Inhalt
Eduard und Charlotte führen auf dem Lande ein zurückgezogenes Leben ganz füreinander, widmen sich mit Hingabe der Gestaltung des sie umgebenden Parks. In diese Idylle bricht Eduards Freund Otto ein, der in Schwierigkeiten geraten ist und seinen Freund um Hilfe bittet. Charlotte ihrerseits nimmt ihre Pflegetochter Ottilie auf. Eduard verliebt sich in Ottilie, Charlotte in Otto, den Hauptmann. Doch kämpft sie gegen dieses Gefühl an und will auch Eduard nicht an Ottilie verlieren. Eduard erträgt diese Situation nicht und zieht in den Krieg. Charlotte bringt ein Kind zur Welt, für Ottilie Grund, Eduard freizugeben. Als dieser allerdings zurückkehrt, hat Ottilie alle Vorsätze vergessen. Durch beider Unachtsamkeit ertrinkt Charlottes kleine Tochter. Ottilies endgültiger Verzicht auf Eduard bringt keine Lösung des Konflikts.
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Während Charlotte ganz in dieser vertrauten Zweisamkeit aufgeht, erträgt Eduard die Isolation von der Außenwelt nicht länger und lädt einen Freund als ständigen Hausgast auf die „Insel“ ein. Charlotte stimmt nur unter der Bedingung zu, dass sie ihrerseits jemanden aufnehmen darf. So werden der in Not geratene Hauptmann Otto und Charlottes Nichte und Pflegetochter Ottilie zu neuen Mitbewohnern - und bald ist nichts mehr wie zuvor. Es beginnt das Kräftespiel der Wahlverwandtschaften – mit einem sich dem Naturgesetz entsprechend ungezügelt hingebenden Paar Eduard-Ottilie und einem sich der sittlichen Ordnung der Gesellschaft verpflichtet fühlenden Paar Charlotte-Otto. Und das Sittengesetz trägt einen zweifachen Sieg davon: Zunächst entschließt sich Charlotte, ihrem Geliebten Otto zu entsagen und verlangt Gleiches von ihrem Gatten. Daraufhin verlässt Eduard das Landgut und zieht in den Krieg.
Währenddessen wird Charlotte Mutter eines Kindes, das Züge sowohl des Hauptmanns als auch Ottiliens aufweist – der lebende Beweis für den ja nur in der Einbildung existierenden doppelten Ehebruch. Jetzt scheint der Scheidung und der wahlverwandtschaftlichen Paarung über Kreuz nichts mehr im Weg zu stehen. Doch Ottilie, die sich rührend um das Baby kümmert, verunglückt auf dem See des Landgutes und Charlottes Kind stirbt. Von Schuldgefühlen gepeinigt entsagt Ottilie – und stirbt entkräftet. Eduard folgt ihr alsbald und beide werden gemeinsam in der neuerrichteten Kapelle des Gutes aufgebahrt. Übrig geblieben sind die Sittenstrengen, sind Charlotte und Hauptmann Otto. Was bleibt ist nur der versöhnende Anblick der beiden wenigstens im Tod vereinten Liebenden...
Die Intention Siegfried Kühns (siehe Interview in der DDR-Zeitschrift „Kino“ 8/74), Akzente zu setzen, um auf ganz spezielle Dinge der Vorlage hinzuweisen, dabei aber den Roman als Ganzes nicht aus den Augen zu verlieren, ist dem Regisseur bei der Konzentration auf die vier Protagonisten gut gelungen. Allerdings hat er sich zusammen mit der Szenaristin verzettelt: Noch zu detailreich die zahlreichen Nebenhandlungen, die bisweilen einen „Roten Faden“ vermissen lassen, immer wieder tauchen neue Personen auf, die erst im Nachhinein in den Kontext eingebunden werden können oder, wie ein junger Architekt, gänzlich überflüssig sind. Was zur Verwirrung eines Publikums, das die Vorlage nicht kennt, beiträgt und damit den Intentionen der Filmemacher, den Stoff transparenter zu machen, zuwiderläuft.
Vom Herausarbeiten der Insel-Funktion des Schlosses kann gar keine Rede sein. Der glückliche Umstand, von Mecklenburg bis Thüringen an Originalschauplätzen drehen zu können, hat nicht nur Kameramann Claus Neumann zu Opulenz verleitet: Grundsteinlegung, Richtfest, Feuerwerk – kein Anlass für wirkungsvolle Volksszenen wird ausgelassen. In denen sich die Szenenbildner Richard Schmidt und Reinhart Zimmermann beweisen können und einmal mehr die große handwerkliche Qualität der Defa-Produktionen zum Ausdruck kommt.
Unter dem Strich reiht sich aber auch „Wahlverwandtschaften“, erstausgestrahlt am 17. Juli 1976 im Fernsehen der DDR und am 13. April 1978 im WDR-Fernsehen gezeigt, in eine beachtliche Liste zaghaft-konventioneller Literaturverfilmungen der Defa ein, die mit großer publizistischer Begleitmusik erzeugte Erwartungen umso mehr enttäuschten. Für Siegfried Kühn ist Ottilie die eigentliche, weil positive Hauptfigur: „Obwohl ‚das Kind’ unter den Erwachsenen, ist sie die Konsequenteste in ihrem Anspruch auf menschliche Ganzheit. Ungebrochen von schmerzlichen Erfahrungen steht sie vor der Entscheidung, sich zu beschränken und einzustellen auf die in ihrer Zeit und bei ihrer sozialen Abhängigkeit möglichen und scheinbar notwendigen Kompromisse oder aber einen idealen Anspruch zu bewahren - und aus der Welt zu gehen. Der Widerspruch ist in ihrer Epoche unüberbrückbar. Der interessante und wichtige Bezug, den diese Figur und ihr Verhalten zu unserer Zeit hat, liegt darin, dass es darauf ankommt – und das ist durchaus nicht selbstverständlich -, den eigenen Anspruch an das Glück des Lebens und an sich selbst so groß wie möglich aufzufassen“ („Kino“ 8/74).
Der Film findet dafür eindeutige Bilder: Der Neubau entsteht unter dem klaren Willen Ottilies, etwas bahnbrechend Neues, Anderes entstehen zu lassen. Der Standort, die zweckmäßigen Pläne des Hauptmanns, die Blumenzeile sind ein hoffnungsvoller Anfang, das beziehungsreiche, zu den wirkungsvollsten Szenen des Films gehörende Gespräch zwischen Ottilie und Charlotte im beinahe fertigen Rohbau das Ende des kühnen Aufbruchs. Doch zur adäquaten Umsetzung fehlt eine entsprechende Besetzung: Magda Vasary meistert die kindliche Naivität der Ottilie mit großer Poesie, erinnert sei an das versunkene Betrachten von Blumen oder das liebevolle Bemalen der Dachstubenwände. Wenn es aber darum geht, die schöpferische Kraft der positiven Heldin zu verkörpern, muss die junge tschechische Schauspielerin scheitern – und am Ende in der Konfrontation mit der Charlotte der polnischen Schauspielerin Beata Tyszkiewitz schon gar. Was hätte man anno 1974 aus dem brandaktuellen DDR-Thema Individuum und Gesellschaft alles machen können...
Pitt Herrmann