Inhalt
Als ein Sturm den Zugverkehr zwischen München und Hamburg zum Erliegen bringt, weichen zahlreiche Reisende auf andere Verkehrsmittel aus. So kommt es, dass fünf grundverschiedene Menschen im selben Taxi landen, um an ihr 791 Kilometer entferntes Ziel zu gelangen: Marianne, Tiana , Susi und Philipp. Nach anfänglichem Widerwillen bilden sie eine Fahrgemeinschaft, denn das Taxi von Fahrer Joseph ist das letzte weit und breit. So beginnt eine lange Fahrt durch die Nacht, in deren Verlauf die vier Reisenden und ihr eigensinniger Chauffeur jede Menge Gelegenheit haben, über die Welt, das Leben und ihre ganz persönlichen Haltungen zu diskutieren.
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„Ungeduld ist ein Hemd aus Brennnesseln“: Auch die junggebliebene Alt-68erin Marianne, emeritierte Professorin für Linguistik und Soziologie, die gerade einer Gruppe selbstgewisser Jugendlicher ihren damaligen Brokdorf-Widerstand gegen die Staatsgewalt geschildert hat, muss einer medizinischen Untersuchung wegen dringend nach Hamburg. Etwas abseits vom dicht umlagerten Taxistand sieht sie gleichzeitig mit Tiana und Philipp einen Wagen, bei dem das Licht auf dem Dach signalisiert, dass der Fahrer bereit ist, Kunden aufzunehmen – auch wenn von diesem gerade nichts zu sehen ist.
Vorsorglich verstauen die drei ihr Gepäck im Kofferraum und schieben dafür einen schwarzen Anzug auf die Seite. Der offenbar nicht einer schüchternen jungen Frau in knallroter Daunenweste gehört, bereits im Fond des Wagens sitzt und ihr Gesicht unter einem Hoodie verbirgt. Wie sich später herausstellt, heißt sie Susi, ist 24 Jahre jung und reist ohne Gepäck – und ohne Taxischein. Der Fahrer Joseph staunt nicht schlecht über die kleine Gruppe, die da in seinem Wagen sitzt. Eigentlich ist er gar nicht im Dienst, das Licht hatte er nur versehentlich angelassen. Er hatte am Bahnhof nur kurz Halt gemacht, um sich ein bisschen Proviant für eine Fahrt nach Bad Bramstedt etwas nördlich von Hamburg zu besorgen.
Entsprechend reagiert er genervt, lässt sich aber nicht zuletzt mit Blick auf erhebliche Zusatzeinnahmen breitschlagen. 791 Kilometer bis Hamburg liegen vor dieser fünfköpfigen Schicksalsgemeinschaft unterschiedlichster Persönlichkeiten, Anschauungen und aktueller Nöte. Weil alle die Hansestadt erreichen wollen, müssen sie sich aufeinander einlassen. „Scheiß Globalisierung ist das“: der grantelnde Joseph hatte einst einen Spielzeugladen, ist zornig auf Gott und die Welt, vor allem aber auf sich selbst. Die weitgereiste Marianne geht allen mit ihrer Neunmalklugheit auf den Zeiger, während sich die ehrgeizige Tiana von Philipp trennen will und rastlos in ihren Laptop tippt.
Schließlich spricht auch Susi, allerdings wie ein kleines Mädchen. Sie betont immer wieder, dass man Kinder ganz doll liebhaben muss und indem sie stets geradeheraus die Wahrheit sagt, zwingt sie so die anderen dazu, Farbe zu bekennen. Es hat es einen Grund, warum Josephs schwarzer Anzug im Kofferraum liegt und er höllische Angst vor einer Polizeikontrolle hat. Warum Tiana bei einer Toiletten-Pause an der Autobahn Susi alle ihre Tampons schenkt. Warum Marianne manchmal mitten in ihren Vorträgen stockt und sehr komische Wörter verwendet. Nach und nach kommen Geheimnisse ans Tageslicht und mit ihnen Hoffnungen und Sehnsüchte, Enttäuschungen und Lebenslügen. Mit Bill Withers‘ „Lean on Me“ wird Hamburg gerade noch rechtzeitig für Tiana und Marianne erreicht – und dennoch fahren am berührenden Ende alle gemeinsam zur Beerdigung eines gewissen Jan Böhm nach Bad Bramstedt…
Die mitreißend-menschelnde, hervorragend besetzte Ensemble-Komödie offenbart auf höchst unterhaltsame und dabei auch immer wieder berührende Weise, dass uns ganz unabhängig von Herkunft, Berufserfolg und privaten Dingen mehr verbindet als uns trennt, und dass miteinander zu reden manchmal kleine Wunder bewirken kann.
Das Kammerspiel für die große Leinwand entstand mit einer in Deutschland erstmals eingesetzten Technik: Neben einem Studio in Ismaning wurden die entsprechenden Hintergründe des quer durch die Republik fahrenden Wagens auf eine großflächige LED-Wand aufgespielt. Die Fahraufnahmen selbst wurden in einem mit neun Kameras bestückten Auto gedreht und danach in die LED-Wand eingespeist. So war es möglich, mit der Kamera nicht einfach nur in einer starren Position zu bleiben, sondern sich frei im Auto und in Teilen auch um das Auto herum zu bewegen.
Pitt Herrmann