Bumerang - Bumerang
Widerstand für Anfänger
Peter Körte, Frankfurter Rundschau, 23.01.1990
Ein Bumerang ist ein seltsames Gerät: In freier Wildbahn erfüllt er seine Bestimmung, worin er zum Ausgangspunkt zurückkehrt, im metaphorischen Gebrauch dagegen ist der geschickte Werfer der Düpierte. Mit "Bumerang-Bumerang", dem neuen Film des nunmehr 200fachen "Lindenstraßen"-Produzenten Hans W. Geissendörfer, verhält es sich ähnlich. Zweimal wird eine dramatische Bewegung initiiert, deren Folgen sich gegen die Absichten der Handelnden kehren, während das Gesamtkonzept des Films sich dank dieser beiden "Bumerang-Effekte" als gelungener Wurf erweist.
Alles beginnt mit einem Zufallstreffer. Die 16jährige Evi wird vom eiligen Landtagsabgeordneten der CSP beinahe überfahren. Das Kid betätigt sich kurzentschlossen als Kidnapper, entführt den Fahrzeuglenker und setzt ihn daheim in der Badewanne fest; als die Jungendführerin und ihr beiden Komplizen dann nicht mehr weiter wissen, versucht die Geisel ihrerseits, einen raffinierten Coup einzufädeln und aus der Entführung politisches Kapital im Wahlkampf zu schlagen.
Es ist schon erstaunlich, daß diese Geschichte so reibungslos funktioniert, obwohl alles versammelt ist, was im deutschen Film regelmäßig für geballte Peinlichkeit bürgt: Die Story spielt in der Oberpfalz, nahe der WAA, und natürlich sind Evi und ihre Freunde wackere Streiter gegen den WAAhnsinn, ist der Abgeordnete ein Prototyp des bayrischen Politikers: ein bauernschlauer, stiernackiger AKW-Lobbyist im Trachtenjanker. Daß der Film dennoch in den Klischees, in die er sich begibt, nicht umkommt, liegt vor allem an Geissendörfers geschickter Inszenierung und Schauspielerführung.
Die jungen Darsteller, allen voran Katja Studt als Evi, spielen diszipliniert, wirken aber nie gezwungen, weil sie nicht irgendwelche Flugblattphrasen deklamieren oder haarsträubende Drehbucheinlagen exekutieren müssen. Evis Freund Pit (Jürgen Vogel), gerade volljährig, sieht aus wie Pierre Littbarski, und sein Wortwitz und seine Schlagfertigkeit sind mitunter so verblüffend wie die Dribblings des Kölner Kickers. Als verschlagener Provinzpolitiker Reindl brilliert Lambert Hamel, den man sich in derselben Rolle mühelos auch in einem Achternbusch-Film vorschlagen könnte.
"Bumerang-Bumerang" setzt nicht auf eine Mischung aus krachledernem Humor und bravem Sozialkundeunterricht, sondern zeigt eine Welt der Jugendlichen, in der Erwachsene nur als störende Randexistenzen vorkommen. Die Sonntagsrednerphrase vom "Dialog mit der Jugend" wird eher beiläufig der Lächerlichkeit preisgegeben, und Reindls Haltung ist eben nur die normale, tumbe Unbelehrbarkeit des Berufspolitikers: Geknebelt und gefesselt in der Badewanne hockend, zerrt er ein wenig an seiner Charaktermaske, um dann weiter vom Segen der Atomkraft zu schwadronieren. Die von der Situation sichtlich überforderten Kids müssen sich derweil in der Broschüre "Widerstand für Anfänger" Rat holen.
Mit feiner, liebevoller Ironie schildert der Film ihre Verwirrung und Naivität, ohne sie aus der wohlmeinenden Oberlehrerperspektive zu kommentieren. Aus dem konsequenten Verzicht auf moralische Lektionen über Jugend, Politik, AKW und Widerstand, entsteht eine Balance zwischen Komik und jugendlichem Ernst die bis zum sehr offen gestalteten Ende anhält.
Ein etwas beschwingterer Rhythmus hätte dem Film allerdings nichts geschadet. Und im Drehbuch vermißt man an ein paar Stellen, insbesondere dort, wo der anfängliche Verdacht der Polizei gegen Evi allzu leicht ausgeräumt wird, den letzten Feinschliff. "Bumerang-Bumerang" ist nichtsdestoweniger ein erfrischend unprätentiöser und handwerklich untadeliger Film, dessen jugendliche Darsteller man gerne wiedersehen würde. Nur bitte nicht in der "Lindenstraße".