midas herzlich willkommen geheißen und sogleich in seinem Palast zur Ruhe gebettet, verspricht sich der König in seiner grenzenlosen Gier nach Gold doch eine Mehrung seines ohnehin schon gewaltigen Reichtums durch den mächtigen Gott. Der königliche Arzt (Pit Bussenius) kann zu allseitiger Beruhigung nur eine leichte Erschöpfung des Gastes feststellen, der vom ganzen Hofstaat, Frank Dubral und Olaf Rausch als Diener, Günter Pudak und Manfred Hennecke als Schleppenträger, umsorgt wird.
Bacchus bekommt natürlich mit, wie es um seinen schon krankhaft goldsüchtigen Gastgeber steht und will ihm eine Lehre erteilen, indem er dem König zum Abschied die Erfüllung eines Wunsches gewährt. Midas wünscht sich, dass alles, was er berührt, zu Gold wird. Und bleibt trotz warnender Hinweise des Gottes dabei. So kommt es, dass sich vom Blatt eines Baumes bis hin zum Wellensittich auf seinen Zweigen alles in pures Gold verwandelt. Doch Midas hat bald allen Grund, seinen Wunsch zu verwünschen: er kann keinen Braten mehr essen und keinen Schluck Wein mehr trinken, die Genüsse bleiben ihm förmlich im Halse stecken.
Wie ein antiker Chor kommentieren die jungen Sänger: Wer immer nur an sich denkt, geht zugrunde. Und wer zugrunde geht, ist dumm. Denn: gierig zu sein bringt Kummer, großzügig zu sein dagegen Freude. So fleht der König Bacchus um die Rücknahme der Vereinbarung an. Der Gott willigt ein, doch nun wachsen Midas lange Eselsohren, die er ein Leben lang nicht mehr verliert – als stete Mahnung. Und der Chor resümiert: Es gibt noch viel mehr Esel als nur den solchermaßen verunstalteten Midas, doch man sieht ihre Eselsohren nicht. Man erkennt sie jedoch an ihren dummen Streichen...
Günter Stahnke hat seine 51-minütige in Quedlinburg gedrehte Filmoper der Gruppe Solidarität des Defa-Studio für Spielfilme, Produktionsleiter Rudolf Kobosil, nicht nur konsequent mit Kindern besetzt, auch die hochgradige Stilisierung von Dekor und Maske bewirken einen an Brechts Lehrstücke erinnernden Verfremdungseffekt, der die Zensurbehörden nachhaltig irritierte. Zunächst ist „Vom König Midas“ zugelassen und nach dem republikweiten Kinostart am 17. Mai 1963 als künstlerisches Wagnis hochgelobt worden. Später wurde der Film unter dem gängigen „Formalismus“-Verdikt aus dem Verleihprogramm gestrichen. Nach „Monolog für einen Taxifahrer“ 1962 und seinem Spielfilm „Der Frühling braucht Zeit“, der erst nach der Premiere Ende November 1965 im Berliner „Colosseum“ in der DDR-Hauptstadt verboten wurde, obgleich er in machen Bezirken noch eine Weile gezeigt werden durfte, sollte dem experimentierfreudigen Regisseur Günter Stahnke ein Disziplinarverfahren angehängt werden auf Anweisung des DDR-Filmministers Günter Witt vom 23. Dezember 1965. Doch der Defa-Studiodirektor Jochen Mückenberger konnte das Ansinnen in einen Aufhebungsvertrag zum 31. März 1966 ummünzen. Fortan musste sich Stahnke mit leichter Kost beim DDR-Fernsehen begnügen.
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Während Dietrichs Kameraden eifrig bei der Sache sind, Kulissen zu malen und ein Banner zu beschriften, das den Anfang des Zuges markieren soll, mit dem später in den verwinkelten Gassen des ganz von heimeligen Fachwerkbauten geprägten Ortes für die Theateraufführung geworben wird, versucht Stefan Mayer, einen Esel aus dem Stall zu locken. Was für den weinlaubbekränzten Darsteller des Bacchus keine leichte Aufgabe ist. Schließlich lässt sich das störrische Grautier doch mit frischem Brot aus der Backstube locken. Und dann geht’s im schnell wachsenden Kinder-Zug, an der Spitze das Banner und die beiden Hauptdarsteller, wobei Stefan auf dem vergleichsweise großen Vierbeiner thront, durch das Städtchen. Aber erst, als mit einem kleinen Trick das Wetterhäuschen auf Sonnenschein fixiert ist und sich daraufhin die Regenwolken tatsächlich verflogen haben: „Vom König Midas“, lässt Günter Stahnke von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, ist ein Märchenfilm. Der in den ersten Minuten nur mit Kurt Schwaens Musik auskommt und einigen wenigen Originaltönen wie den Pauken des JP-Orchesters.
Bacchus, „der lustige Gott“, hat sich unterwegs verirrt. Sein Rücken schmerzt und der Kopf scheint ihm zu platzen. Er wird von Midas herzlich willkommen geheißen und sogleich in seinem Palast zur Ruhe gebettet, verspricht sich der König in seiner grenzenlosen Gier nach Gold doch eine Mehrung seines ohnehin schon gewaltigen Reichtums durch den mächtigen Gott. Der königliche Arzt (Pit Bussenius) kann zu allseitiger Beruhigung nur eine leichte Erschöpfung des Gastes feststellen, der vom ganzen Hofstaat, Frank Dubral und Olaf Rausch als Diener, Günter Pudak und Manfred Hennecke als Schleppenträger, umsorgt wird.
Bacchus bekommt natürlich mit, wie es um seinen schon krankhaft goldsüchtigen Gastgeber steht und will ihm eine Lehre erteilen, indem er dem König zum Abschied die Erfüllung eines Wunsches gewährt. Midas wünscht sich, dass alles, was er berührt, zu Gold wird. Und bleibt trotz warnender Hinweise des Gottes dabei. So kommt es, dass sich vom Blatt eines Baumes bis hin zum Wellensittich auf seinen Zweigen alles in pures Gold verwandelt. Doch Midas hat bald allen Grund, seinen Wunsch zu verwünschen: er kann keinen Braten mehr essen und keinen Schluck Wein mehr trinken, die Genüsse bleiben ihm förmlich im Halse stecken.
Wie ein antiker Chor kommentieren die jungen Sänger: Wer immer nur an sich denkt, geht zugrunde. Und wer zugrunde geht, ist dumm. Denn: gierig zu sein bringt Kummer, großzügig zu sein dagegen Freude. So fleht der König Bacchus um die Rücknahme der Vereinbarung an. Der Gott willigt ein, doch nun wachsen Midas lange Eselsohren, die er ein Leben lang nicht mehr verliert – als stete Mahnung. Und der Chor resümiert: Es gibt noch viel mehr Esel als nur den solchermaßen verunstalteten Midas, doch man sieht ihre Eselsohren nicht. Man erkennt sie jedoch an ihren dummen Streichen...
Günter Stahnke hat seine 51-minütige in Quedlinburg gedrehte Filmoper der Gruppe Solidarität des Defa-Studio für Spielfilme, Produktionsleiter Rudolf Kobosil, nicht nur konsequent mit Kindern besetzt, auch die hochgradige Stilisierung von Dekor und Maske bewirken einen an Brechts Lehrstücke erinnernden Verfremdungseffekt, der die Zensurbehörden nachhaltig irritierte. Zunächst ist „Vom König Midas“ zugelassen und nach dem republikweiten Kinostart am 17. Mai 1963 als künstlerisches Wagnis hochgelobt worden. Später wurde der Film unter dem gängigen „Formalismus“-Verdikt aus dem Verleihprogramm gestrichen. Nach „Monolog für einen Taxifahrer“ 1962 und seinem Spielfilm „Der Frühling braucht Zeit“, der erst nach der Premiere Ende November 1965 im Berliner „Colosseum“ in der DDR-Hauptstadt verboten wurde, obgleich er in machen Bezirken noch eine Weile gezeigt werden durfte, sollte dem experimentierfreudigen Regisseur Günter Stahnke ein Disziplinarverfahren angehängt werden auf Anweisung des DDR-Filmministers Günter Witt vom 23. Dezember 1965. Doch der Defa-Studiodirektor Jochen Mückenberger konnte das Ansinnen in einen Aufhebungsvertrag zum 31. März 1966 ummünzen. Fortan musste sich Stahnke mit leichter Kost beim DDR-Fernsehen begnügen.
Pitt Herrmann