Credits
Regie
Drehbuch
Kamera
Schnitt
Darsteller
- Rebecca Thalberg
- Henry Thalberg
- Tom Faller
- Eleanor Thalberg
- Berta Wickweyer
- Frau Riese
Produktionsfirma
Produzent
Alle Credits
Regie
Continuity
Drehbuch
Kamera
Steadicam
Standfotos
Licht
Szenenbild
Set Dresser
Außenrequisite
Innenrequisite
Kostüme
Schnitt
Ton-Design
Ton
Mischung
Darsteller
- Rebecca Thalberg
- Henry Thalberg
- Tom Faller
- Eleanor Thalberg
- Berta Wickweyer
- Frau Riese
Produktionsfirma
im Auftrag von
Produzent
Herstellungsleitung
Produktionsleitung
Aufnahmeleitung
Dreharbeiten
- 31.08.2010 - 04.04.2010: Erzgebirge, Sächsische Schweiz
Format:
DigiBeta, 16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:
Aufführung (DE): 04.10.2011, Hamburg, Filmfest
Titel
- Originaltitel (DE) Die Stunde des Wolfes
Fassungen
Original
Format:
DigiBeta, 16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:
Aufführung (DE): 04.10.2011, Hamburg, Filmfest
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Der Mensch ist des Menschen Wolf. Woraus Thomas Hobbes seine Staatstheorie machte, dies dient Regisseur und Co-Autor Matthias Glasner als Basis für einen Mysterythriller, der mit Mythologie, Fantasy und Horror durchsetzt ist. Klingt nach ein bisschen viel? Das hatte man Glasner ebenfalls vorgeworfen, zudem seien die Dialoge hölzern und sei die Musik befremdlich ("TV Spielfilm", aber auch andere Kritiker schlugen in etwa in dieselbe Kerbe). Was hat der Mann Schlimmes getan? Er hat das deutsche Betroffenheits-Political-Correctness-Fernsehen um ein Kuckucksei bereichert, einen Genrefilm, einen eklektizistischen, einen künstlichen zudem, und einen, der das gar nicht verhehlt. Wir wissen schon von Glasners "Die fremde Frau", dass der Mann seinen Hitchcock kennt. Nun erinnert das eine oder andere an Hitchs (Nicht-nur-)Epigonen Brian de Palma. Bereits die rhythmische Streichermusik, die langen Flure (wie wir herausfinden, einer psychiatrischen Anstalt), das Klackern der Schuhe einer dort entlanggehenden Dame, die Dominanz der Farbe Weiß, die Anstaltskleidung bei jemandem, der gar nicht Insasse ist – das hat etwas von u.a. de Palmas "Dressed to Kill" (und kein geringerer als Tarantino ließ Elle Driver in "Kill Bill" ähnlich in einem Krankenhaus auftreten). Die Logiklöcher haben ebenfalls etwas von de Palma und Hitch. Absurd leicht flieht Rebecca Thalberg (Silke Bodenbender) aus der psychiatrischen Anstalt. Im Zug trifft sie ihren Ehemann Henry (Jürgen Vogel), dessen Erscheinung einem recht schnell recht seltsam vorkommt. Der sechste Sinn (noch so eine Filmreverenz) lässt uns erahnen, warum Henry nie in Kontakt mit anderen Personen als Rebecca tritt, warum er nie auf- und abtritt, sondern immer urplötzlich da bzw. wieder weg ist.
Irgendwann liegt ein Wolf auf den Schienen, in einem Bild, das so verwunschen schön, aber auch bedrohlich ist, dass man sich fragt, wie man das in Deutschland filmen kann – oder war das ein Model mit einem hereinkopierten Wolf? Schnurgerade weist der Schienenweg durch imposante Schluchten, dies alles in einer irgendwie irrealen blaugrünen Mischung gefilmt, das Blau der Nacht und das Grün des Waldes. Ein surreales Bild; wir erfahren auch nie, wie das Hindernis überwunden wurde. Es heißt am nächsten Morgen, Rebecca müsse aussteigen – wer sagt es ihr, und warum? Kümmert sich der Schaffner bei jedem Einzelnen um sowas? Ist das die Stimme Henrys oder eine innere Stimme? Rebecca muss sich beeilen und steigt schnell barfuß aus, auch noch das Aschenputtelmotiv. Verschiedene Menschen werden ihr Schuhe anbieten, aber noch ist nicht ausgemacht, wie sie wieder zu sich selbst finden wird und wer dabei ihr (Märchenprinz-?)retter sein wird.
Rebecca ist in einem heruntergekommenen Kaff im Erzgebirge angekommen, dorthin wollte sie auch, um zu klären, wie Henrys Vater gestorben ist. Kann es eigentlich sein, dass ein Zug an jeder Milchkanne hält und dennoch eine ganze Nacht lang fährt? Kann es sein, dass der Bahnhof eine halbe Ewigkeit entfernt vom Dorf zu sein scheint? Glasner ist nicht blöd, er interessiert sich eher für Allegorien statt Logik. Die Decke von Rebeccas Pensionszimmer ist so niedrig und die Tapeten sehen so fäulnisgelb aus – das KANN man in diesem Ausmaße gar nicht mit dem durchaus realen Phänomen erklären, dass die demographische Entwicklung zum großen Dörfersterben in Ostdeutschland geführt hat. Hier reist nicht jemand an einen Ort, hier reist jemand in die unbewältigte Vergangenheit, die bedrohlich ihre Schatten auswirft, und ihre wölfischen Triebe. Auch wenn der Film sich ganz konkret auf seinen Ort bezieht (Kunsthandwerk des Erzgebirges, die Wiederkehr des Wolfes zunächst in Ostdeutschland), ist das fiktive Kaff eigentlich ortlos, ist die Reise eine Reise ins Innere. Hier kommt alles zusammen. Der Name "Thalberg" lässt auf das Durchschreiten sämtlicher Höhen und Tiefen (ja Abgründe) des Lebens schließen (dass das der Name eines der kreativsten Köpfe des klassischen Hollywood war, wird Kenner Glasner vielleicht ein netter Nebeneffekt gewesen sein). Der später noch wichtige Rollenname "Faller" verweist vielleicht auf die Fallhöhe, aus der man versucht, die in metaphorischen Schluchten verborgenen Geheimnisse zu ergründen, ohne in den Abgrund zu stürzen.
Wie sieht es nun aus in dieser Welt? Wölfe scheinen ein Symbol für die zerstörerische Triebkraft zu sein, die unbewältigte Leichen im Keller der Seele auslösen können (vor allem, wenn man der Wölfe Tat in der Finalszene bedenkt). Darum versuchen einige der Dörfler, ihnen mit verbotenen Fallen den Garaus zu machen. Darum versucht Tom Faller, der Förster (Ronald Zehrfeld), dies zu verhindern – er ist auch derjenige, der als einziger Rebecca zu helfen versucht. Aber auch er ist in das dunkle Familiengeheimnis verstrickt, um das es gehen wird, und so handelt er auch als Natur- und Tierschützer nicht immer vorbildlich: Ein von ihm gesundgepflegter Fasan, den er aus einer der Fallen retten konnte, endet schließlich im Topf, damit Tom Rebecca, in die er sich verliebt hat, ein leckeres Essen zubereiten kann. Und am Ende kommt heraus, dass er die Identität der Fallensteller von Anfang an kannte. Es sind natürlich die Personen, die auch am tiefsten in die damaligen schrecklichen Ereignisse verstrickt sind.
Das Ganze ist als saftige Schauermär inszeniert; eine dunkle Legende des Ortes sei eine "hässliche Geschichte". Tom soll sie Rebecca dennoch erzählen. "Ich mag hässliche Geschichten. Sie haben mehr Wahrheit als die schönen Geschichten." Tom fragt Rebecca, wie sie den Fasan gern hätte, fett, sehr fett oder unerträglich fett. "Ich mag's unerträglich." Später sehen wir die fetttriefende Soße auf dem Messer in Großaufnahme. Rebecca leckt das Messer ab, und sie mag es so. Dieser Film suhlt sich beinahe so im "Fetten", also dick Aufgetragenen, wie Rebecca mutig durch den ganzen hässlichen, kübelweise ausliegenden Dreck gehen will. Immerhin: Sie kann – vermutlich – dadurch Läuterung und Genesung erfahren. Am Ende gibt es Hoffnung, auch wenn der Zug, in dem sie sitzt, von rechts nach links fährt. In Ländern, in denen man von links nach rechts schreibt und liest, kann dies als Zeichen für eine (hier: auch) rückwärtsgewandte Bewegung gedeutet werden.* Oder für eine Rückkehr Rebeccas zu sich selbst? Als wäre das alles noch nicht genug, kommen Feuer, (Lava-)Glut und Wasser als Elemente der Zerstörung und Reinigung auch noch zu ihrem Recht. Dabei wird der Film mitunter pure Fantasy, obwohl der "verwunschene Ort", an dem dies zu sehen ist und der das große Geheimnis birgt, eine reale ehemalige Glashütte des für Glasherstellung bekannten Erzgebirges ist.
Und als ob das alles wirklich noch nicht reichen würde, ist dies wohl der Film, der – jedenfalls gefühlt – den höchsten Anteil an mit Musik unterlegten Szenen hat, der mir je untergekommen ist, höher noch als bei Brian De Palma und (von den Nicht-Unterhaltungsfilmen abgesehen) Steven Spielberg. Gibt es in "Die Stunde des Wolfes" überhaupt eine einzige Szene, in der wir keine Musik hören? Streicherbetont, klassisch, erdenschwer, dräuend – aber auch mit zartem Glockenspiel durchsetzt, so als ob das Zarte immer nah beim Schrecklichen ist, sich aber gegen dieses nicht durchzusetzen vermag. Manche De-Palma-Soundtracks haben mich daran erinnert, Pino Donaggios Tracks etwa (z.B. zu "Dressed to Kill"), oder das Glockenspielmotiv des allerdings etwas bläserbetonteren Bernard Herrmann in "Sisters". "Die Stunde des Wolfes" mit seiner Dauermusik wird auf diese Weise selbst zu einem Musikstück; das forciert das Abstrakt-Künstliche noch, aber das Ganze hat im Sinne guter Programmmusik auch einen Spannungsbogen, vor allem einen emotionalen.
Manchmal scheint alles etwas zu forciert und überladen. Auch fragt man sich, ob die miesen Kritiken der Tatsache geschuldet sind, dass man eine Weile braucht, um sich an diesen ungewöhnlichen Film zu gewöhnen, um sich in ihm wohlzufühlen. Da hat mancher Zuschauer wohl lieber ein Bier geholt, oder weggezappt, oder beides. Obwohl fürs Fernsehen gemacht, wäre aber vielleicht gerade WEGEN seines dortigen Scheiterns eine Kino-Auswertung angezeigt gewesen. Das ist doch bildgewaltiges Kino mit majestätischer Schönheit und mystischer Bedrohlichkeit für Aug' und Ohr. Und im Kino hat man mehr Zeit, das Publikum zu packen, das vielleicht nach längerer Zeit einfach geht, aber nicht sofort den Weg zu Kühlschrank, Abort und Fernbedienung sucht. Daher das folgende Fazit: Nicht alles ist gelungen, aber die Häme, die es gab, ist völlig unberechtigt, nach dem Motto "Ogott, ein DEUTSCHER Mysterythriller". Warum denn nicht? Es ist wunderbar, wunderbar, wunderbar, dass Glasner sich das getraut hat. Und meist kann er das ja, das geschickte Herumspielen mit Mythen, Emotionen, Bildern der Filmgeschichte. Herr Glasner, bitte gehen Sie weiterhin ihren Weg!
* Dies mag gnadenlos überinterpretiert sein; andererseits hat Hitchcock nachweislich (Donald Spoto) die Bewegungsrichtung von Schwenks in den beiden "Vertigo"-Hälften sehr bewusst jeweils entgegengesetzt gewählt. Und dass Glasner "Vertigo" gut kennt, ist bei seinem früheren Werk "Die fremde Frau" völlig offensichtlich.