Inhalt
Neuverfilmung des gleichnamigen Dramas von Friedrich Dürrenmatt. Claire Zachanassian ist eine kühle, versierte und überaus erfolgreiche Geschäftsfrau. Nach vielen Jahren kehrt sie erstmals in ihre österreichische Heimat Güllen zurück. Hier hatte sie als junge Frau noch unter dem Namen Klara Wäscher in Alfred Ill, von dem sie auch ein Kind erwartete, ihre vermeintlich große Liebe gefunden. Nach einem schweren Autounfall verließ er sie jedoch für eine andere Frau und leugnete zudem seine Vaterschaft. Mittellos und tief gekränkt musste Claire den Ort verlassen. Nun ist sie zurückgekommen, um Vergeltung zu üben. Sie stellt dem inzwischen verarmten Ort mit hoher Arbeitslosigkeit eine Finanzhilfe von einer Milliarde Dollar in Aussicht, sollte Ill sterben. Zunächst reagieren die Dorfbewohner entsetzt auf Claires Angebot, doch schnell beginnt sich die Stimmung zu wandeln.
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So sehen alle der Ankunft der in der Fremde so reich gewordenen Klara Wäscher mit großen Hoffnungen entgegen. Nur dem Autohändler Alfred Ill dämmert drohendes Unheil, weshalb er nicht zufällig zum Empfang der Ölmilliardärin zu spät kommt. Denn Alfred war vor vier Jahrzehnten Klaras Geliebter gewesen, beide hatten sich die Heirat versprochen. Bis die damals bereits schwangere Klara bei einem offenbar von ihr selbst verursachten Verkehrsunfall nicht nur ihr Kind, sondern auch ihren Geliebten verlor – an die wohlhabende Autohändlertochter Angelika.
Doch damit nicht genug: Die von den Folgen des Unfalls auch körperlich gezeichnete Klara verlor auch den späteren Vaterschaftsprozess, weil Alfred zwei – inzwischen verstorbene – Freunde zu Falschaussagen bewegen konnte, die sie öffentlich zur Hure abstempelten und somit zwangen, den Ort Güllen (nomen est omen) über Nacht zu verlassen. Wie der Bürgermeister Büssing und seine Stammtischbrüder nur auf die Idee kommen konnten, jetzt würde sich ein Dollar-Füllhorn über die alpenländische Kleinstadt ergießen?
Davon kann bei Claire naturgemäß auch keine Rede sein. Sie will Gerechtigkeit und ist der festen Überzeugung, diese nur durch Rache, an Alfred ebenso wie an der ganzen Ortsgemeinschaft, durchsetzen zu können. Indem sie letztere vor die perfide Wahl stellt: Geld oder Leben. Nur wenn Alfred stirbt, sind die Güllener jeglicher Finanzsorgen ledig. Dem so spontanen wie allgemeinen Aufschrei der Empörung folgt rasch eine nüchternere Sicht der Lage, schließlich auch beim Dorfpolizisten und beim Lehrer Riemann...
„Der Besuch der alten Dame“, zu Ehren des 70. Geburtstages der Titeldarstellerin Christiane Hörbiger am 13. Oktober 2008 gleichzeitig in der ARD und im ORF erstausgestrahlt, ist nicht die erste Verfilmung von Friedrich Dürrenmatts gleichnamiger Tragikomödie aus dem Jahr 1955, erinnert sei an „Der Besuch“ (1963) mit Ingrid Bergman und Anthony Quinn. Aber die mit den größten Veränderungen an der Story, was längst nicht nur der Transponierung in unsere Zeit geschuldet ist.
Alfred hat plötzlich eine verstoßene Tochter, Mia. Sie ist TV-Journalistin und reist mit einem Kameramann nach Güllen, um über das Ereignis des Besuchs der Multimilliardärin zu berichten. Bei Dürrenmatt, der sein Stück auch als eine Mediensatire verstanden hat, noch zu den „Lästigen“ gehörend, will Mia nun ihren Vater, mit dem sie sich vor Jahren überworfen und seitdem kein Wort mehr gesprochen hat, letztlich vor dem Schlimmsten bewahren. Als könnte eine laufende Kamera den rasenden Mob aufhalten.
Und mehr noch: Als „investigative“ Journalistin sucht Mia auch das Gespräch mit Claire. Bei der Dame mit der eiskalten Fassade einer toughen Geschäftsfrau und Rachegöttin geradezu antiken Ausmaßes (jedenfalls bei Dürrenmatt) weckt sie so etwas wie mütterliche Gefühle. Welche am Ende buchstäblich zu spät kommen: Claire kann dem getöteten Alfred nur noch einen Talisman auf dessen letzte Reise mitgeben – und den Bürgermeister einen „Mörder“ nennen. Was diese Adaption mit Werktreue zu tun hat, weiß die ARD-Pressestelle allein.
Pitt Herrmann