Die digital restaurierte Fassung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung von "Münchhausen" (1942/43) feiert ihre Weltpremiere am Freitag, 23. Juni 2017 beim Filmfest München.
Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt der Agfacolor Restaurierungen von Veit Harlans "Immensee" (1943) und "Opfergang" (1942-44) ist der Stiftung mit dem Ufa-Klassiker Münchhausen eine weitere Farbrestaurierung gelungen. Diese fand in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Barbara Flückiger, Forschungsprojekt ERC Advanced Grant FilmColors der Universität Zürich statt. ARRI Media führte die technischen Arbeiten durch und ist Hauptsponsor der 4K Restaurierung. Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Agfacolor
Das in den 1930er Jahren von der I. G. Farbenindustrie AG entwickelte Agfacolor-Verfahren war das erste Farbfilmverfahren im Negativ-Positiv-Prozess, bei dem das Filmmaterial aus drei übereinander aufgegossenen Emulsionsschichten bestand, die jeweils für die blauen, grünen und roten Farbanteile des Aufnahmemotivs empfindlich waren. Die farbgebenden Substanzen waren bereits in den Farbschichten verankert, so dass die Farben gleichzeitig in einem einzigen Entwicklungsbad erzeugt wurden. Typisch im Vergleich zu anderen Farbfilmverfahren sind dezentere, pastellfarbene Farbtöne. Die Farbstoffe sind jedoch nicht langzeitstabil und verblassen zu einem Rot- oder Magentaton.
Zwischen 1939 und 1945 entstanden in Deutschland insgesamt 13 abendfüllende Filme in Agfacolor, darunter Veit Harlans "Die goldene Stadt" (1942), Georg Jacobys "Frauen sind doch bessere Diplomaten" (1939-41) oder "Die Fledermaus" (1945) von Géza von Bolváry.
Für die Restaurierung von "Opfergang" und "Immensee" wurde 2014-15 in Zusammenarbeit mit ARRI Media und Prof. Dr. Barbara Flückiger ein Ansatz zur Farbrestaurierung von Agfacolor erarbeitet, der auf der Analyse der filmischen Quellen basiert und dem charakteristischen Erscheinungsbild Rechnung trägt. Er wird für "Münchhausen" fortgeführt.
Zur Restaurierung
"Für Münchhausen wurden aus dem belichteten Negativmaterial zwei Originalnegative montiert, die sich in Darstellung, Aufnahmewinkel und Schnitt mitunter stark unterscheiden. Das Originalnegativ der deutschen Verleihfassung ist nicht erhalten. Bei der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung sind Farbauszüge überliefert, die von dem Negativ hergestellt wurden, als es bereits durch einen Nachkriegsverleiher gekürzt worden war. Originale Tonmaster sind ebenfalls nicht erhalten. Die Konzeption des Restaurierungsansatzes erfolgte basierend auf den Farbauszügen.", so Projektleiterin und Restauratorin Anke Wilkening.
Das Exportnegativ aus dem Bundesarchiv-Filmarchiv wurde jedoch ebenfalls digitalisiert, sodass es bei der Farbrestaurierung als Referenz genutzt werden konnte. Hierfür führte Senior Colorist Andreas Lautil (ARRI Media) die digitale Lichtbestimmung teilweise interaktiv durch d.h. beide Quellen lagen in zwei Timelines übereinander, so dass sie vergleichend konsultiert werden konnten. Weitere Farbreferenz war eine Agfacolor-Kopie des Exportnegativs aus der Nachkriegszeit in Form einer Fotodokumentation, die Prof. Dr. Barbara Flückiger im Rahmen ihres Forschungsprojekts ERC Advanced Grant FilmColors erstellt hat. Wie bereits für die Farbrestaurierung von "Opfergang", übernahm Barbara Flückiger auch für "Münchhausen" die Farbberatung basierend auf ihrer Forschung zu ästhetischen Prinzipien früher Agfacolor-Filme.
Die fehlenden Teile wurden aus einer Agfacolor-Kopie des Gosfilmofond of Russia ergänzt, die vom Negativ für den deutschen Markt stammt. Ihre Farben sind zu einem Magentaton verblichen, sodass hier eine Angleichung der Farben an das Restaurierungsergebnis der Farbauszüge nur begrenzt möglich war.
Quelle für den Ton war eine Kopie der Cinémathèque suisse, ebenfalls aus der Nachkriegszeit, die noch vom originalen Tonmaster, einem 14-Zacke-Lichtton stammt. Fehlstellen wurden anhand der Tonspur der Gosfilmofond-Kopie ergänzt.
"Seit 2008 betreibe ich Grundlagenforschung zur Digitalisierung von historischen Filmen, die sich mit der Online-Ressource Timeline of Historical Film Colors seit 2011 zunehmend um die Übertragung von historische Filmfarben in die digitale Domäne befasst. Agfacolor als sogenannt chromogenes Farbfilmverfahren ist von der Ausbleichung der Farbstoffe besonders betroffen. Im Fall der Restaurierung von "Münchhausen" bestand die Herausforderung darin, dass das ursprüngliche Agfacolor-Kamera-Negativ durch schwarz-weisse Farbauszüge ersetzt worden war – zu einem Zeitpunkt, als dieses Negativ bereits teilweise ausgeblichen war. Dabei zeigte sich deutlich, warum es notwendig ist, historische Filmmaterialien auch dann langfristig zu bewahren und zu sichern, wenn sie Zerfallserscheinungen aufweisen. Neben kolorimetrischen Messungen, die der Physiker Dr. Giorgio Trumpy im Rahmen meines derzeitigen Forschungsprojekts ERC Advanced Grant FilmColors vorgenommen hat, waren extensive Recherchen technischer Quellen, exakte Dokumentation der vorhandenen Filmelement sowie Forschungen zur Farbästhetik des frühen Agfacolor-Farbfilms notwendig, um "Münchhausen" so werkgetreu wie möglich zu digitalisieren." so Prof. Dr. Barbara Flückiger.
Senior Colorist Andi Lautil führt aus: "Die spezielle Aufgabenstellung in diesem Fall war nicht ein so genanntes Re-master zu erstellen, sondern eine Fassung zu erzeugen, die einer zeitgenössischen Agfacolor- Kopie so nah als möglich kommt. Aufgrund der fehlenden Referenzkopie dauerte die Arbeit an der Farbrestaurierung von "Münchhausen" über 4 Wochen an. Mit Unterstützung von Prof. Dr. Barbara Flückiger, die die Zerfallsprozesse und Farben von Agfacolor Filmmaterial untersucht hat, und anhand von ihr gefertigter Fotos ist ein Werk aus einem Guss entstanden. Im Zuge der Restaurierung wurden auf Grundlage der erhaltenen Farbauszüge und den aus "Opfergang" und "Immensee" gewonnen Erfahrungen der spezielle Agfacolor-Look digital zurück ins Leben gerufen."
Quelle: www.murnau-stiftung.de