Auf dünnem Eis

Deutschland 2019/2020 TV-Spielfilm

Inhalt

Wieweit kann Hilfsbereitschaft gehen? Ira, eine junge Frau mit Kind, die selbst prekär als Hilfsköchin tätig ist, die sich gerade getrennt hat und sich vom Leben stets leicht überfordert fühlt, fährt im Parkhaus einen Obdachlosen an. Er ist nur leicht verletzt, aber sie bringt ihn ins Krankenhaus. Doch die Hilfe hat Folgen. Immer wieder taucht der Mann auf und bestimmt mehr und mehr ihr Leben. Sie lässt Konrad bei sich übernachten, leiht ihm Kleidung, verhilft ihm zu einem Ausweis und einem Job. Doch am Ende muss sie tragischerweise einsehen, dass sie ihm nicht wirklich helfen konnte. Weil er sich nicht selbst aus dem Sumpf ziehen wollte. Keine Liebesgeschichte, eher ein atmosphärisch sehr dichtes realistisches Sozial-Melodram mit einer grandiosen Schauspielerleistung von Julia Koschitz und mit einer tollen Bildgestaltung. Zwischen Mitgefühl und gesundem Egoismus muss Ira auch ihren eigenen Weg finden, um zu einem glücklichen und tatsächlich selbst bestimmten Leben zu finden. Denn nicht nur in der Nächstenliebe auch bei der Selbstverwirklichung bewegt man sich "auf dünnem Eis".

Quelle: 18. Festival des deutschen Films Ludwigshafen am Rhein

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
Winter in Berlin, schneebedeckte Straßen, die Radio-Nachrichten berichten von minus vier Grad. Es geht gegen Mitternacht, als Ira Rosenthal endlich Feierabend hat. Und doch noch nicht zur Ruhe kommt: In der Tiefgarage des Wohnblocks im Hansaviertel liegt ein Obdachloser. Die Rettung ist bereits gerufen, als Ira verzweifelt Wiederbelebungsversuche unternimmt. Als die Feuerwehr eintrifft, kann die Notärztin nur noch seinen Tod feststellen.

Rückblende, sechs Wochen zuvor. Ira arbeitet in der Küche eines Nobelhotels unter der Knute von Luise Schaffhaus, die es gar nicht gerne sieht, wenn Angestellte in der allabendlichen Hochphase von Handy-Anrufen in ihrer Konzentration gestört werden. Etwa bei der Zubereitung und aufwändigen Präsentation von Hummern. Sie hält den ganzen Stress eigentlich nur durch die launige Stimmung, welche ihr Kollege Ralph Uhlig (Ivo Kortlang) verbreitet, aus. Als Ira endlich zu Hause ankommt und den Volkswagen rückwärts in ihre Bucht der Tiefgarage einparkt, hat sie, übermüdet wie sie ist, einen Obdachlosen übersehen, der sich dort samt kleinem Hund niedergelassen hat angesichts zweistelliger Minusgrade.

Markus Konrad will weder von einem Arzt noch von einem Hausmeister und schon gar nichts von der Polizei wissen, braucht dann aber doch medizinische Hilfe, die ihm von einer Krankenschwester (Gisa Flake) der nächstgelegenen Klinik jedoch verweigert wird, da er nicht krankenversichert ist. So geht die für Ira olfaktorisch kaum auszuhaltende Fahrt weiter – und endet um drei Uhr in der Frühe vor der Notunterkunft am Containerbahnhof immer noch nicht: Markus verweigert sich kategorisch einer jeglichen Unterbringung.

Ira plagen derweil ganz andere Sorgen. Ihr Mann Bernhard hat sie wegen einer gewissen Liesa verlassen und ist in eine eigene Wohnung gezogen. Wie soll sie nun die 900 Euro Monatsmiete stemmen? Um ihren neunjährigen Sohn Lukas kümmert sich während der Nachtschichten ihre Mutter Karen, deren Tage als Babysitterin jedoch gezählt sind. Weil Iras zunehmend gebrechlicher Vater Lutz die Hilfe seiner Frau benötigt - und baldmöglich eine barrierefreie Wohnung. Welche nur schwer zu finden ist bei der notorischen Unterversorgung in der Hauptstadt.

Als sich der Obdachlose geradezu in der Tiefgarage einnistet und die Nachbarn schon die Polizei rufen wollen, versucht Ira das Problem auf empathische Weise zu lösen: Sie steckt den zehn Jahre älter aussehenden Vierzigjährigen samt Hund „Tiger“ in die Wanne, sorgt für frische Kleidung und nimmt mit ihm Termine in den Behörden wahr. Markus Konrad gibt an, in Bottrop geboren zu sein und als Automechaniker gearbeitet zu haben. Für die Ausstellung notwendiger Papiere recherchiert sie im Internet und findet seine zu Herzen gehende Geschichte, nach der sein Sohn beim Rettungsversuch des Hundes im Eis eingebrochen und ertrunken sein soll, bestätigt. Andererseits meldet sich zunächst eine Jungenstimme, als Ira bei Konrads früherer Gattin anruft und diese sich jeglichen weiteren Kontakt verbittet.

Eine Katastrophe kommt selten allein: Zum einen kann Bernhard keinen Unterhalt zahlen, weil der Ofenbauer Außenstände von 30.000 Euro bei einem Dahlemer Auftraggeber gerichtlich eintreiben muss – und das kann dauern. Zum anderen wird Ira von ihrem Chef Rainer Simmering eine Woche vor Ablauf ihrer Probezeit entlassen, weil sie, so Luise Schaffhaus, unzuverlässig ist und sich darüber hinaus des Kindes wegen weigert, Spätdienste in Vollzeit zu übernehmen. Was immerhin den Vorteil hat, dass sie sich nun ganztägig um die Angelegenheiten ihres obdachlosen Schützlings kümmern kann, um diese Klette endlich loszuwerden.

Da steht mit Dennis Konrad (Paul Michael Stiehler) plötzlich dessen Sohn vor ihrer Tür und entlarvt die Rettungsgeschichte auf dem Eis als reine Erfindung. Zusammen suchen sie Markus und finden ihn in betrunkenem Zustand am Hansaplatz. Die entgeisterte Ira fühlt sich nicht nur betrogen, sondern muss sich auch noch beschimpfen lassen. Weshalb die Chancen nicht mehr so schlecht stehen auf Rosenthalsche Familienzusammenführung – samt aus dem Tierheim geholten „Tiger“…

Mit einem leisen Hoffnungsschimmer endet eine vor allem durch das authentische Spiel der beiden Protagonisten Julia Koschitz und Carlo Ljubek berührende Tragödie, die für die Polyphon-Produzentin Beatrice Kramm einen persönlichen Hintergrund hat, den sie im ZDF-Presseheft offenbarte: „Dieser Film beruht auf einem persönlichen Erlebnis von mir im Jahr 2012. Es war ein besonders kalter Winter in Berlin. Ein Obdachloser suchte sich auf unserem Stellplatz einen geschützten Ort und lebte dort für einige Wochen. Wir haben vergeblich versucht, mit ihm in Kontakt zu treten und ihm Hilfe angeboten – er wollte in Ruhe gelassen werden. Bei einer Temperatur um die -15° C und Frost verstarb der Mann – bis heute wissen wir nichts von ihm. Mit diesem Film möchte ich ihm eine Geschichte geben.“ Das ZDF strahlt „Auf dünnem Eis“ erstmals am 20. September 2021 aus.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Musik

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Regie-Assistenz

Continuity

Drehbuch

Kameraführung

Kamera-Assistenz

Farbkorrektur

Standfotos

Kamera-Bühne

Außenrequisite

Innenrequisite

Maske

Schnitt-Assistenz

Musik

Darsteller

Produzent

Redaktion

Producer

Produktionsleitung

Produktions-Assistenz

Dreharbeiten

    • 12.02.2019 - 14.03.2019: Berlin
Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Aufführung (DE): Oktober 2020, Biberach, Filmfestspiele

Titel

  • Originaltitel (DE) Auf dünnem Eis
  • Arbeitstitel (DE) Minusgrade

Fassungen

Original

Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Aufführung (DE): Oktober 2020, Biberach, Filmfestspiele

Auszeichnungen

Biberacher Filmfestspiele 2020
  • Fernseh-Biber, Bester Fernsehfilm