Inhalt
Jan Anskath und sein Halbbruder Martin leben 1903 in Rajgorod an der russisch-preußischen Grenze – Jan auf der russischen, Martin auf der preußischen Seite. Beide betätigen sich gelegentlich als Schmuggler. Doch während Jan aus politischer Überzeugung agiert und illegale Schriften über die Grenze bringt, geht es Martin vor allem darum, die eigene Kasse aufzubessern, weswegen er auch keine Fragen stellt, wenn er für einen undurchsichtigen Auftraggeber Flüchtlinge nach Russland bringt. Doch dann stellt sich heraus, dass der saubere Herr den Flüchtlingen ihr letztes Hab und Gut abknöpft, nur um sie dann den zaristischen Behörden in die Hände zu spielen. Als er das erfährt, wird Martin geläutert. Gemeinsam mit Jan hilft er einem russischen Sozialdemokraten, der den II. Parteitag besuchen möchte, aus Russland heraus.
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Martin dagegen geht es vor allem darum, die eigene Kasse aufzubessern. Dabei denkt er auch an Line Dreßler, seine heimliche Verlobte gegen den Willen ihres Vaters, Schuhmachermeister Waldemar Dreßler. Binnen eines Jahres will er Line heiraten, weshalb er sogar nicht davor zurückschreckt, politische Flüchtlinge aus dem Zarenreich, die beim alten Juden Schmuel ihr letztes Hab und Gut verhökern müssen, um ihre Reise fortsetzen zu können, übers Ohr zu hauen. Er vermittelt sie an den zwielichtigen Agenten des Norddeutschen Lloyd, Schwemmin – gegen eine ordentliche Provision versteht sich.
Jans Mühle dient auch dem Pfarrer als Durchgangsstation für Bibeln und Gesangbücher in lettischer Sprache. Da versteht der Zar keinen Spaß, später die Sowjets, wie wir heute wissen, freilich auch nicht. Als der Pfarrer nach Holland versetzt wird, muss er sich auf ein schwieriges Umwege-Geschäft mit Schwemmin einlassen, da dessen Schiffsagentur nur Überseereisen nach Amerika offeriert.
Anarchisten aus dem zaristischen Gouvernement Wilna (dem heutigen selbständigen Litauen) landen auf der Flucht in Jans Mühle und sollen von Martin über den See gerudert werden. Was durchaus problematisch ist, denn die preußischen Politiker und Spitzenbeamte wie von Thunsdorff wollen mit Mördern und Verschwörern nichts zu tun haben. Nur Schwemmin kennt keine Bedenken, wenn nur die Kohle stimmt. Apropos Kohle: Lokomotivführer Grigoleit wird wegen angeblicher Verbreitung sozialistischer Schriften im Dienst verhaftet. Auch Lehrer Prill fliegt auf.
Martin ist inzwischen geläutert. Gemeinsam mit Jan hilft er einem russischen Sozialdemokraten, der den II. Parteitag besuchen möchte, aus Russland heraus. Ein Sprecher schließt mit den Worten: „15 Jahre später hat in Russland die Revolution gesiegt.“
Konrad Petzold, selbst als Rangierarbeiter kurz zu sehen, hat die 1979 im Berliner Militärverlag der DDR als Taschenbuch erschienene gleichnamige Erzählung von Günter Karl opulent in Farbe und Breitwand verfilmt. Am 18. April 1980 lief, zeitgleich mit der offiziellen Premiere im Pankower Colosseum-Kino, aber nur eine mit 70 Minuten erstaunlich kurze Fassung in den DDR-Kinos an, sodass rasch der Verdacht aufkam, die Cutterin Monika Schindler habe auf Anordnung der Zensurbehörden mehr Material herausschneiden müssen als ursprünglich geplant.
Bei der Vorführung am 25. April 2019 im Prenzlberger Kaffekaffe wusste Katrin Martin, Darstellerin einer Wilnaer Anarchistin, dazu nichts Konkretes. Nur seien auch ihr merkwürdige Sprünge in dieser Schnittversion aufgefallen. Überhaupt hätte der Film den historischen Hintergrund ausführlicher erläutern müssen, so bleibt besonders im Halbdunkel des Beginns manches undeutlich. Katrin Martin wusste zu berichten, dass der Schwemmin-Darsteller Michael Christian nach den Dreharbeiten in den Westen übergesiedelt ist. Das Fernsehen der DDR sorgte am 28. Dezember 1981 für die Erstausstrahlung.
Pitt Herrmann