Sergeant Pepper
Sergeant Pepper
Michael Ranze, epd Film, Nr. 01, Januar 2005
Wer hätte nicht mal in der Zeitung gelesen, dass ein Millionär dem Haustier ein Vermögen vermacht hätte? "Hund erbt Villa" lautet die einfache Formel, die das Handlungsgerüst von "Sergeant Pepper" zusammenhält. Für Dramatik sorgen gierige Erbschleicher, für Komik eine schrullige Familie, die dem Hund Zuflucht gewährt, und fürs Sentiment die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft.
Doch zunächst macht uns Sandra Nettelbeck mit den Singers bekannt. Vater Johnny (Ulrich Thomsen) ist ein rühriger Erfinder mit geübtem Blick für das Erfolglose und Unverkäufliche. Zu den schönen Einfällen des Films gehört die Utopie einer perfekten Küche, in der man keinen Handschlag mehr tun muss. Eine Utopie mit kleinen Fehlern: Die Kühlschranktür schließt erst nach mehrmaligem Zurufen, das Brot springt pechschwarz aus dem Toaster. Einzig der frisch gepresste Orangensaft findet über ein langes Fließband den Weg sicher ins Schlafzimmer. Natürlich steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis.
Der Kampf mit der Tücke des Objekts, das weiß man seit den Slapstick-Erfolgen von Hal Roach, ist auch immer der Versuch, Ordnung in die Dinge zu bringen, das Leben berechenbarer zu machen. Mutter Anna (Johanna Ter Steege) reagiert auf alle Zumutungen mit Gelassenheit und Humor. Und dann ist da noch der sechsjährige Felix (Neal Lennart Thomas), der den ganzen Tag im Tigerkostüm herumläuft und nur mit seinen Stofftieren spricht. Unvermeidliche Folge: Felix muss zum Therapeuten (August Zirner). Es ist derselbe, den schon Martina Gedeck als Martha in "Bella Martha" besuchte. Am Anfang des Films begegnen sie sich sogar im Wartezimmer. Felix und Martha: zwei Dickköpfe, die niemanden an sich heranlassen. Solchen Figuren gehört die Sympathie der Regisseurin.
Bis dahin hat Nettelbeck ein kleines Panoptikum angenehm skurriler Figuren entworfen, zu dem noch Peter Lohmeyer als verschrobener Nachbar, Jasmin Tabatabai als knallharte Taxifahrerin und Christiane Paul als Verdächtige in einem Kommissariat zählen. Die Handlung kommt in Gang, als Felix einen Hund namens Sergeant Pepper trifft, der Villa und Vermögen des Herrn von Gordenthal geerbt hat. Zum Ärger von dessen Tochter (Barbara Auer) und Sohn (Oliver Broumis), die Sergeant Pepper ans Leder wollen.
Nettelbeck nimmt nicht nur Rekurs auf "Bella Martha" – sie lässt auch ihrer Lust am Zitat freien Lauf: von der Axt in "Shining" über die fliegende Plastiktüte in "American Beauty" bis hin zum Feueralarm, den Sigourney Weaver in "Alien" auslöst. Dazu kommen Verfolgungsjagden, Rettungsaktionen und rüde Mafiamethoden, die die "Goodfellas" wie Waisenknaben aussehen lassen."Ich habe zum ersten Mal den Blick so bewusst auf das Formale gerichtet. Es zu übertreiben, nichts auszulassen, zu kommentieren und zu zitieren, was das Zeug hält, daraufkam es mir an."
Ihren Figuren weist Nettelbeck eng umrissene Funktionen zu, die auf einer zweiten Ebene kommentiert werden und somit beständig auf ihre Inszeniertheit verweisen. Folge: Der Zuschauer geht zu den Figuren auf Distanz, mag sich nicht mit ihnen identifizieren. Und so reiht "Sergeant Pepper" wie eine gut geölte Maschine eine Idee an die andere – statt sich auf seine Geschichte, auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der Film funktioniert nach demselben Prinzip wie die aufwändige Waschstraße im Badezimmer der Singers: Am Ende ist Felix zwar blitzsauber, doch eine simple Dusche hätte es auch getan. Bleibt zu fragen, wer "Sergeant Pepper" eigentlich ansehen soll. Für Kinder zu sophisticated, für Erwachsene zu verspielt. Ein Film, der zwischen allen Stühlen sitzt.