Inhalt
Der Endzwanziger Lenny nimmt das Leben von der leichten Seite. Er hat sein Medizinstudium vor geraumer Zeit geschmissen, wohnt noch immer in der elterlichen Villa und verbringt seine Nächte mit Vorliebe in einer Nobeldisco. Eines Tages aber hat sein verwitweter Vater, ein angesehener Herzspezialist, die Nase voll. Er dreht Lenny den Geldhahn zu, setzt ihn vor die Tür und verdonnert ihn zu einer ungewöhnlichen Mission: Wenn er seinen alten Lebensstil zurück haben will, muss er Zeit mit dem schwer herzkranken Teenager David verbringen, der mit seiner Mutter in bescheidenen Verhältnissen lebt. Lennys Vater hofft, dass sein nichtsnutziger Sohn durch diese Erfahrung endlich zur Besinnung kommt. Und siehe da: Nach anfänglichem Desinteresse entwickelt Lenny sehr schnell brüderliche Gefühle für den lebenshungrigen David. Er macht es zu seiner Aufgabe, dem Jungen jeden Herzenswunsch zu erfüllen. Lenny muss aber auch feststellen, wie ernst die Situation seines Schützlings ist...
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Schnitt. In einer tristen Hochhaussiedlung am anderen Ende Münchens ruft ein 15-jähriger Junge nach seinem Papa – vergeblich. David (nachhaltig beeindruckendes Kinodebüt: Philip Noah Schwarz) ringt verzweifelt nach Luft – und seine Mutter Betty (Nadine Wrietz vom Berliner Theater Strahl in ihrer ersten Kino-Hauptrolle) fährt sogleich ins größte Münchner Krankenhaus, um ihn der Obhut seines ihm seit frühester Kindheit vertrauten Arztes zu übergeben – Dr. Reinhard. Der Teenager ist von Geburt an herzkrank, sein Dasein hängt stets an einem seidenen Faden. Ohne jede Perspektive auf ein längeres Leben, weshalb sich David auch vom Schulbesuch nichts verspricht. Im Gegenteil: der Junge will sterben, damit er endlich keine Schmerzen mehr ertragen muss. Ausgerechnet ihm soll das narzisstische Arschloch von Lenny wieder neuen Lebensmut einhauchen? Geht gar nicht, ist der verwöhnte Dauerjugendliche überzeugt. Auch Davids alleinerziehende Propeller-Mutter ist höchst skeptisch: der Schicki-Micki-Typ hat vom Ernst des Lebens doch gar keine Ahnung – und vom verantwortungsbewussten Umgang mit Problemkindern schon überhaupt nicht.
Aber ohne Papas Kohle geht’s auch nicht, weshalb Lenny anderntags zu für ihn nachtschlafender Zeit im 9. Stock auf der Matte der Sozialwohnung steht – und nach Luft ringt angesichts des einmal mehr vom bescheuerten Nachbarn Günther blockierten Fahrstuhls. „Du bist zu spät“ lautet die Begrüßungs-Ansage seines Schützlings, den er ins Kinderhospiz begleiten soll, wo sich David tagsüber aufhält, damit seine Mutter arbeiten und Geld verdienen kann. Dort wird Lenny das ganze erschreckende Ausmaß des Zustandes des offenbar unheilbar Kranken vor Augen geführt: der Junge darf sich weder körperlich anstrengen noch gar aufregen, muss stets ein Stützkorsett tragen und eine Sauerstoffflasche in Griffnähe haben. Am andern Tag geht’s ins Olympia-Einkaufszentrum, um einige der leichteren Punkte auf Davids Wunschliste abzuhaken – auf Dr. Reinhards ausdrückliche Veranlassung erstellt und von ihm auch finanziert: modische Sportschuhe, coole Lederjacke nach Jennys Vorbild.
„Mama mal wieder glücklich sehen“ ist dagegen ein Wunsch, den ihm Lenny so einfach nicht erfüllen kann. Aber selbst kompliziert erscheinende Punkte wie nackte Brüste sehen, einem Mädchen rote Rosen schenken und einmal nicht im Intensivmobil gefahren werden, sondern selbst am Steuer eines Sportwagens sitzen lassen sich in den folgenden Tagen abarbeiten – Lenny braucht nur seine Verbindungen spielen zu lassen. Selbst ein – erheblich verkürzter – Abend mit alkoholfreiem Bier im „P 1“ ist drin. Aber erst, als Papas attraktive Assistenzärztin Dr. Julia Mann dem ausgewachsenen Chefarztsöhnchen regelrecht den Kopf gewaschen hat, nachdem er David mit bereits blauen Lippen zur Notarztbehandlung ins Klinikum bringen musste: im ganzen Shopping-Rummel hat Jenny den überlebensnotwendigen Sauerstoff aus den Augen verloren. Der ist für David längst zum „großen Bruder“ aufgestiegen, zumal er auch die Aufzug-Sache mit dem bescheuerten Nachbarn Günther auf höchst elegante und dabei auch noch hochspannende Weise löst. Was kann jetzt noch kommen? Eine Gesangsaufnahme in einem Tonstudio. Die musikalisch ziemlich danebengeht, dafür gibt’s rote Rosen für die schöne Sarah. Das Mädchen lebt freilich in Berlin. Gibts da nicht die Charite und somit die Möglichkeit einer medizinisch verordneten Stippvisite in der Hauptstadt? Ja, gibt es, und zwar just am 16. Geburtstag Davids. Aber mehr wird hier wirklich nicht verraten.
„Dieses bescheuerte Herz“ ist bestes Wohlfühlkino made in Germany – und keine Tragikomödie wie „Das Beste kommt zum Schluss“ von Rob Reiner aus dem Jahr 2007, in der Jack Nicholson und Morgan Freeman eine „Bucket List“ abarbeiten. Und schon gar kein Remake. Denn so unwahrscheinlich es auch ist: Nach seinen grandiosen Filmen „Mein Blind Date mit dem Leben“ und „Heute bin ich blond“ über einen Blinden bzw. eine krebskranke junge Frau erzählt Marc Rothemund bis auf Lennys Lebenslauf die reine Wahrheit. Einschließlich aller Punkte auf Davids Wunschliste. Lars Amend, Coach, Journalist und Autor so bekannter Musikerbiographien wie „Bushido“ und „Rock Your Life“, hat zusammen mit dem herzkranken Daniel Meyer die 2013 erschienene und rasch zum Bestseller avancierte 280-seitige Biographie „Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen“ geschrieben. Amend hatte vom Schicksal des 15-Jährigen zwischen Krankenhaus und Kinderzimmer gelesen und wurde „sein persönlicher Wünscheerfüller“. Mit Erfolg: heute ist Daniel, dem seinerzeit kaum das Erleben seines 16. Geburtstages zugetraut wurde, zwanzig.
Übrigens: die Patienten des Münchner Kinderhospizes haben sich selbst gespielt – und man kann ihren unbändigen Spaß an den Dreharbeiten mit Elyas M'Barek und Kameramann Christof Wahl aus ihren Gesichtern ablesen. Produzent Oliver Berben: „Wir haben uns vorher Gedanken gemacht, wie die Kinder reagieren, wenn ein Kamerateam dasteht. Aber die waren cool, wir waren aufgeregter als sie. Mit diesen Kindern zu drehen, das war eine Sache, die ich in meinem Leben nicht missen möchte.“ Der 106-minütige Film wurde am 7. April 2019 auf Sky erstausgestrahlt. Die Free-TV-Premiere ist am 3. Januar 2021 auf Sat 1.
Pitt Herrmann