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Defa-Fernsehproduktion: Jahr für Jahr macht Familie Engel Urlaub auf einem hoffnungslos überfüllten Campingplatz an der Ostsee. Und Jahr für Jahr ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Familienmitglieder fürchterlich auf die Nerven gehen. Um dem Ferienstress zu entkommen, hat Papa Detlef seine Kollegen beauftragt, ihn aus der "Ferienidylle" zurückzubeordern. Allerdings erweist sich die erhoffte Freiheit als Trugschluss.
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Weil die Engels noch zwei Jahre für die ersehnte Puszta-Reise nach Ungarn sparen müssen, rollt der vollbepackte Trabi heuer wieder Richtung Ostsee. Zum allseitigen Erstaunen ist der Familienvater Detlef ausnahmsweise 'mal in blendender Stimmung, was sich auch in rasanten Überholmanövern auf der Autobahn ausdrückt, die dem Spottnamen „Rennpappe“ alle Ehre machen und Eveline die fein ondulierten Haare zu Berge stehen lassen. Hat er doch mit seinem Kumpel und BVG-Kollegen Alfred Pommeranz ausgemacht, sich alsbald vom Familienstress auf dem Campingplatz zu verabschieden, damit beide ohne Anhang wie in alten Junggesellenzeiten ein Fass aufmachen können in der Hauptstadt. Doch bevor Alfred ein entsprechendes Telegramm losschickt, das Detlef für seine „bewährte Einsatzbereitschaft“ lobt und an seinen Arbeitsplatz zurückbeordert, gilt es, die Heringe einzuschlagen und sein Zelt-Refugium mit einem Bonsai-Jägerzaun einzuhegen.
Was nichts mit den Nachbarn zu tun hat: Kurt Tabbert, ein begeisterter Hobbykoch, und seine darob nicht immer erfreute Gattin Hilde, weil auf sie dann wieder stundenlanger Abwasch wartet, campen schon seit Jahren an gleicher Stelle. Man kennt und man schätzt sich. Und nun, wo Sohn Harry (Frank Penzold) enorm ins Kraut geschossen ist, hellt sich sogar Ninas Mine auf. Ihre wichtigste Urlaubslektüre, die den Titel „Sexuell aufklären, rechtzeitig und richtig“ trägt, könnten vielleicht beide gemeinsam verschlingen...
Als besagtes Telegramm endlich eintrifft und sich Detlef aus dem Staube macht, hocken seine beiden zurückgelassenen Frauen allein beim Kartenspiel unterm Vorzeltdach. Nach 16-jähriger Ehe ist jede Spannung futsch und „Evchen“ fühlt sich ohne Papa „wie'n Ballon ohne Luft“. 36 Jahre jung und zu alt zum Ausgehen? Findet Nina lächerlich und bastelt ihrer Mutter ein tolles Outfit, bei dem Nachbar „Onkel Kurt“ glatt die Spucke wegbleibt – und „Tante Hildchen“ glänzende Augen bekommt. „Biste vielleicht 'ne Nonne?“ entgegnet sie sogleich allen Rückzugsbemühungen Evelines – und so sorgen beide aufgebrezelten Ehefrauen in der Urlauber-Disco für enormes Aufsehen und entsprechende Nachfrage auf der Tanzfläche. Während Kurt den offensichtlichen Spaß auch der eigenen Frau immer griesgrämiger kommentiert, ist Eveline mittendrin in einem romantischen Flirt mit dem um gut zehn Jahre jüngeren Thomas Flemming (ganz in seinem Element: Henry Hübchen). Der allerdings sein ganzes Charmerepertoire aufrufen muss, um die Klasse-Frau erst in eine noble Strandbar im Warnemünder Interhotel und dann, weil der letzte Bus längst weg ist, auf seine bohèmehafte Untermieter-Bude zu locken.
Währenddessen erleben die zwei Möchtegern-Gigolos in der Hauptstadt eine Pleite nach der anderen und stehen, ob auf dem Rummelplatz im Plänterwald, mit der Weißen Flotte auf dem Müggelsee oder in einer Nachtbar mit Tischtelefon, immer wieder im Regen, auch wenn Petrus seine Schleusen gar nicht geöffnet hat: Niemand ruft an. Weshalb sich Detlef zurück auf den Zeltplatz am Ostseestrand sehnt...
Die herzerfrischende Komödie „Camping-Camping“ unterscheidet sich in manchen Details schon erheblich von der häufig allzu seichten Genreware. Unterlegt mit flotter Musik Günther Fischers hat Kameramann Eberhard Borkmann nicht nur im Prolog sehr selbstironische Bilder beigesteuert zu einer Geschichte, die aus dem Leben des Spießbürger-Alltags im sozialistischen Deutschland gegriffen ist. In der beste Freunde kräftig übereinander ablästern, sobald der andere es nicht mehr mitbekommen kann. In der sich zwei Fahrer der Berliner Verkehrs-Betriebe ganz im Stil der Bonzen-Bürokratie eine Strategie für eine glaubhafte Vertretungsregelung des BVG-Kollektivs zurechtlegen. Und in der ein Kranführer wie der junge, selbstbewusste Thomas offen darüber spricht, kein Broiler-Freund zu sein, weil er die Geflügel-Massentierhaltung ablehnt.
Pitt Herrmann