Inhalt
Konrad, 85, hat zumeist verhagelte Laune. Und nun will seine Tochter die Kinder ihrer lesbischen Freundin adoptieren. Thurba, 10, haut vor der Polizei ab, die ihre Familie abschieben will. Doch das geht nur, wenn alle Kinder dabei sind. Also springt Thurba aus dem zweiten Stock und rennt davon, für ihre Familie. Mitten in der Nacht wacht Konrad auf. Da war doch was im Keller? Leise schleicht er, bewaffnet mit einer Nagelschusspistole, nach unten und feuert in die Dunkelheit. Er trifft die kleine Thurba, die aufschreit wie am Spieß. Thurba kann nirgendwo hin, und er hat sie angeschossen. Doch das Mädchen aus dem Jemen rührt ihn, ob er will oder nicht. Als Thurba ihm einen Deal vorschlägt, muss er sich entscheiden.
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Schnitt. Am anderen Ende der Stadt läuft ein Polizeieinsatz. Die vierköpfige, aus dem Jemen geflüchtete Familie um die Mutter Amal Al-Sherbini soll nach Bulgarien abgeschoben werden. Dabei lautet ihr Ziel Großbritannien, wohin es den Vater verschlagen hat. Der elfjährigen Thurba (eindrucksvolles Debüt: Milena Pribak) gelingt die Flucht über den Balkon. Sie weiß, dass nur die komplette Familie mit ihr und den beiden jüngeren Brüdern außer Landes geschafft werden kann.
Es ist später Herbst, die Zugvögel formieren sich, die Nächte werden zunehmend kälter. Auf ihrer Suche nach einer Bleibe steigt Thurba in besagten Keller ein – und wundert sich nicht wenig über das Aquarium, auf dessen Grund das Modell eines U-Bootes liegt (arg plakative Anspielung auf Jürgen Prochnows Parade-Rolle als Kommandant in „Das Boot“ von 1981). Den Lärm, den das Mädchen unbeabsichtigt verursacht, weckt den von Alpträumen geplagten Konrad und lässt ihn zu seiner Nagelschusspistole greifen. Gleich zwei Salven feuert er in die Dunkelheit, um den vermeintlichen Einbrecher zu vertreiben - und verletzt die kleine Thurba zum eigenen Entsetzen am linken Arm.
Konrad, der selbst mit Mutter und Bruder aus Pommern flüchten musste, als er noch ein Kind war, verbindet die Fleischwunde und gibt dem Mädchen zu essen. Doch der offenbar traumatisierten Ausgehungerten wird sofort schlecht. Sie soll im Keller neben dem Aquarium schlafen, hat aber klaustrophobische Angst und flieht. Sie kehrt zum plötzlich gar nicht mehr so mürrischen Alten zurück, als dieser Empathie zeigt für die Flüchtlingsfamilie: Wie man Milch und Wasser nicht mehr voneinander trennen kann, wenn man einmal Milch in den Kaffee geschüttet hat, so lassen sich Migranten nicht mehr von „Heimischen“ trennen, wie Konrad aus eigener Erfahrung weiß.
Er will die Familie heimlich bis an die Küste fahren, damit sie von dort aus versuchen kann, nach England zu kommen. Aber eine neugierige Nachbarin hat die Polizei auf Thurba aufmerksam gemacht. Nun heißt es, der Polizei-Oberkommissarin Dix ein Schnippchen zu schlagen – mit dem von Tochter Ingrid besorgten Pass „ihres“ Sohnes David…
„Eine Handvoll Wasser“ wartet mit einigen ungewöhnlichen Kameraperspektiven Tristan Chenais‘ auf, geht unterm Strich aber eher als TV-kompatibles Kammerspiel durch, was vielleicht den eher mageren Start in nur wenigen Programmkinos erklärt. Schade, denn die enorme Leinwandpräsenz der beiden Protagonisten Jürgen Prochnow und Milena Pribak verleihen dem Langfilm-Regiedebüt des Frankfurters Jakob Zapf eine weitgehend klischeefreie Tiefe. Ein in unserer Zeit notwendiges, gefühlvoll-nachdenkliches Plädoyer für mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander, dessen Titel auf eine Formulierung im Arabischen zurückgeht: „Der Begriff steht für genau so viel Wasser, wie in eine Handfläche passt, also ein ganz kleiner Schluck. Wenn man es im Arabischen schreibt, dann ist es dasselbe Wort wie ‚Zimmer‘, so dass der Titel sich für viele erstmal als ‚Zimmer voll Wasser‘ und gleichzeitig wie ‚Handvoll Wasser‘ liest – ein schönes Spiel zwischen Überfluss und Mangel“, so der Regisseur im jip-Presseheft.
Pitt Herrmann