Inhalt
Familienvater Heinz Hellmich will in seiner Firma endlich die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklimmen. Das Problem dabei: Der Mittfünfziger entspricht in jeder Hinsicht dem Klischee des "alten weißen Mannes" – politisch unkorrekt, geistig unbeweglich, uneinsichtig. Also versucht Heinz, sich in der Firma von seiner "wokesten" Seite zu zeigen. Um den Eindruck perfekt zu machen, lädt er seinen Chef und mehrere Kolleginnen zu einem zwanglosen Abendessen zu sich nach Hause ein. Allerdings beginnt bei der Dinnerparty die politisch korrekte Fassade seiner Familie, aber auch der Gäste, sehr schnell zu bröckeln. Beim Versuch, sich durch das Minenfeld der heutigen Political Correctness zu navigieren, stolpern die Anwesenden von einem Fettnäpfchen ins nächste, und das Chaos nimmt unaufhörlich seinen Lauf.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Das wird ihm spätestens klar, als ihn seine bodenständige rechte Hand Kiraz Tüfek mitten in der Nacht über den Shitstorm informiert, den seine letzte Werbekampagne ausgelöst hat: Die weiße Vorzeigefamilie auf den Plakaten, die seine eigene sein könnte mit Gattin Carla und den drei Kindern Mavie, Leni und Linus, ist den Kritikern nicht divers genug.
Im beschaulichen Heim der Hellmichs in der fiktiven deutschen Kleinstadt namens Waldstetten ist freilich auch nicht alles Gold: Mavie studiert in Berlin, scheint aber im hauptstädtischen Sumpf abgetaucht zu sein, die Abiturientin Leni verteilt wie der zwei Jahre jüngere Linus laufend Wokeness-Zensuren und Mutter Carla, die einst ihren Job als Dolmetscherin für das Familienleben aufgegeben hat, möchte nun, da die Kinder flügge geworden sind, eine Sprachschule als Ort der Begegnung gründen. Was den Kids angesichts KI-unterstützter digitaler Medien total aus der Zeit gefallen erscheint.
Dr. Steinhofer, der opportunistische Chef von Heinz, setzt ihm mit Lian Bell eine toughe Unternehmensberaterin und Diversity-Beauftragte vor die Nase, die der gestresste Heinz, daheim ist beim Anbringen einer Photovoltaikanlage auf dem Dach ein Brand ausgebrochen, bei der ersten Begegnung im Unternehmen aus Versehen als Kellnerin angesprochen hat. Und dann hat die Fernfunk AG mit Älex Sahavi auch noch einen Perfektionisten im Selbstoptimierungswahn als neuen Technology Consultant eingestellt, der Heinz um seinen Job fürchten lässt.
Der Familienvater nimmt sich erst ‘mal eine kleine Auszeit und fährt nach Berlin, um bei seiner Ältesten nach dem Rechten zu sehen. Der Culture Clash in der Hauptstadt ist fundamental, sodass Heinz wesentlich später als geplant und im abgerissenen Habitus eines Penners wieder daheim auf der Matte steht – in Begleitung seines 83-jährigen Vaters Georg und des indischen Fahrradkuriers Hilmal. Letzterer ist von Georg, der partout seinen Führerschein nicht abgeben will, beinahe über den Haufen gefahren worden.
Sie komplettieren noch gerade rechtzeitig ein Dinner, das die Familie Hellmich von ihrer besten Seite zeigen soll, weshalb zu Dr. Steinhofer, Lian Bell und Älex Sahavi aus Diversitätsgründen auch Kiraz Tüfek, die Paartherapeutin Dr. Joy Sand und Lenis Freund Mo eingeladen worden sind. Nachdem zuvor in aller Eile Bilder (Klee, Toulouse-Lautrec, Monet – alles alte weiße Männer) von den Wänden sowie Bücher und DVDs (Hitchcock, Polanski, Woody Allen, Spielberg – alles alte weiße Männer) aus den Regalen genommen wurden.
„Die Menschen werden immer dümmer. Ich habe gestern eine Einladung vom Museumsverein bekommen. Da steht ernsthaft drin ‚Liebe GästInnen‘. GästInnen, Heinz. Das ist doch kein Wort. Oder sagt man jetzt auch MenschInnen?“: Opa Georg eröffnet den Reigen inzwischen gemeinhin als cringe empfundener Bemerkungen. Und tappt bedenkenlos in weitere Fettnäpfchen zur Freude alter weißer Männer wie dem Autor dieser Zeilen: „Die Deutschen driften immer ins Totalitäre ab. In den Wahn. Auch wenn sie versuchen, die Guten zu sein, müssen sie bei allem übertreiben.“
Mit „Alter weißer Mann“ blickt Simon Verhoeven wie schon bei der Komödie „Willkommen bei den Hartmanns“ (2016), die fast vier Millionen Kino-Besucher begeisterte, oder den erfolgreichen „Männerherzen“-Filmen mit viel Humor und Selbstironie auf die großen und heiklen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit. Diese liebevoll-nervige, schließlich aber versöhnliche Komödie wagt sich auf das Minenfeld der heutigen Political Correctness und des Selbstoptimierungswahns.
Verhoeven will weder polarisieren noch polemisieren – eine erfreuliche Erholung in diesen unseren Zeiten der vielfach unversöhnlich-besserwisserisch gespaltenen Bubble-Gesellschaft. Ob sein Versuch, mit den Mitteln selbstentlarvender Ironie Widersprüche und Absurditäten längst nicht nur auf asoziale Medien beschränkter Diskurse offenzulegen und dadurch Dialoge wieder möglich zu machen, klappt, wird sich erweisen. Der Regisseur hat die Berlin-Gang, mit der es Heinz Hellmich zu tun hat, absichtsvoll mit zwei nicht-binären Darstellern (Alex Junge und Patrice Grießmeier) sowie einem Trans-Schauspieler (Lukas von Horbatschewsky) besetzt. Damit aber letztlich wieder eine Vorurteils-Schublade geöffnet.
Pitt Herrmann