Inhalt
Gunter Rist, Wachsoldat an der Grenze der DDR, ist ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen. Bei einem Schwimmwettbewerb trifft er die aus gutem Hause stammende Professorentochter Penny, und beide verlieben sich ineinander. Doch ihre Zugehörigkeit zu unterschiedlichen sozialen Schichten steht ihnen im Wege: Pennys Freunde akzeptieren Gunter nicht in ihrem Kreis und lassen ihn das auch spüren. Obwohl Penny für ihn Partei ergreift, traut sie ihrem eigenen Mut nicht, und sie zweifelt auch daran, ob eine Liebe gegen alle Widerstände Bestand haben kann. Im Zustand dieser Unsicherheit verfällt sie den Avancen ihres Ex-Freundes Bob und fährt mit ihm in die Ferien.
In der Zwischenzeit hat Gunter einen Unfall und lernt während des nachfolgenden Klinikaufenthalts die Krankenschwester Li kennen, die gut zu ihm zu passen scheint. Eine Weile sind beide glücklich, doch dann taucht Penny wieder auf und bittet Gunter, zu ihr zurückzukehren – sie brauche ihn. Obwohl Li ein Kind von dem jungen Soldaten erwartet, lässt sie ihn gehen. Doch Gunter bleibt es verwehrt, eine endgültige Entscheidung für Penny oder Li zu treffen. Eine feindliche Kugel erwischt ihn während des Diensts an der Grenze.
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Kunstspring-Wettkampf in einem Hallenbad. Bevor der junge Mann die Siegerin erreicht, um ihr seine mitgebrachten Blumen zu übergeben, ist das grazile Wesen bereits unerreichbar im Frauenbereich der Umkleide verschwunden. Doch Gunter Rist wirft, zumal als junger NVA-Grenzsoldat, so leicht die Flinte nicht ins Korn und wartet mit seinem Strauß geduldig am Ausgang. Was sich auszahlt, denn die strahlende Penelope Berger, genannt Penny, bittet Gunter sogleich aufs Parkett einer kleinen, improvisierten Siegesfeier. Klar, dass er sie anschließend nach Hause begleitet und sie, wenn nötig auch ganz handfest, gegen die Zudringlichkeiten eines halbstarken Schnösels verteidigt, der sich dann freilich als ihr jüngerer Bruder Karl-Friedrich, genannt Kalle, entpuppt. Und als ganz netter dazu: Selbst kurz vor dem Abitur stehend, empfindet er den alles andere als blasierten „Neuzugang“ Gunter als erfrischend bodenständig - und nicht als männliche Konkurrenz im elterlichen Haus wie die sonstigen Freunde seiner Schwester.
So wird Gunter, der offenbar aus einfacheren Verhältnissen stammt, in die ihn Staunen machende Welt der dem Bauhaus-Stil verpflichteten Nachkriegs-Moderne eingeführt: Schicke Möbel, neueste Unterhaltungstechnik, exquisite, bei den jungen Herren vor allem dandyhafte Klamotten und Accessoires. Die zu ihrem blasierten Gesichtsausdruck ebenso gut passen wie zu den hohlen Phrasen, die ihren Mündern entweichen wie der Tabaksqualm aus einer der unzähligen Pfeifen des jungen Zahnarztes und bisherigen Favoriten Pennys, „Lord“ Bob Hasslinger. „Wir im Kommunismus“: Die bis zum Zynismus gesteigerte Ironie der Konversation ist Gunters Sache nicht, der, wo nötig, mit klaren Worten dagegenhält.
Wie er auch selbst um eine „harte Bestrafung“ beim Oberleutnant nachsucht, weil er mit blauem Auge vom Ausgang in die Kaserne zurückgekehrt ist. Zehn Tage Ausgangssperre sind in Kreisen, in denen Disziplin und Selbstbeherrschung überlebenswichtig sein können, eine Bagatelle, für Penny jedoch Anlass, selbst beim Oberleutnant vorzusprechen und um Verständnis zu bitten. Ein unerhörter Vorfall, der mindestens ebenso viel Aufsehen bei Gunters Freund und Zimmernachbarn Struppel erregt wie das rare Wartburg-Cabrio der attraktiven jungen Frau in der ganzen Truppe.
Gunter, zumal in Uniform, passt wie die Faust aufs Auge in einen Zirkel, der um die partout nicht erwachsen werden wollende Professoren-Tochter, für die das Leben ein einziges (Theater-) Spiel ist, weshalb sie auch Schauspielerin werden möchte, kreist wie Monde um ihren Planeten. Wo der „Künstler“ Macky ’mal eben in wenigen abstrahierenden Pinselstrichen á la Picasso einen weiblichen Torso auf die Wandtapete malt und diesen „Aphrodite von Bitterfeld“ nennt, was seinerzeit jeder Kinogänger als ironischen Bezug auf den von der Parteibürokratie verordneten „Bitterfelder Weg“ des Sozialistischen Realismus verstanden hat.
Plötzlich liegt Gunter mit verbundenen Augen in einer Klinik. Ein Unfall? Ein Grenzzwischenfall? Jedenfalls ist Penny mit „Pfeifen-Bob“ in Ahrenshoop und Gunter bei der so unprätentiös-praktischen wie liebevollen Krankenschwester Li, die sich für andere aufopfert und insofern exakt das Gegenstück zur so selbstverliebten wie flatterhaften Penny bildet, in allerbesten Händen. Was auch so bleibt, als Gunter die Binde abgenommen wird – und auf die volle Unterstützung des Genossen Oberleutnant trifft: „Die Republik schützen kann man nicht mit Tomaten vor den Augen.“ Dennoch entschließt sich Gunter, einem Hilferuf Pennys folgend Li allein zurückzulassen. Nach einem erneuten Grenzzwischenfall bleiben gleich zwei trauernde Frauen zurück, eine von ihnen mit einem Kind unter dem Herzen...
Konrad Wolf soll dem Drehbuchautoren-Trio geraten haben, der Story ein größeres propagandistisches Gewicht zu verleihen. In den 1960er Jahren sah die DDR weder ökonomisch noch politisch eine andere Möglichkeit, als sich vom wirtschaftlich prosperierenden und auf verführerische Weise demokratisch verfassten Westen abzugrenzen - durch Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl. Diese „Romeo und Julia“-Adaption ist nur dann die Geschichte zweier verfeindeter Familien, die ihre Kinder nicht zueinander lassen wollen, wenn man den Film analog zu seinem Prolog aus der Vogelperspektive betrachtet: hier eine westlich-dekadente, intellektuelle Clique um die Professorentochter Penny, dort mit Gunter ein junger, mehr oder minder idealistischer, aber jedenfalls pflichtbewusster Soldat, der ganz selbstverständlich seinem sozialistischen Vaterland dient, und das naturgemäß auch an der Staatsgrenze.
„Penny, mit dem Soldaten, nimm’ das ernst“: In „Julia lebt“ haben wir es zwar mit sehr unterschiedlichen „Familienvätern“ zu tun, hier der Professor und dort der Oberleutnant. Aber beide sind aus dem gleichen Holz für typisch deutsch gehaltener Tugenden wie Fleiß, Pflicht- und Ehrgefühl geschnitzt, wollen ihren Schützlingen keinesfalls die milieubedingt „grenzüberschreitende“ Liebe ausreden, mahnen im Gegenteil jeder auf seine Weise Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem anderen an. Am Ende wird Gunter einmal mehr auf einer Bahre eilig durch einen Klinikflur geschoben. Er könnte den erneuten Anschlag auf ein Grenzsicherungsorgan der DDR überleben und dann auch von der zu erwartenden Vaterschaft erfahren – oder gleich zwei trauernde Witwen zurücklassen. Nimmt man den Filmtitel ernst, bleibt freilich nur die zweite, schlechtere Möglichkeit – ohne Chance auf eine wirkliche Entwicklung der Protagonisten.
Pitt Herrmann