Beethoven. Tage aus einem Leben

DDR 1975/1976 Spielfilm

Inhalt

Künstlerbiografie, die verschiedene Episoden aus dem Leben Ludwig van Beethovens aus den Wiener Jahren von 1813 bis 1819 zeigt. Beethoven befindet sich auf dem Höhepunkt seines Ruhms, doch leidet schwer unter privaten Problemen: Er ist in finanzieller Not, und seine Brüder Johann und Karl bevormunden ihn deshalb ständig. Außerdem wird er wegen seiner demokratischen Gesinnung von der Geheimpolizei beschattet. Besonders zu schaffen macht ihm seine unaufhaltsam zunehmende Taubheit, die ihn mehr und mehr von seiner Umgebung isoliert. Doch seine Vereinsamung und sein Leiden können seine schöpferische Kraft nicht brechen. Er sammelt Ideen für ein neues großes Werk: Seine berühmte 9. Sinfonie entsteht.

Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.

 

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
Dass der unter dem Arbeitstitel „Der Compositeur“ entstandene offizielle Babelsberger Beitrag zur „Beethoven-Ehrung der Deutschen Demokratischen Republik“ anlässlich des 150. Todestages des Komponisten am 26. März 1977 eine der besten Defa-Produktionen überhaupt genannt werden muss, ist umso erstaunlicher, als Willi Stoph, Vorsitzender des Ministerrats der DDR, zwei Monate nach der Uraufführung im Dezember 1976 in der konstituierenden Beratung des Festkomitees die Parole ausgab, „die Inbesitznahme seines Schaffens durch die Werktätigen und unser ganzes Volk in jenem Geist weiterzuführen, der im revolutionären Kampf der deutschen Arbeiterklasse verwurzelt ist“.

Das Szenarium stammt aus der Feder des Schriftstellers Günter Kunert, der seine Affinität zum Medium Film bereits in einem halben Dutzend Defa-Produktionen seit „Seilergasse 8“ (1960) unter Beweis gestellt hatte, darunter auch die beiden 1962 verbotenen Fernsehfilme „Fetzers Flucht“ und „Monolog für einen Taxifahrer“. Kunert, der auch am Drehbuch mitarbeitete, und Regisseur Horst Seemann, der bisher nur Gegenwartsgeschichten verfilmte, wählten einen auch ästhetisch mutigen Ansatz weg von der klassischen Biographie. Die sich auf Ludwig van Beethovens Wiener Zeit zwischen 1813 und 1819 fokussierenden „Tage aus einem Leben“ beginnen mit einer verwirrend-chaotischen Montage aus der von Beethoven selbst dirigierten Uraufführung seines antinapoleonischen Orchesterwerks „Wellingtons Sieg“ und sehr realen blutigen Kriegsbildern, die das Pathos der Musik konterkarieren.

Der vom sowjetischen Schauspieler Donatas Banionis, Konrad Wolfs Goya, eindringlich und gleichzeitig zurückhaltend verkörperte Komponist, dem Litauer genügen knappe Gesten ohne Worte, um sich auszudrücken, wird förmlich eingekreist zunächst durch seine habgierigen Brüder Johann und Karl, dann durch seine Zechkumpane, die kritische politische Ansichten zu hören bekommen, durch die alltäglichen Zumutungen von diversen Haushälterinnen über politische Diskussionen mit seinem Sekretär Anton Schindler bis hin zum Musikautomatenbauer Mälzel. „Die Eröffnung des technischen Zeitalters in der Kunst“ wird in kleiner weißer Schrift eingeblendet: Zwischentitel als thematische Gliederung und antiillusionistischer Verfremdungs-Effekt im Brechtschen Sinne gleichermaßen.

Beethoven hört zunehmend schlechter, was zu Missverständnissen, Unsicherheiten und schließlich Misstrauen selbst engsten Freunden gegenüber führt. Es ist ein rastloses Leben eines genialen Komponisten, der hier ohne Heiligenschein als Mensch mit Fehlern und Schwächen, Ungereimtheiten und Widersprüchen gezeigt wird. Einschließlich seiner Liederlichkeit in allen Dingen des persönlichen und häuslichen Bedarfs und des häufig arroganten Umgangstons. Besonders drastisch werden seine sexuellen Vorlieben offenbar – von der Baronin von Stackelberg (Renate Richter) bis zur Straßenhure. Einerseits unterstützt Beethoven, dem höfische Konventionen verhasst sind, den englischen Parlamentarismus - zu seiner Zeit geradezu revolutionär. Anderseits muss er sich seinen dünkelhaften adligen Mäzenen und Auftraggebern unterwerfen, um nicht zu verhungern. Denn seine internationalen Erfolge nützen ihm in Wien nichts. Am Ende zieht Beethoven mit seinem kärglichen Mobiliar um in seine vierte Wiener Wohnung – und schreitet plötzlich mitten im dichten Hauptstadtverkehr auf der Karl-Marx-Allee am Uraufführungskino „International“ vorbei zum Alexanderplatz…

Die episodische Struktur des Films, die Palette der Zwischentitel reicht von „Der Agitator“ und „Der Kochkünstler“ bis hin zu „Etwas über die Freiheit“, unterstützt die intendierte Zeitbezogenheit Beethovens zur DDR-Gegenwart. Freilich lässt sich die Bespitzelung durch die österreichische Geheimpolizei nicht nur als Kritik am System Metternichs interpretieren. „Eigenwillige Erberezeption und eine beachtenswerte zeitgenössische Wortmeldung“ resümierte Fred Gehler in der DDR-Wochenzeitung „Sonntag“ (vom 7. November 1976), „Identifikation mit einem Zeitgenossen“ Klaus Wischnewski 1994 in „Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg“.

Horst Seemann im Gespräch mit Rolf Richter (in: „Sonntag“ vom 3. Oktober 1976): „Es ist nicht einfach, die Widersprüchlichkeit eines Charakters zu fassen. Ich hatte das Gefühl, dass ich diesen Menschen mit seinen großen Sorgen und Schwierigkeiten beschützen muss. Ich wollte ihn vor seinen Fehlern bewahren und hätte am liebsten das Negative eliminiert. Ich wollte aber auch den Fehlinterpretationen, Missdeutungen, den bürgerlichen Verbrämungen und der Entpolitisierung meines Helden entgegentreten. Aber Achtung und vor allem auch Liebe brauchen das gehörige Maß an Aufrichtigkeit, und in der Kunst gehört dazu Genauigkeit.“

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Kamera

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Drehbuch-Mitarbeit

Szenarium

Kamera

Kamera-Assistenz

Bauten

Bühne

Kostüme

Schnitt

Mischung

Darsteller

Synchronsprecher

Produktionsleitung

Länge:
2949 m, 108 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 14.10.1976, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Beethoven. Tage aus einem Leben
  • Arbeitstitel (DD) Der Compositeur

Fassungen

Digitalisierte Fassung

Länge:
108 min
Format:
DCP 2k, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Mono

Original

Länge:
2949 m, 108 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 14.10.1976, Berlin, International