Inhalt
Floria arbeitet als Pflegefachkaft in einem Krankenhaus – und sie liebt ihren Beruf. Auch wenn sie von Zimmer zu Zimmer eilen muss, nimmt sie sich Zeit für die Patient*innen – Zeit, die sie eigentlich gar nicht hat. Doch sie will die Menschen nicht einfach "abarbeiten", sondern wirklich für sie da sein. In der Hektik des Krankenhausalltags schafft sie Raum für Menschlichkeit und Wärme. Das bleibt jedoch nicht ohne Folgen, und so wird Florias Arbeitstag immer mehr zu einem Rennen gegen die Zeit.
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Entweder eine rote Lampe auf dem Flur blinkt oder das Telefon läutet. Weil Angehörige etwas wissen wollen oder eine entlassene Patientin ihre Brille vermisst. Die greise Frau Kuhn, deren Tochter in Boston lebt, weiß nicht, wo sie ist, und muss daher mit dem Lied „Der Mond ist aufgegangen“ beruhigt werden. Wie auch der Stammkunde Herr Leu, der Dickdarm-Krebs hat und seit mehreren Tagen auf seine Diagnose wartet, zumal er sich um die Betreuung seines elfjährigen Vierbeiners Charly daheim sorgt. Die darf ihm aber nur die Oberärztin Dr. Strobel geben, welche sich einmal mehr frühzeitig in den Feierabend verabschiedet hat.
Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem dauertelefonierenden Herrn Osmani ein Patient zu spät zu seinem Gallen-OP-Termin erschienen ist, der unbedingt ein Einzelzimmer will und auch von seiner immerhin Deutsch sprechenden Gattin nicht von seinem Handy getrennt werden kann. Floria muss die beiden mit dem Fahrstuhl ins OP bringen, was ihren durchgetakteten Ablaufplan auf Station durcheinanderbringt.
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit – und ihrem Nervenkostüm: Herr Nana, ein Westafrikaner, der ohne Angehörige in der Schweiz ist, wartet ungeduldig – und notabene ängstlich - auf seinen CT-Termin. Herr Schneider dagegen weiß, dass er sterben muss. Seine Tochter Pascale verbringt jede Minute an seinem Bett anstatt auch einmal an sich selbst zu denken. Herr Hungerbühler kann Floria mit seinen Anekdoten nur zum Schmunzeln bringen, wenn sie gerade einmal Zeit zum Ausschnaufen hat.
Was nun gerade nicht der Fall ist, da Herr Song eine lebensgefährliche allergische Reaktion zeigt, weil Floria in der Hektik die Schmerzmittel zweier Patienten auf einem Zimmer verwechselt hat. Die Stationsärztin Leonie von Arx zeigt volles Verständnis, tröstet Floria, die völlig genervt ist von spielenden Kindern und lauten Telefongesprächen, während sie einen Zugang legen muss. Und dann fragen auch noch die Söhne der schwer kranken Krebs-Patientin Bilgin mehrfach nach, wann sie denn nun mit einer Ärztin sprechen können. Als diese stirbt, muss sich Floria vor körperlicher Gewalt in Sicherheit bringen.
Das aber ist gar nichts gegen die Zumutungen eines Privatpatienten: Herr Severin, der seinen Geschäftskunden verschweigt, dass er mit tödlichem Pankreas-Karzinom im Krankenhaus liegt, kommandiert seine „Assistentin“ Floria zum sofortigen Teekochen. Damit hat er das Fass zum Überlaufen gebracht – und seine 40.000 Franken teure Uhr landet draußen im Gestrüpp…
Die in den USA lebende Schweizer Regisseurin Petra Volpe, Absolventin der Babelsberger Konrad-Wolf-Filmhochschule, greift nach ihrem Kinoerfolg „Die göttliche Ordnung“ über die reichlich verspätete Einführung des Frauenwahlrechts in der Alpenrepublik in „Heldin“ ein weiteres hochaktuelles Thema auf: den sich zuspitzenden Mangel an qualifizierten Pflegekräften – nicht nur in der Schweiz. Die großartige Leonie Benesch, fast zeitgleich auch in „September 5“ auf der Leinwand zu erleben, die mit „Das Lehrerzimmer“ den Deutschen Filmpreis gewann, ist die von Minute Eins an gestresste Titelheldin Floria Lind. Die sich nach Schichtende im Bus von der verstorbenen Patientin Bilgin trösten lässt…
Petra Volpe und Kamerafrau Judith Kaufmann begleiten sie mit dokumentarischer Präzision durch ihre Schicht: Fachberaterinnen waren die deutsche Pflegekraft Madeline Calvelage, Autorin des Sachbuchs „Unser Beruf ist nicht das Problem – Es sind die Umstände“ und die Pflegefachfrau Nadja Habicht. Leonie Benesch absolvierte vorab ein Praktikum im Kantonsspital Liestal, wo sie die Pflegenden bei ihrer Arbeit auf der viszeralen Chirurgie-Abteilung begleiten und die unterschiedlichen Handgriffe einstudieren konnte. Für Authentizität sorgen überdies echte Fachkräfte, Ärzte und das Reanimationsteam.
So erleben wir mit nahezu atemloser Unmittelbarkeit Floria Linds heißen Ritt durch die Strapazen eines chronisch überlasteten Systems, dem sie eine schier unglaubliche Kraft und große Empathie für ihre Patienten entgegensetzt. „Heldin“ ist eine packende Hommage an eine auch nach den bitteren Corona-Erfahrungen weitgehend von der Politik vernachlässigte Berufsgruppe. Der Spielfilm zeigt auf, wie wichtig eine gute Betreuung im Krankheitsfall für uns alle wäre – und wie sie derzeit aus personellen und letztlich finanziellen Gründen nicht möglich ist.
Pitt Herrmann