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Das Paar Vera und Wolf führt mit seinen beiden Kindern, der fünfjährigen Nina und dem einjährigen Simon, ein scheinbar glückliches Leben in Berlin. Während Vera einem Halbtagsjob nachgeht und sich danach um die Kinder und den Haushalt kümmert, arbeitet Wolf in Sachen Klimaschutz als wissenschaftlicher Berater der UN. Doch der Versuch, sowohl den Berufen als auch der Familie gerecht zu werden, reibt die beiden zusehends auf. Die Diagnose, dass Tochter Nina an einer Störung von Feinmotorik und Koordination leidet, bringt das Lebensmodel der Familie endgültig ins Wanken. Als Nina kurz darauf den kindlichen Wunsch äußert, "eine Million Minuten" mit ihren Eltern zu verbringen, bringt das den entscheidenden Anstoß: Eine Million Minuten, 694 Tage lang, sucht die Familie in verschiedenen Teilen der Welt nach einem alternativen Lebensmodell.
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„Ach Papa, ich wünschte, wir hätten eine Million Minuten. Nur für die ganz schönen Sachen, weißt du?“ sagt Nina, als ihr Vater selbst abends keine Zeit für die Familie hat. „Vielleicht ist das Paradies eigentlich die Kindheit?“ fragt sich Wolf daraufhin und gibt quasi über Nacht sein Jetset-Leben als Gutachter für die Vereinten Nationen auf, schlägt das Angebot, als Wissenschaftler nach Kapstadt zu gehen, aus und bucht als erste Station ein Luxus-Resort in Thailand. „Es muss unglaublich schwer sein, das Nichts zu formulieren“: Ironisch sein Blick zurück auf das Schneckentempo der globalen Politik bezüglich der Umwelt und des Klimawandels, das ihn zunehmend verzweifeln ließ.
Drei Monate später geht’s nach Australien, wo Nina lernt, dass es sich lohnt, für seine Träume zu kämpfen - vom „armen Mann“ Rob, der, obwohl auf den Rollstuhl angewiesen, als Drachensegler am Strand unterwegs ist. Als die anfangs unerreichbar erscheinende Zahl von einer Million Minuten erreicht ist, wird am Lake Tekapo gefeiert – in Neuseeland. Zuvor hat Nina weitere wertvolle Erfahrungen in Down Under sammeln können – in einem der anthroposophischen Pädagogik Rudolf Steiners verpflichteten Kindergarten. Zurück im Rheinland leidet Wolf Küper, so jedenfalls seine Psychologie-Freundin Anna Amsel, unter „F 43-Anpassungsstörungen“, die in einem glimpflichen Auto-Blechschaden gipfeln.
Von Wolfs Eltern ist nur einmal kurz die Rede, genauer gesagt vom verstorbenen Opa Hans, einem Industrieschlosser, dessen kleines Haus in Herne von einer Fliegerbombe getroffen worden ist. In der Verfilmung von Christopher Doll ist dessen Rolle aufgewertet: der gebürtige Herner Joachim Król spielt Opa Werner Küper, Ulrike Kriener seine Gattin Regina. Nun ist die neue Hauptstadt statt der alten Ausgangspunkt der gleich von einem Autorenquintett geschriebenen Geschichte, die sich von der Buchvorlage ziemlich weit entfernt und die Beziehung der Eheleute Küper ins Zentrum rückt.
Vera und Wolf Küper führen mit ihren beiden Kindern, der fünfjährigen Nina und dem einjährigen Bruder Simon, äußerlich ein Traumleben: Er macht als Biodiversitätsforscher Karriere bei den UN, sie versucht neben Haushalt und Kindern noch in ihrem Beruf als Bauingenieurin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit tätig zu bleiben. „Ist was passiert?“ fragt Wolf, als er um 2 Uhr in der Frühe heimkommt. Veras Antwort: „Familie ist passiert.“
Nach einer „diagnostischen Odyssee“ bei Dr. Finkelbach gelandet, diagnostiziert der bei Nina eine Entwicklungsverzögerung und rät, möglichst viel Zeit zusammen mit der Tochter zu verbringen. Als diese eines Abends beim Zubettgehen besagten Wunsch äußert, wird Papa Wolf klar, dass jede gemeinsame Minute wertvoller ist als eine glänzende Karriere. Chefin Claudia Herkenrath ist ebenso wenig begeistert wie sein Vater Werner, aber Kollege Ben verspricht ständigen Kontakt via Skype. Denn im Gegensatz zur Vorlage wollen beide in der Fremde abwechselnd halbtags weiterarbeiten.
Schon bei der ersten Station ist Thailand zeigt sich rasch, dass das Timesharing nicht klappt: Wolf kündigt vor der Weiterreise nach Island, um sich ganz den Kindern und insbesondere Nina zu widmen. Vom charmanten Nachbarn Einar ermuntert, geht Vera ganz in ihrer Beratungstätigkeit zur ökologischen Hausrenovierung auf. Der sogleich eifersüchtige Wolf hadert mit seiner Hausmann-Rolle, kann sich aber über motorische Fortschritte seiner Tochter freuen. An denen mit Bassi (Tommi Thor Gudmundsson) ein „armer Mann“ im Rollstuhl wesentlichen Anteil hat. Als Ben, der eigentlich Bassin Ibn Hammed heißt, nach einem Fahrradunfall stirbt, fliegt Wolf nach Berlin zur Beerdigung…
„Eine Million Minuten“ ist das durchaus überzeugende Regiedebüt Christopher Dolls. Mit seiner inzwischen selbst vor allem regieführenden Gattin Karoline Herfurth und Tom Schilling stellt er ein junges, ehrgeiziges Akademikerpaar in den Mittelpunkt, das lernen muss, aufeinander Rücksicht zu nehmen, um Familie und Beruf bewältigen zu können. Ob es seinen Protagonisten gelingen wird, lässt der einstige Münchner Psychologie-, Philosophie- und Politikstudent offen.
Pitt Herrmann