Happy Burnout

Deutschland 2016/2017 Spielfilm

Inhalt

Der Punk Fussel ist zwar nicht mehr der Allerjüngste, aber an seinen Prinzipien hält der alternde Anarcho unbeirrt fest: Er führt ein Leben ohne Verpflichtungen und ohne Job, mit wechselnden Affären, jeder Menge Spaß und vor allem viel Verachtung für das "System". Dank seines Humors und seines jugendlichen Charmes weiß er sogar die Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt auf seiner Seite. Sie hat sich mit Fussels Faulheit zwar abgefunden, doch als eine interne Prüfung ansteht, muss sie sich etwas einfallen lassen, damit ihr "Schützling" nicht auffliegt: Er bekommt ein Attest über Arbeitsunfähigkeit. Grund: Burnout.

Als Konsequenz muss Fussel allerdings zur Therapie in eine Klinik. Zunächst fällt es ihm schwer, sich zwischen all den echten Burnout-Patienten zurechtzufinden. Aber es dauert nicht lange, bis er mit seiner unorthodoxen Art die Sitzungen mächtig durcheinanderwirbelt, sehr zum Unmut der Krankenschwester Alexandra. Bei den anderen Pateinten hingegen haben Fussels Aktionen und Ideen ungeahnt heilsame Wirkungen.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ein ziemlich freakiger Typ zeltet im Wald, umgeben von Unmengen leerer Bierpullen. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass das Zelt vor einer Fototapete errichtet worden ist. Und die klebt an der Wand eines Mietshauses im Hamburger Schanzenviertel, wo sich der mittlerweile 43-jährige Alt-Punk Fussel (will einfach nicht erwachsen werden: Wotan Wilke Möhring) perfekt eingerichtet hat. Was nur möglich ist, weil er mit jungenhaftem Charme und entwaffnender Schlagfertigkeit bisher alle Anmutungen auf ein bürgerliches Arbeitsleben abwenden konnte – ob bei der Hauswartsfrau Pasternak, der Studentin Nelly oder einer Passantin, der er den scheinbar entlaufenen Hund zurückbringt. Sein Fels in der Brandung heißt Linde und ist Sachbearbeiterin im Arbeitsamt. Seit Jahren sorgt sie dafür, dass Andreas Poschka alias Fussel als Langzeitarbeitsloser Hartz IV beziehen kann, ohne sich jemals um einen Job bemüht zu haben.

Weil sich die interne Revision der Agentur für Arbeit auf politischen Druck hin verstärkt um scheinbar Unvermittelbare wie Andreas Poschka kümmert, droht Frau Linde aufzufliegen – und verschafft Fussel über einen befreundeten Arzt ein Arbeitsunfähigkeits-Attest. Die Diagnose lautet Burnout, mit ihr verbunden ist ein sechswöchiger stationärer Aufenthalt im schlossartigen Berghof-Sanatorium. Fussel hat keine Wahl, es droht die Streichung sämtlicher Bezüge. Und so fügt sich der Chaot in sein Schicksal - und findet sich plötzlich zwischen echten Ausgebrannten wieder, beginnend mit seinem Zimmergenossen Günther. Der etwa 60-Jährige, erfolgreicher Besitzer mehrerer Sonnenstudios, sitzt völlig apathisch und mit knallrotem, offenbar verbranntem Gesicht, auf seinem Bett. Kein Wort ist ihm zu entlocken.

In der Gesprächstherapie-Runde der Psychologin Alexandra ist Fussels erster Eindruck nicht weniger verheerend: Eine völlig verstörte, in sich gekehrte junge Frau, die sich später als Rosi Röhn herausstellt, kann das Wasser nicht halten. Dass dieser Mit-Patientin weder mit dämlichen Sprüchen noch mit aufreizendem Gehabe beizukommen ist, muss Fussel erst noch lernen. Und auch damit fertig werden, dass er sich bei der toughen Alexandra die Zähne ausbeißt: So schnell lässt sich die schlagfertige Ärztin nicht einschüchtern – und abkochen schon gar nicht. Was übrigens für alle Insassen der Klinik gilt, vom 30-jährigen Puppenspieler und Clown Datty, der mitten in einer Aufführung vor Kindern einen Nervenzusammenbruch erlitt, über die als Hausfrau und Mutter überforderte Merle bis hin zum pedantischen Immobilienmakler Anatol, der auch in dieser abgeschiedenen Idylle meint, Geschäfte machen zu müssen, weil ohne ihn daheim nichts läuft.

Für Fussel steht fest, dass er diesem Irrenhaus so schnell wie möglich entkommen muss. Doch die resolute Klinikleiterin, Frau Professorin Dr. Gunst, gibt ihm unmissverständlich zu verstehen, dass sie ihn für einen sozialschmarotzenden Simulanten hält und ihn unter besondere Beobachtung stellt. Zudem steckt sie ihren Finger in eine offene Wunde, die er vergeblich zu verdrängen suchte: Fussel ist der Kontakt zu seiner achtjährigen Tochter Lina untersagt worden, seit diese nach dem tödlichen Autounfall ihrer Mutter Nora in die Obhut der Oma Petra gegeben worden ist.

Fussel fügt sich in sein Schicksal. Statt weiterhin den Kaspar zu spielen, sieht er sich um und hört den Insassen zu. Je mehr er deren Schicksale kennenlernt, desto besser versteht er ihre Nöte, Sehnsüchte und Ängste. Und begegnet ihnen mit unkonventionellen Mitteln, von einer regelrechten Wirtshaus-Schlägerei bis hin zu gruppendynamischen oder sportlichen Begegnungen in der grünen Umgebung des Sanatoriums. Bald wird er für die Frau Professorin ein unentbehrlicher Undercover-Therapeut...

Die Komödie von André Erkau, der mit Wotan Wilke Möhring schon den Erfolgsstreifen „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ drehte, ist im Free-TV bisher nur in der Schweiz (2. Juni 2020 SRF) und Österreich (30. August 2021 ORF) gelaufen. Die feine Gratwanderung zwischen Tragik und Komik, deren marktschreierischer Titel „Happy Burnout“ nur auf den allerdings vorhandenen enormen Unterhaltungswert abzielt, erzählt Geschichten von existenziellen Krisen, vom Scheitern und den kleinen und großen Tragödien des Alltags. Wotan Wilke Möhring ist umgeben von einem Klasse-Ensemble, das ihm die Pointen-Bälle nur so zuwirft. Was im Übrigen seine Leistung gar nicht schmälert: Möhring & Co warten mit einer komödiantischen Leichtigkeit auf, die trotzdem ernste und sogar berührende Momente einschließt. Gedreht hat Kameramann Ngo The Chau vor allem auf Schloss Körtlinghausen bei Soest, dessen Besitzer Constantin von Fürstenberg mehrere Jahre im Herner Elternhaus der Möhring-Brüder gelebt hat und der für Wotan Wilke Möhring „wie ein Halbbruder“ ist.

Letzterem hat Regisseur Andrè Erkau im Warner-Presseheft dieses Kompliment gemacht: „Wotan ist für jede Produktion sowas wie der Hauptgewinn! Er ist nicht nur ein toller Schauspieler und sympathischer Kerl, er ist zudem auch ein sehr wacher und reger Geist, der sich aktiv in inhaltliche Diskussionen einbringt. Seine Punk-Vergangenheit hat uns dann auch inspiriert über einen Alt-Punk zu erzählen, der sich vor jeder Verantwortung drückt und gegen seinen Willen in dem Sanatorium landet, in dem sich Burnout-Kranke erholen sollen. Das Ganze war ein sinnlicher, sehr lebendiger Findungsprozess, an dem alle beteiligt waren.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 01.05.2016 - 01.07.2016: Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Niedersachsen
Länge:
103 min
Format:
DCP, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 16.02.2017, 166107, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Kinostart (DE): 27.04.2017

Titel

  • Originaltitel (DE) Happy Burnout

Fassungen

Original

Länge:
103 min
Format:
DCP, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 16.02.2017, 166107, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Kinostart (DE): 27.04.2017