Inhalt
Die Richterin Jeanne Charmant erhält den Auftrag, einen sehr komplexen Fall zu untersuchen und zu entwirren. Es geht dabei um Veruntreuung und Zweckentfremdung öffentlicher Finanzmittel und letztendlich um die Anklage gegen den Vorstandsvorsitzenden eines mächtigen Industriekonzerns. Je weiter sie mit ihren Untersuchungen vorankommt und je tiefer ihre Fragen dringen, umso bewusster wird sie sich ihrer Macht. Je mehr Geheimnisse sie lüftet, umso größer werden ihre Mittel, Druck ausüben zu können. Zur gleichen Zeit – und aus den gleichen Gründen – gerät ihr Privatleben in eine Krise.
Binnen kurzem sieht sie sich mit zwei vitalen Fragen konfrontiert, denen sie nicht ausweichen kann: Wie weit kann sie ihre Macht noch ausdehnen, ehe sie auf Stärkere trifft? Und wie lange kann ein normaler Mensch diese Macht ertragen, ohne sich an ihr zu berauschen? Die Geschichte, die der Film erzählt, trägt Züge, die einem bekannt vorkommen könnten, denkt man an den Mineralölkonzern Elf Aquitaine, bei dem Vorstandsmitglieder, von Politikern gedeckt, große private Vermögen anhäufen konnten.
Claude Chabrol: "Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre rein zufällig und ist nicht beabsichtigt. – Mit diesem Satz im Vorspann möchte ich den Zuschauer vor allen Dingen darauf einstimmen, sich von möglichen Ähnlichkeiten forttragen zu lassen, ohne sie aufspüren zu wollen. Wir haben uns außerdem darauf verständigt, keine existierenden Personen zu nennen: Es handelt sich also um eine gänzlich fiktive Welt! Unterm Strich: Es hat mich interessiert, die Wahrscheinlichkeit der Ereignisse zu überprüfen, sie anhand der jüngeren Wirklichkeit zu erzählen."
Quelle: 56. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Gleich nebenan im Restaurant Meurice erwarten drei Politiker die Ankunft Humeaus. Als sie die Nachricht von seiner Verhaftung erhalten, fällt sogleich der Spitzname Piranha: Jeanne hat den Ruf, hart durchzugreifen und unbestechlich zu sein. Humeau wird ihr in Handschellen vorgeführt, er wird die Nacht hinter Gittern zubringen müssen. Die Anklage lautet auf Veruntreuung öffentlichen Eigentums, Betrug, Bilanzfälschung und noch einiges mehr.
Daheim wird Jeanne von ihrem Mann Philippe, einem Arzt, und dessen Neffen Felix erwartet, der einige Tage bei ihnen in der großbürgerlichen Pariser Wohnung unterkommen möchte. Jeanne liebt Gespräche mit dem unbekümmerten Felix, dem sie sogleich Details ihrs jüngsten, spektakulären Falls erläutert.
Humeaus Firmengruppe wird verdächtigt, fremde Staatschefs oder, je nach Interesse, Oppositionsführer zu finanzieren. Während Sibaud, der den Stein ins Rollen gebracht hat, bereits als Nachfolger am Schreibtisch Humeaus sitzt, scheint keiner von den politischen Freunden des Angeklagten bereit zu sein, etwas zu seiner Rettung zu unternehmen. Jeanne, die unerbittliche Richterin, lässt nichts aus, will ein Exempel statuieren. Humeau wird bei einer Hausdurchsuchung vor seiner Ehefrau bloßgestellt, muss später eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Nach einigen Tagen ist der erfolgsgewohnte Unternehmer nur noch ein psychisches Wrack und wird ins Krankenhaus eingeliefert.
Aber auch Jeanne landet in der Klinik: Als sie abends spät nach Hause fährt, verweigern die Bremsen ihres Wagens den Dienst. Sie baut einen Unfall und wird bewusstlos im Krankenhaus eingeliefert. Die Richterin ist überzeugt, dass Sabotage im Spiel war. Leibwächter weichen nicht von ihrer Seite, auch später daheim nicht. Worunter ihr Gatte Philippe – und dann die Ehe leidet.
Jeanne, die inzwischen hochgestellten Politikern ein Dorn im Auge ist, zieht aus. Daheim und aus ihrem Büro, denn Gerichtspräsident Martino lobt sie ins nagelneue Finanzzentrum weg. Zu ihrer Beförderung gehören nicht nur ein größeres Büro, sondern mit der hervorragend beleumundeten Richterin Erika Eymard eine überaus fähige neue Mitarbeiterin. Die hohen Herren haben sich vergeblich Hoffnungen darauf gemacht, dass sich die beiden starken Frauen gegenseitig in den Rücken fallen. Das Gegenteil ist der Fall: Die verbünden sich und können gemeinsam noch stärker auftreten. Inzwischen werden weitere Mitarbeiter der Humeau-Gruppe verhaftet, auch Sibaud gerät unter Verdacht.
Die Politiker werden immer nervöser und setzen den Gerichtspräsidenten unter Druck. Martino rät Jeanne, kürzer zu treten, auf Urlaub zu gehen. Während sie noch überlegt, erfährt sie, dass sich ihr Mann Philippe aus dem Fenster gestürzt hat. Sie eilt ins Krankenhaus und trifft dort auf eine bemitleidenswerte Figur im Rollstuhl, Humeau. Und auf Philippes Neffen Felix, der sofort fragt, ob sie am Fall dran bleibt...
Claude Chabrol, längst als Großmeister der bissigen Gesellschaftsanalyse ausgewiesen, packt mit „L’ivresse du pouvoir“ ein besonders heißes Eisen an: Sein von ihm selbst ausdrücklich als Fiktion ausgewiesener Polit-Thriller ist inspiriert von der Bestechungs-Affäre der international operierenden französischen Öl-Gesellschaft Elf-Aquitaine, die in den 1990er Jahren auch Kreise bis nach (Ost-) Deutschland und in die Regierung Helmut Kohl zog.
Bereits zum siebten Mal spielt Isabelle Huppert in einem Chabrol-Film, und in diesem in einer Rolle, wie man sie so noch nicht gesehen hat. Was beim Outfit beginnt: Die unerschrockene Richterin und erfolgreiche Karrierefrau tritt mit knallroten Handschuhen, einer ebensolchen Handtasche sowie einer blass-lila- bis rosafarbenen Brille auf. Isabelle Huppert: „Ihre eher originelle Brille ist ein Zeichen der Selbstbestätigung und einer Prise Weiblichkeit. Sie sieht sich gerne in einer repräsentativen Rolle, wovon auch die Theatralität der Vernehmungen zeugt. Außerdem trägt Jeannes Eleganz zu ihrer Selbstsicherheit gegenüber den Männern bei, mit denen sie zu tun hat.“
Die Jeanne „der“ Huppert verfolgt, so Regisseur Claude Chabrol im Concorde-Presseheft, ein Gerechtigkeitsideal, wird jedoch von der Macht berauscht und muss dafür – letztlich – privat einen hohen Preis zahlen: „Ehrlich gesagt wäre mir dieser Film ohne sie schwer gefallen. Wer sonst hätte diese prägende starke Zerbrechlichkeit darstellen können? Ihre liebenswerte Seite einer kleinen kämpferischen Frau berührt mich zutiefst.“
Pitt Herrmann