Inhalt
Weil ihr Freund Jimmy sie zum Zigarettenklauen verleitet hat, muss Sabine in den Jugendwerkhof. Mit 18 wird sie entlassen und möchte ein neues Leben beginnen. Sie mietet sich ein eigenes Zimmer und beginnt eine Arbeit in einer Schuhfabrik. Trotz starkem Willen ist sie unsicher, weil sie Jimmy immer noch liebt. Bei der neuen Arbeit hat sie zunächst einen schweren Stand, da ihre Kolleginnen misstrauisch und ablehnend auf sie reagieren. Sabine vertritt offen ihre Meinung und kann durch ihr Engagement einen Betrug aufdecken, was die Arbeitsbedingungen in der Fabrik verbessert. Schließlich versöhnt sie sich wieder mit Jimmy.
Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.
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Sie will einen Neuanfang wagen, weshalb sich Sabine bei Frau Prieselank („Ich glaub’, ich brauch’ die letzte Ölung“) ein Zimmer mietet und einen Job in einer Schuhfabrik annimmt. Kein schlechter Start auf den ersten Blick. Aber Sabine Wulff ist eine mit sich und anderen ehrliche, offene, wenn es sein muss auch unbequeme, in kein FDJ-Blauhemd-Klischee passende junge Frau, die sich aufmüpfig gibt – am Band gegenüber den Kollegen, die das gar nicht zu schätzen wissen, und im Bett gegenüber ihren Liebhabern, bei denen sie alles andere als wählerisch ist. Während mit Atsche schnell Schluss ist, könnte sich mit Hansel etwas ergeben. Als Sabine einen Betrug aufdeckt und Neuerervorschläge unterbreitet, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen, wird sie endlich anerkannt unter den Kolleginnen im Kollektiv (Juliane Koren, Jutta Wachowiak, Swetlana Schönfeld). Was ihr zu neuem Selbstbewusstsein verhilft und zu der Kraft, um es noch einmal mit Jimmy zu versuchen...
„Sabine Wulff“, ab 21. Oktober 1979 auch auf bundesdeutschen Leinwänden zu sehen, gehört mit nahezu 800.000 Zuschauern zu den größten Defa-Erfolgen. Was an Erwin Strankas kleinen Stichen gegen die Tristesse des sozialistischen Alltags liegt, aber auch daran, dass er die kleinen Freuden dieses Alltags nicht verschweigt. Das Publikum, zumal das jugendliche, erkennt sich wieder, kann sich identifizieren mit einer jungen Frau, die so gar nicht dem von der SED propagierten sozialistischen Menschenbild entspricht. Was in der DDR durchaus kritisch angemerkt wurde. So schrieb Hans-Dieter Schütt im FDJ-Zentralorgan „Junge Welt“: „Aber dennoch sei gerade an dieser Stelle auch der Wunsch erlaubt, wieder einmal die gesellschaftliche Gewichtigkeit im Leben junger Menschen direkter erfasst zu sehen. Ich denke da etwa an die Bewährungsproben junger NVA-Angehöriger, die bei der Defa in letzter Zeit nur einen ‚Katzensprung’ vollführten, oder ich denke an Schüler, die in den Lehrlingswohnheimen großer Kombinate zu leben beginnen, mit neuen Anforderungen konfrontiert werden, was Lebens- und Tagesrhythmus, Kollektivdenken und Partnerschaft betrifft...“
Nun ist es nicht so, dass „Sabine Wulff“ den Grundkonsens zwischen SED-Staat, Kulturschaffenden und Publikum ignoriert. Erwin Stranka hält sich wie übrigens auch die Vorlage, Heinz Kruschels 1976 im Mitteldeutschen Verlag Halle/Saale erschienenes und ständig vergriffenes Jugendbuch „Gesucht wird die freundliche Welt“, an den ungeschriebenen Kanon ideologisch-politischer Vorgaben, die für eine Theaterinszenierung ebenso gelten wie für eine Buchveröffentlichung oder eine Filmproduktion. Dennoch stimmt, was der Regisseur zur Haltung seiner Titelfigur gegenüber der populären DDR-Illustrierten „Filmspiegel“ gesagt hat: „Sabine schaut mit einer gewissen Kompromisslosigkeit und Unbedachtheit auf die Welt, die Dinge und sich. Damit löst sie für sich und andere Schwierigkeiten aus.“ Erstausgestrahlt am 4. Dezember 1979 im Fernsehen der DDR gabs beim 1. Nationalen Spielfilmfestival der DDR 1980 in Karl-Marx-Stadt Auszeichnungen für Karin Düwel (Beste Nachwuchsdarstellerin) und Evelyn Carow (Bester Schnitt) sowie den „Großer Steiger“ genannten Preis der Publikumsjury.
Grundsätzliche Systemkritik bleibt außen vor, auch bei diesem außergewöhnlichen Defa-Frauenfilm, der durchaus in einer Reihe mit Heiner Carows „Bis dass der Tod euch scheidet“ und Konrad Wolfs „Solo Sunny“ bestehen kann. Auch wenn die Sabine Wulff der SED-Genossin Karin Düwel im Jugendwerkhof genannten Knast ganz brav zur FDJ-Sekretärin mutiert und sich für höhere Aufgaben „draußen“ empfiehlt beim staatstragenden Ringen um einen „menschlichen Sozialismus“ und eine „sozialistische Moral“, etwa bei Soli-Schichten für die Genossen in Chile. Der Begriff „Rattenfängerfigur“, den Renate Schostack 1981 bei der ARD-Erstausstrahlung in der FAZ gebrauchte, ist jedenfalls nicht nur völlig überzogen, sondern schon denunziatorisch.
Pitt Herrmann