Inhalt
Nina Kern, einer jungen alleinerziehenden Mutter von Mitte Zwanzig, ist wegen ihres "asozialen Lebenswandels" das Erziehungsrecht für ihre drei Kinder entzogen. Sie will mit Hilfe von Freunden, Nachbarn und Kollegen zu einem geordneten Leben mit ihren Kindern zurückfinden. Von Amts wegen werden ihr zwei Bürgen, ein Bauingenieur und eine Musiklehrerin, zur Seite gegeben. Nina ist von ihrem Temperament her lebenslustig. Als sie von alten Bekannten besucht wird, sind die guten Vorsätze fast vergessen. Eine unglückliche Liebesgeschichte tut ihr Übriges, sie wieder in den Alkohol flüchten zu lassen. Ihre Bürgin, fängt sie wiederum auf. In dieser offenkundigen Überforderungssituation wird ein Kompromiss gefunden: Nina behält zwei Kinder und die älteste und schwierigste Tochter wird zur Adoption freigegeben.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Doch Nina will das Sorgerecht nicht kampflos preisgeben. Ihr Lebenswandel ist seriös geworden, wie die Nachbarin bestätigt, sie hat einen neuen Job in einer Reinigungsbrigade der Berliner Verkehrsbetriebe, und sie hat mit Werner Horn einen neuen festen Freund. Der fährt Schulspeisen aus und ist auch sonst ein grundsolider junger Mann, der mit ihrem bisherigen Umgang, der Clique aus der Kneipe um die Ecke mit Ober-Rabauke Dieter, nichts zu tun hat.
„Wollen die Kinder denn überhaupt nach Hause?“ – „Die meisten wollen.“ Und in diesem Fall alle drei, sogar die sich sehr verschlossen gebende älteste Tochter Jacqueline. So beschließen die Ausschussmitglieder nach heftiger, kontroverser Diskussion eine Art Probezeit für Nina: Sie darf die fünfjährige Mireille, ihre jüngste Tochter, wieder zu sich nehmen, deren beiden ältere Geschwister bleiben im Heim. Zwei Bürger mit tadellosem Leumund übernehmen für die zunächst zweiköpfige Familie – mit Option auf Vergrößerung – die Bürgschaft für ein Jahr: der verheiratete Bauingenieur und SED-Genosse Peter Müller, der den „gesellschaftlichen Auftrag“ nur äußerst widerwillig akzeptiert, und die alleinstehende Musiklehrerin Irmgard Behrend, welche die für sie ungewöhnliche Aufgabe allein aus christlicher Verantwortung heraus übernimmt.
Und bald richtig gefordert ist. Denn Mireille muss immer wieder bei der Nachbarin Traudel Braun bleiben, auch über Nacht, weil sich Ninas alte „Freunde“ der Wohnung bemächtigen – und ihre junge, so sympathische wie lebensuntüchtige Mutter, schwankend zwischen der Furcht, etwas zu verpassen im Leben und dem Gefühl der Verantwortung nicht nur für das eine Kind in ihrer Obhut, nicht für ein bürgerliches Leben an der Seite des dazu bereiten Werner entschließen kann. Und dann funkt es auch noch zwischen ihr und dem attraktiven Heiner Menk. Doch der Hallodri, der zu allem auch noch gut mit Kindern kann, denkt gar nicht an eine feste Beziehung. Und die völlig überforderte Nina steht erneut vor einem Scherbenhaufen, was sogar Mireilles Pankower Heimleiterin nicht verborgen bleibt.
„Fast ’ne richtige Familie, nur ohne Mann“: Während der spießige Genosse Müller rasch die Brocken hinwirft, nicht zuletzt getrieben von seiner eifersüchtigen Gattin, kommt Frau Behrend, die den Heiligabend in kirchlicher Gemeinschaft verbracht hat, wo sie sich nicht nur am Klavier einbringt, sondern sich rührend um die Alten kümmert, erst richtig in Schwung: Sie ist es gewohnt, sich uneigennützig und vorurteilsfrei zu engagieren. Sie unterstützt Nina im beruflichen wie privaten Alltag, bringt System in die Haushaltsführung, treibt Alimente ein, hilft bei ausstehenden Ratenzahlungen, richtet sie psychisch wieder auf. Und bestärkt sie in ihrem Entschluss, sich selbst nicht zu überfordern und die verschlossene Jacqueline zur Adoption freizugeben. Doch deren Abschiedsworte nach ihrem letzten Besuch im Kinderheim werden Nina noch lange beschäftigen: „Du holst uns doch bald ’raus hier, Mama?“
„Bürgschaft für ein Jahr“ ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter Defa-Film. Herrmann Zschoche stellt das von der DDR-Staatspartei propagierte Rundum-Sorglos-Paket „Von der Wiege bis zur Bahre“ bloß. Und lässt dabei an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: In der Prenzlberger Boheme kann sich ein freischaffend-selbstverwirklichender Künstler leisten, die Alimente für seine drei Kinder zu versaufen. Die Behörden entziehen einer mit ihrer Mutterrolle hoffnungslos überforderten jungen Frau zwar das Sorgerecht über ihre Kinder, die aber wollen, obwohl sie Schlimmes erlebt haben müssen, so schnell wie möglich wieder aus staatlicher Betreuung nach Hause entlassen werden, welches Chaos sie auch immer dort erwartet. Eine Jugendhilfe-Kommission fällt rasch Urteile über Zwangsadoptionen, auch ohne die betroffenen Kinder vorher befragt zu haben. Und wenn es dennoch zu einer Bürgschaft für ein Jahr kommt, verabschiedet sich der SED-Genosse rasch aus der gesellschaftlichen Verantwortung, als die ersten größeren Probleme auftauchen. Während diese von der christlich orientierten und kirchlich engagierten Nicht-Genossin als Herausforderung angenommen werden...
„Bürgschaft für ein Jahr“ setzt die DDR-Stars authentisch-realistisch ins Bild etwa in den so situations- wie tragikomischen Szenen in Ninas Katastrophen-Wohnung in Erwartung der Jugendhilfe-Kommission oder bei der nicht weniger chaotischen Kinderzimmer- und Wohnungsrenovierung im Hinblick auf Mireilles Rückkehr. Herrmann Zschockes Sympathie gehört der am Leben verzweifelnden Nina und ihren Kindern, der offene Schluss lässt aber auch die Möglichkeit eines bitteren Endes zu.
„Bürgschaft für ein Jahr“ ist im Februar 1982 im Wettbewerb der 32. Berlinale gezeigt worden. Der Film wurde mit Auszeichnungen überhäuft, 1981 in der DDR mit dem Kritikerpreis „Große Klappe“ als bester Defa-Gegenwartsfilm sowie vom Jugendmagazin „Neues Leben“ als populärster Defa-Film. 1982 folgten auf der Berlinale der „Silberne Bär“ für Katrin Saß als beste Darstellerin und der OCIC-Preis des Office Catholique International du Cinéma sowie beim 2. Nationalen Spielfilmfestival der DDR in Karl-Marx-Stadt gleich vier Auszeichnungen für Gabriele Kotte, Herrmann Zschoche, Dieter Adam und Anne Hoffmann.
Pitt Herrmann