Bumerang - Bumerang
Bumerang, Bumerang
Rolf-Ruediger Hamacher, film-dienst, Nr.23, 14.11.1989
Es beginnt alles ganz harmlos. Als der konservative Landtagsabgeordnete Reindl die mit dem Moped liegengebliebene Gymnasiastin Evi aufliest, biedert er sich jovial zum Gespräch an. Schließlich habe man selten Gelegenheit, mit jungen Leuten zu reden. Evi macht keinen Hehl aus ihrer Abneigung für seine Partei, die vehement den Ausbau der Atomkraft befürwortet. Und als sie im Handschuhfach eine Pistole entdeckt, entschließt sie sich spontan, Reindl zu entführen. Sie verfrachtet ihn in den Kofferraum, ruft ihren Freund Pit, der in einer oberfränkischen Landkommune lebt, um Hilfe. Da Evis Mutter verreist ist, steckt man ihn einfach gefesselt und geknebelt in die Badewanne und harrt der Dinge; denn über ein Konzept müssen die beiden „Entführer aus Zufall“ noch nachdenken. Da in vier Tagen gewählt wird, sieht Reindl eine Chance, dies politisch auszunutzen, zumal er trotz seiner Ängste seine Entführer nicht ganz ernst nimmt. So hält er sich auch ruhig, als Polizei im Haus auftaucht, und schmiedet seine eigenen Pläne: Evi und Pit, zu denen sich mittlerweile noch Evis Verehrer „Bond“, ein Hobby-Kriminalist, gesellt hat, sollen ihn am Tag nach der Wahl aussetzen. Er wird das Ganze dann als die Tat finsterer Terroristen darstellen. So kann er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: das Wahlergebnis manipulieren und sich an seinem innerparteilichen Widersacher rächen. Und tatsächlich erreicht seine Partei die absolute Mehrheit. Aber Reindl hat die Kids doch unterschätzt. Der clevere Bond hat seine selbstgefällig herausposaunten Strategien nämlich auf Video aufgenommen.
Nach einigen zumindest handwerklich sauberen Literaturverfilmungen hatte sich Geissendörfer als Regisseur, Autor und Produzent der Serie „Lindenstraße“ verschrieben. Und jene hat ihm jede künstlerische Kreativität und selbstkritische Haltung ausgetrieben. Wie kann sich ein Regisseur und Produzent, der früher seine Drehbücher immer selbst schrieb, eine dermaßen dilettantisch ausgearbeitete Geschichte aufschwatzen lassen, die sich keinen Deut um ihre Personen kümmert und deren hölzerne Dialoge ständig unfreiwillige Komik produzieren? Die jungen Darsteller können einem wahrlich leid tun. Alleingelassen von Buch und Regie retten sie, was zu retten ist. Dabei hätte der Stoff das hierzulande völlig vernachlässigte Genre „Jugendfilm“ durchaus beleben können. Aber unentschlossen zwischen dem Porträt einer politisch naiven Jugend und einer Polit-Satire hin- und herschwankend, gewinnt die Inszenierung in keiner Phase an Tiefe. So wird das Ganze zu einem schon peinlich missionarischen Appell gegen die Atomenergie, vorgetragen mit genau jenen Worthülsen, wie sie der politische Popanz im Film benutzt. Nur wenn der Film sich auf die Dreiecks-Geschichte Evi-Pit-Bond konzentriert, kommt immerhin ein wenig Spannung auf. Zur oberflächlichen Serien-Dramaturgie gesellt sich eine langweilige Fernseh-Optik, auf die man getrost bis zur Fernseh-Ausstrahlung warten kann.