Anna Boleyn

Deutschland 1920 Spielfilm

Anna Boleyn


A.F., Der Film, Nr. 51, 18.12.1920

Mit Spannung erwartet, ist der neueste Union-Meßter-Film nun endlich auch in Berlin über die Leinwand gerollt. Verfilmter Shakespeare? Kostüm- und Prunk-Film? Weder das eine noch das andere, sondern ein unerhörtes Menschenschicksal in einer Filmdichtung ganz großen Ausmaßes zum Leben gebracht. Mit einer Tech­nik, die mit elementarer Wucht Masse und Leidenschaft zusammenballt und doch Ruhe zum behaglichen Ausspielen gemächlicher Szenen besitzt. (...)

Wer hatte den reizenden Einfall mit der Schleppe, die sich beim Nahen des Königs in die Tür klemmt und den zu derben Scherzen Geneigten zum ersten Mal der Lady Boleyn gegenüber stellt? Von wem stammt die Flitterwochen-Neckerei, wo der König zum Strickrahmen heranschleicht und der emsig Stickenden heimlich den Faden zerschneidet? Und wie hier in hundert reizvollen Bildern Manuskript und Regie sich verschwistern, so haben Phantasie und Meisterhand Massenszenen gestaltet, die unvergeßliche Eindrücke hinterlassen. Dieses Volk, das beim Krönungszuge vor der Westminsterabtei von den Söldnern mit Lanzenstößen zum Hüteschwenken angehalten wird, sich um die verstoßene Prinzessin Maria zum drohenden Sturm zusammenballt – diese Reiterjagd durch Wiesen und Wald mit ihrem prachtvollen Hineinwachsen in das Bild – dieser Triumphzug des Poseidon in fröhlichem Mummenschanz auf dem märkischen See – lebendig gewordene Meisterbilder aus Holbeins Tagen.

Henny Portens blonde Schönheit gab dieser Königin Gehalt und Leben. In den ersten Szenen vielleicht um eine Idee zu frauenhaft, wächst sie in den späteren Bildern zu holder Lieblichkeit und stolzer Weibeshoheit und hat doch noch Raum für überlegene Schelmerei und kluge Berechnung. Die unschuldige Raffiniertheit, mit der sie ihre dem König auf die Jagd gefolgte Hofdame und Nebenbuhlerin Johanna Seymour zum Handkuß demütigt und in ihren Wagen zwingt, um sie dem wartenden König zu entführen – die jagende Hast, mit der sie sich für das Turnier putzt, um den (wie sie weiß vergeblichen) letzten Versuch zu wagen, den Treulosen zu sich und ihrem Kinde zurückzuführen – schlechthin bewundernswert!

Ganz aus einem Guß der Heinrich VIII. Emil Jannings. Sinnentier und Gewaltmensch zugleich und doch dabei ganz Mensch. Das macht ihm so leicht keiner nach. Dieser naive Rohling, dieser lüsterne Frauenjäger weint in heißer Enttäuschung Schmerz- und Trauertränen, als auch Anna seine Hoffnung auf den Thronerben getrogen hat und wieder ein Mädchen ihm in die Arme gelegt wird. (...)

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