Inhalt
An einer elitären Schule für Jugendliche aus Familien mit viel Geld und wenig Zeit sorgt eine neue Lehrerin für Aufsehen: Die charismatische Miss Novak fungiert nicht nur als Pädagogin, sondern auch als Ernährungsberaterin. Ihre Lehre von Maßhalten, Fasten und radikalem Konsumverzicht findet viel Anklang, nimmt aber schon bald sektiererische Züge an. Insbesondere fünf Schüler*innen verschreiben sich vollkommen Novaks Idealen und entfremden sich dadurch immer mehr von Freund*innen und Eltern. Von der Lehrerin auf subtile Weise manipuliert, kommt niemand mehr an die Clique heran. Das ultimative Ziel des "Club Zero": die Nahrungsaufnahme immer weiter zu reduzieren und schließlich ganz einzustellen.
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Beim konstituierenden Stuhlkreis fragt Frau Novak ihre uniform in Gelb (Bluse bzw. T-Shirt), Sandfarben (Rock bzw. kurze Hose) und Blau (Strümpfe) gekleideten Schützlinge nach den Gründen, warum sie sich für den Kurs entschieden haben. Ihnen geht es vor allem um Gesundheit und Selbstfürsorge, aber auch um Klimaschutz – und nicht zuletzt als vernachlässigte Kinder vielbeschäftigter Eltern um den Kampf gegen Ausbeutung im kapitalistischen Wirtschaftssystem.
Frau Dorset hatte von den hohen Erwartungen der Eltern gesprochen, die viel Schulgeld zahlen, um ihre in der Regel ehrgeizigen, aber auch sensiblen und bisweilen schwierigen Kinder in guten Händen zu wissen. Im Zentrum von Frau Novaks Lehre steht der Verzicht: Je weniger man zu sich nimmt, davon sind die Jugendlichen schnell zu überzeugen, desto größer die Selbstkontrolle, desto nachhaltiger ihr Effekt auf die Umwelt.
Ragna ist eine gute Schülerin, aber für eine Trampolin-Springerin der angestrebten Spitzenklasse nicht spritzig genug. Da helfen strenge Diät und Konzentration auf das Wesentliche: Frau Novak befindet sich da ganz auf der Linie von Ragnas Mutter, während ihr Vater das weitaus lockerer sieht. Auch Fred, der nebenbei Ballettunterricht nimmt, ist begeistert und macht zusätzliche Entspannungsübungen mit der neuen Lehrkraft: der Diabetiker, dessen Eltern ein Projekt im fernen Ghana betreuen, kann seine tägliche Insulindosis reduzieren.
Während Elsa, die sich zu Beginn darüber beklagt hat, dass ihr Vater sie stets zum Essen gezwungen und sich ihre Mutter aus jedem Streit herausgehalten hat, und Helen der Behauptung von Frau Novak, Autophagie verlängere das Leben um bis zu zwanzig Jahre, Glauben schenken, bleibt Freds Zimmergenosse Ben skeptisch. Der sensible Junge aus vergleichsweise armen Verhältnissen lässt sich gern von seiner verwitweten und daher alleinerziehenden Mutter bekochen und verweigert anfangs die Diät. Erst nach einer Intervention der Schulleiterin Dorset, bei der Bens Mutter ein Vollstipendium beantragt hat, schließt er sich an.
Als zweite Stufe verordnet Frau Novak eine pflanzenbasierte Monodiät, die freilich nicht allen bekommt: Ragna durchlebt regelrechte Fressattacken. Doch der psychische Gruppendruck ist so groß, dass am Ende alle in den Geheimbund „Club Zero“ eintreten: eine Null-Diät bei absoluter Schweigeverpflichtung. Da besteht reichlich Ausredebedarf bei den Wochenend-Besuchen daheim, die Magersucht ist zu offensichtlich. Bei Fred, dessen Eltern ihn ja nur via Skype zu Gesicht bekommen, wird’s lebensbedrohlich: er wird in eine Klinik eingeliefert und sein Vater fliegt aus Afrika ein.
Nun steht der Elternrat, der den ganzen Skandal erst ermöglicht hat, bei Frau Dorset auf der Matte. Frau Novak ist nicht länger tragbar, ein gemeinsamer Opernbesuch mit ihrem Schüler Fred reicht zur Begründung einer fristlosen Entlassung ohne viel Aufhebens. Doch es nützt nichts: die große Manipulatorin hat die Schüler im Griff, die im Rausch des Fastens einfach weitermachen und sich in der Wohnung der Geschassten, die einem Sekten-Tempel gleicht, treffen.
Der große Knall kommt zum Weihnachtsfest, das die Kinder stets in ihren Familien feiern, wobei Fred bei Ben und seiner Mutter zu Gast ist. Nur Helen, die mit ihrer Mutter zum Skifahren in der Schweiz weilt, bleibt verschont. Und bleibt doch dabei, indem sie den verstörten Eltern der anderen Club-Anhänger am bitteren Ende entgegenruft: „Ihr müsst dran glauben!“
Coming of(f) weight: Jessica Hausners scharfsinnige, an Dennis Gansels Morton Rhue-Verfilmung „Die Welle“ erinnernde Moralsatire mit Mia Wasikowska als enigmatischer Frau Novak spürt den Schmerzpunkten unserer Gegenwartsdebatten nach. Mit bösem Witz, kompositorischer Perfektion und kaltblütiger Doppelbödigkeit gelingt ihr eine höchst austriakisch-schwarze Komödie, die weder kurzweilig noch immens unterhaltsam ist, wie uns der Verleih Neue Visionen weismachen will. Sondern als horrible Dystopie ganz der Warnung im Vorspann vor „verstörenden Szenen“ entspricht.
Pitt Herrmann