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Dokumentarfilm über eine Reihe von Frauen, die in der DDR aufwuchsen und dort auf unterschiedliche Weise für ihre persönliche Freiheit und Frauenrechte eintraten – denn Gleichberechtigung herrschte im "Arbeiter- und Bauernstaat" zwar auf dem Papier, in der Praxis aber sah es anders aus. Wie es die DDR-Schriftstellerin Irmtraud Morgner einst formulierte: "Emanzipierte Frauen sind alle potentielle Dissidenten."
Die Protagonistinnen des Films sind: die Zahnarzthelferin Kerstin Bienert, die Comiczeichnerin Anke Feuchtenberger, die Verhaltensbiologin Marina Grasse, die ehemalige Potsdamer Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke, die Landwirtin Solveig Leo, die DEFA-Regieassistentin Barbara Mädler, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die Friedensaktivistin Ulrike Poppe, die Schlagzeugerin Tina Powileit, die Schauspielerin Katrin Sass, die Metallurgin Karin Seyfarth, die Punkerin Gabriele Stötzer, und Amrei Bauer, die Tochter der Malerin Annemirl Bauer.
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Der Untertitel nimmt unmittelbar Bezug auf eines der erfolgreichsten Bücher der DDR, das 1977 im Buchverlag der Tageszeitung „Der Morgen“, dem Organ der Blockpartei LDPD, erschien: „Guten Morgen, du Schöne“ von Maxie Wander. Die in Ost-Berlin verheiratete Österreicherin hatte 19 Frauen interviewt und aus den Tonbandprotokollen einen so brisanten Band zusammengestellt, dass in späteren Auflagen einiges der Zensur zum Opfer fiel.
Das braucht Torsten Körner beim Nachfolger seines Dokumentarfilm-Hits „Die Unbeugsamen“ (2020), in dem er Politikerinnen der Bonner Republik und ihrem Kampf um politische Teilhabe ein filmisches Denkmal setzte, der fast 200.000 Zuschauer in die Kinos strömen ließ, nicht zu befürchten. Schließlich war der Eiserne Vorhang längst gefallen, als ihm 15 selbstbewusste Frauen vom Patriarchat im Land der staatlich verordneten Gleichberechtigung – Otto Grotewohls Rede am 27. September 1950 in der Volkskammer ist im O-Ton zu hören – erzählten und von ihrem Kampf um Chancengleichheit im Arbeiter- und Bauernstaat.
„Sich durchbeißen oder durchgebissen werden“ lautete, so die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die Devise der Frauen in der DDR. Was die Tochter der Genossin Inge Lange, Leiterin der Abteilung Frauen des Zentralkomitees der SED, mit 16 Jahren am eigenen Leib erfahren hat, als sie wegen „unsozialistischen Verhaltens“ von der Schule verwiesen wurde und eine Lehre als Schriftsetzerin absolvierte. Dabei, so die Defa-Regieassistentin Barbara Mädler, brauchte die DDR „die Urkraft der Frauen“, bloß nicht „in Positionen, wo sie der politischen Ebene gefährlich werden konnten.“
Dennoch konnte die „Bastion der Männer“, so einer der zahlreichen Zwischentitel des Films, durchbrochen werden. Etwa von der Landwirtin und „Heldin der Arbeit“ Solveig Leo, die nach einem Fernstudium von der SED zum Vorsitzenden ihrer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (in der DDR waren alle Berufsbezeichnungen männlich) ernannt wurde gegen erheblichen Widerstand der LPG-Mitglieder. Oder von Brunhilde Hanke, dem langjährigen Potsdamer Oberbürgermeister: eine nach eigenen Worten absolute Ausnahme in einem so hohen politischen Amt.
Für die Malerin und Hochschullehrerin Prof. Doris Ziegler, Schülerin von Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer in Leipzig, lag damals der Geniekult des Künstlers ausschließlich beim Mann. Und auch wenn Defa-Dokumentarfilme häufig das Gegenteil behaupten: Karin Seyfarth, Metallurgin und FDJ-Vertreterin in der Volkskammer, fühlte sich in der Kaltwalzstraße der Maxhütte Unterwellenborn von den männlichen Kollegen nicht ernstgenommen.
„Wenn die Oma nicht wär“: Von der Wiege bis zur Bahre gabs die staatliche Rundum-Betreuung, aber die Schauspielerin Katrin Saß und die Comiczeichnerin Anke Feuchtenberger berichten anekdotenreich von familiären Alternativen. Die hilfreich ins Spiel kommen, wenn Angehörige wie die als „Madonna vom Prenzlauer Berg“ geadelte Malerin Annemirl Bauer „Zersetzungsmaßnahmen“ der Staatssicherheit ausgesetzt sind, von denen ihre Tochter Amrei Bauer berichtet.
Weitere Gesprächspartnerinnen Torsten Körners sind die Zahnarzthelferin Kerstin Bienert als Tochter der „Wittstock“-Protagonistin Renate Strothmann in der wohl berühmtesten Langzeit-Doku der Defa, die Verhaltensbiologin Marina Grasse, 1990 die erste und einzige Gleichstellungsbeauftragte der DDR in der Übergangsregierung von Lothar de Maizière, die Friedensaktivistin Ulrike Poppe, die 1980 den ersten unabhängigen Kinderladen der DDR mitgegründet hat, Christina „Tina“ Powileit, Schlagzeugerin der DDR-Frauenrockbands „Femini“ und „Mona Lise“ („Frauen müssen sich doppelt beweisen, bis sie akzeptiert werden“) und die wegen „Staatsverleumdung“ zu einem Jahr Haft im berüchtigten Frauenknast Hoheneck verurteilte punkige Multi-Künstlerin Gabriele Stötzer.
Die hochspannende Doku wird ergänzt durch zeitgenössische TV- (Irmtraud Morgner, „Ede“ Schnitzler, Steffi Spira) und Filmausschnitte („Spur der Steine“, „Solo Sunny“, „Das Kaninchen bin ich“) sowie durch viel Musik vom „Silly“-Hit „So ‘ne kleine Frau“ über „Sag mir wo du stehst“ des FDJ-Oktoberclubs und dem Pionierlied „Unsere Heimat“ bis hin zum Promisingen der Ernst-Thälmann-Pioniere mit der Volksbildungs-Ministerin Margot Honecker.
Pitt Herrmann