Sergeant Pepper
Sergeant Pepper
Horst Peter Koll, film-dienst, Nr. 26, 23.12.2004
Einmal mehr eine abenteuerliche (Familien-)Geschichte um die Freundschaft zwischen Tier und Kind: Der sechsjährige Felix, kein unproblematischer Junge, der seine kindlichen Ängste und Unsicherheiten hinter eine gewissen Altklugheit, vor allem aber hinter einem schützenden Tigerkostüm versteckt, lebt mit seiner älteren Schwester Felicia in einer skurrilen Familie. Die Mutter ist Musikerin, der Vater ein eher weltfremder Erfinder, der das angemietete Haus in eine voll automatische Versuchsstation verwandelt hat, in der das morgendliche Ankleiden zur "Waschstraße für Menschen" wird und man zum Frühstück auf Zuruf mit dem Kühlschrank kommuniziert. Besonders stolz ist er auf seine jüngste Erfindung: den "echtesten" künstlichen Schnee, den es bisher gab, der aber einen Heidenärger mit dem Vermieter einbringt. Nicht minder in Schwierigkeiten steckt derweil der putzige Hund Sergeant Pepper, der sich auf der Flucht befindet. Sein reiches Herrchen ist tot und hat ihm seine prachtvolle Villa vererbt, was die unbändige Wut der habgierigen Tochter des Verstorbenen, der Fabrikantin Corinna von Gordenthal, weckt. Gemeinsam mit ihrem Bruder verfolgt sie den Hund, um ihn aus dem Weg zu räumen, wobei sie zu manch hässlicher Intrige greift, als sich Sergeant Pepper ausgerechnet bei Felix und seiner Familie einnistet. Was kein Erwachsener glauben will: Felix kann den Hund verstehen und mit ihm reden, wodurch er die Zusammenhänge erkennt, aber auch in der Praxis eines Psychologen landet. Mit Felicia als dem einzigen Verbündeten beginnt eine turbulente, zunehmend gefährlichere Rettungsaktion, bei der sich die Kinder bewähren müssen.
Regisseurin Sandra Nettelbeck hat an der San Francisco State University Film studiert. Vielleicht erklärt dies ein wenig, warum ihr Kinder- und Familienfilm so betont "amerikanisch" daherkommt. Überdeutlich sind die thematischen Bezüge zu einschlägigen Disney-Sujets von "Schneewittchen" (fd 591) bis zu "101 Dalmatiner" (fd 32 426), die sich besonders in der cholerisch-bösen Corinna manifestieren: Barbara Auer chargiert lustvoll, schrill und sadistisch wie Schneewittchens gehässige Stiefmutter oder die Pelzfetischistin Cruella deVil. Hinzu kommen viel Slapstick, (Erfinder-)Klamauk und hyperaktive Erwachsene, über die man sich offensichtlich als mal liebevolle (Felix’ Eltern), mal satirisch überzeichnete (der bieder-bürgerliche Nachbar, der Vermieter) Klischees amüsieren soll. Das alles wirkt auf Dauer aber arg veräußerlicht und obendrein reißbrettartig kalkuliert, sodass sich weder Nähe zu den Figuren noch ein Hineinfühlen in die Ereignisse einstellen will. Schematisch bleibt die Zeichnung der Charaktere, plakativ kommt die "Botschaft" von der Selbstbehauptung eines sensiblen, allseits unterschätzten Kindes daher, und auch das Sujet des sprechenden Tieres wird über Gebühr als "Wunder" verkauft, für das nur Kinder empfänglich sind. Wirklich spannend, amüsant und glaubwürdig-differenziert ist das nicht, was insofern enttäuscht, als Sandra Nettelbeck noch in "Bella Martha" (fd 35 367) mit nur wenigen Szenen höchst subtil einen komplexen Kindercharakter zu entwerfen vermochte. Auf ihren Erfolgsfilm verweist sie etwas kokett durch den zitathaften Kurzauftritt von Martina Gedeck, die die Praxis des (erneut von August Zirner gespielten) Psychiaters verlässt; und auch Jasmin Tabatabai, Protagonistin in Nettelbecks Erstling "Unbeständig und kühl" (1996), darf kurz vorbeischauen. Kindlichen Zuschauern ist das alles egal. Ob es Erwachsene amüsiert, ist freilich zweifelhaft. Sandra Nettelbeck zeigt einiges an inszenatorischem Geschick, spielt stimmungsvoll mit "sanften" Abblenden und einigen punktgenauen Pointen, verschenkt dies aber letztlich angesichts eines veräußerlichten, wenig sensiblen Entwurfs.