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Man erlebt einen Film im Film. Der Regiestudent Päschke soll eine Frauenbrigade des Berliner Glühlampenwerks mit der Kamera begleiten. Bei oberflächlicher Betrachtung zeigt sich ihm ein mustergültiges Arbeitskollektiv. Doch bei näherem Hinsehen bemerkt er Spannungen und Konflikte zwischen den Frauen, zumal eines der Mädchen, Kerstin, eine wegen Diebstahls vorbestrafte Abiturientin ist, die sich in der Produktion bewähren soll. Das Misstrauen ihr gegenüber wird auch von der überkorrekten Meisterin mitgetragen. Die Situation eskaliert, als in der Brigade Geld abhanden kommt und – wie sollte es anders sein – Kerstin beschuldigt wird.
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„Eine Brigade, was weiß ich denn von denen – und dann auch noch Frauen? Wer will denn das sehen, am Abend?“ Der junge Mann ist alles andere als begeistert, obwohl sich ihm als Student eine einmalige Chance bietet: Sein Film soll, und das auch noch kurzfristig, im DDR-Fernsehen ausgestrahlt werden. Es ist Winter in der Hauptstadt, Schnee liegt – und Ralf Päschke hat keine Stiefel. Die pumpt ihm kurzfristig sein Kommilitone Bruns (kleine, feine Episodenrolle in der launigen Rahmenhandlung: Jaecki Schwarz).
10.000 Glühlampen pro Schicht. Da wird den Mädchen um die erfahrene, von ihnen stets „Marie“ genannte Meisterin Maria Boltzin nichts geschenkt. Da stört Päschke nur am Band oder sonstwo in der Produktion, und überhaupt: „Mann am Band, dat gibt Gerede!“. Auch Marie ist ganz und gar nicht von dem Filmprojekt angetan – und drückt doch ein Auge zu, als Ralf sich unter die Mädchen mischt. Da ist zum einen die so kesse wie schnoddrige Susi, die so schnell nichts anbrennen lässt und stets gerade in irgendjemanden verliebt ist, was absehbar nur von kurzer Dauer ist. Sie geht beim „Neuen“ gleich aufs Ganze, in der Tram nach Feierabend.
Anita ist zwar nicht weniger selbstbewusst, aber bei den Männern ohne Glück und deshalb mit sich unzufrieden – und vor allem sehr einsam. Dauernd hackt sie auf Kerstin herum, einem eher stillen, sehr zurückhaltenden Mädchen. Die Abiturientin, die auf der Oberschule als besonders brav galt, muss sich nach einem Diebstahl in der Produktion bewähren und befindet sich noch in der Probezeit. Übersteht sie diese und die anschließende Bewährung, kann Kerstin auf einen Studienplatz hoffen – und erduldet daher stumm alle Mobbing-Versuche der eifersüchtigen Anita.
Zum Erfolgs-Kollektiv der Meisterin Marie gehören zudem mit Ella eine junge Frau, die seit Jahren vergeblich versucht, sich von ihrem mit einem wesentlich älteren und dazu noch verheirateten Mann bestehenden Verhältnis zu lösen, und die sehr kontaktarme, unsichere Gertrud. Für eine „Umrüstung“ auf eine neue „Taktstraße“ soll die Brigade für mindestens ein halbes Jahr auseinandergerissen werden, was Genosse Lauterbach lange Zeit unter der Decke gehalten hat. Als die Bombe platzt, und das ausgerechnet kurz vor dem Werksbesuch des Ministers, begehrt das Kollektiv auf: Marie will nicht mit sich reden lassen und meldet sich krank, selbst die frisch gewählte Gewerkschafts-Obfrau Anita solidarisiert sich, sodass die Ersatz-Meisterin (BE-Urgestein Carmen-Maja Antoni) keine Chance hat.
Die Lage droht zu eskalieren, zumal Kerstin, auf die Ralf inzwischen mehr als nur ein Auge geworfen hat, des Diebstahls bezichtigt die Brocken hinwirft. Als die ganze Brigade bei Marie auf der Matte steht, öffnet mit Wilhelm Pachnin (noch ein Urgestein vom Berliner Ensemble: Fritz Marquardt) ein den Mädchen bisher völlig unbekannter Lebensgefährte ihrer Meisterin die Tür. Was wissen sie eigentlich von der privaten Maria Boltzin? Bevor sie näheres erfahren, bricht Marie zusammen und muss in die Klinik eingeliefert werden. Und für Ralf stellt sich die Frage, wie realistisch, d.h. persönlich sein Porträt einer Narva-Frauenbrigade ausfallen darf....
Szenen aus der Arbeitswelt im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat: „Alle meine Mädchen“ versucht den Spagat zwischen durchaus kritischer Dokumentation und heiter-unterhaltender Fiktion und es ist wohl kein Zufall, dass die erfolgreiche Umsetzung Iris Gusner gelingt, einer der wenigen Defa-Regisseurinnen. Zusammen mit ihrer Szenaristin Gabriele Kotte gelingt Gusner ein für die ausgehenden 1970er Jahre so detailreiches wie wirklichkeitsnahes Gruppenporträt, das heute jedoch nicht nur als Zeitdokument interessiert.
Denn die tolle Besetzung begeistert nach wie vor: Barbara Schnitzler, Ensemble-Star des Deutschen Theaters (Ost-) Berlin, als zickige Anita in ihrem Defa-Debüt und Lissy Tempelhof als Mutter der Frauen-Kompagnie. Diese Rolle brachte ihr nach der Uraufführung am 24. April 1980 beim 1. Nationalen Spielfilmfestival der DDR in Karl-Marx-Stadt den Jurypreis als „Beste Hauptdarstellerin“ und den Publikumspreis „Großer Steiger“ für „die gelungenste Darstellung einer Arbeiterpersönlichkeit“ ein.
Pitt Herrmann