Das Leben beginnt

DDR 1959/1960 Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Ich bin nicht gern der Sohn vom Chef“ sagt der Zwölftklässler Rolf Gruber zu seiner Freundin und Klassenkameradin Erika Schenk, die sich rührend und mit großem Spaß um ihre „Rotznasen“ bei den Jungen Pionieren kümmert. Beide haben es nicht leicht mit ihren Vätern: Der von Rolf ist Direktor der Oberschule einer Kleinstadt vor den Toren Berlins und ein hundertzehnprozentiger SED-Genosse, der den Klassenkampf bis in die eigenen vier Wände trägt.

Was auch Erika daheim erlebt, nur mit anderem Vorzeichen. Denn ihr Vater hatte einst, vor dem verlorenen Krieg, eine Privatklinik in Tilsit und sieht sich nun als „VEB-Arzt“ auch noch einer weiblichen Chefärztin unterstellt – zu viel für einen Oberarzt, der sich als einstiger Halbgott in Weiß im „Massenbetrieb“ des verstaatlichten Gesundheitswesens der noch jungen DDR nicht genug gewürdigt sieht und daher stets mit einem Bein im Zug in den noch frei zugänglichen kapitalistischen Westen des geteilten Deutschland steht.

Dr. Schenk betreibt heimlich seine Ausreise und wechselt Briefe mit einem gewissen Willi Brenner aus Berlin-Dahlem. Der erfolgreiche Handelsvertreter, der samt Gattin und, wenn er denn daheim ist, einem Hallodri von Sohn, dem Journalisten Benno (Paraderolle für Rolf Ludwig), in einer schnieken West-Berliner Villa lebt, bestärkt seinen Schwager darin: Arbeit gebe es im Wirtschaftswunderland West-Deutschland genug, und Obdach könne er für die erste Zeit bieten.

Für Erika ist diese Entwicklung eine Katastrophe, sie gibt beim Schulaufsatzthema „Zukunftsträume“ ein leeres Blatt ab: Sie kann sich nicht vorstellen, so kurz vor dem Abitur in den Westen zu gehen und dabei auch noch Rolf zurückzulassen. Andererseits ist ihr nach dem Tod der Mutter nur der Vater geblieben – und sie fährt doch mit – im Mercedes durchs Brandenburger Tor!

Was in der Schule einigen Wirbel verursacht, bei dem Rolf einiges einzustecken hat, weil ihm nicht nur von seinem Vater, sondern auch von seinem Klassenlehrer, dem SED-Genossen Lietzow, unterstellt wird, von der „Republikflucht der Staatsfeinde“ gewusst und diese nicht verhindert zu haben. Künftig konfisziert sein Vater die West-Post und Rolf übernimmt nicht ganz freiwillig Erikas Pioniergruppe.

Es ist eine neue Welt, in die Erika wider Willen als Aschenputtel aus dem Osten kommt, mit Dienstmädchen und abstrakten Bildern an der Wand (die Defa-Filmemacher schreckten nicht davor zurück, die Nachkriegskunst des Informel zu denunzieren – in schlechtester Ufa-Tradition). Einziger Lichtblick in diesem goldenen Käfig, so scheint es jedenfalls zunächst, ist der lebenslustige Cousin Benno, der sie in die Glitzerwelt des Kapitalismus – und das aus Ost-Berliner Sicht nihilistisch-verkommene West-Berliner Nachtleben einführt – in einer BMW Isetta 300!

„Als ob wir auf seinen Schwager gewartet hätten. Noch nicht 'mal ein Politischer“: Auch Beziehungen zur Politik verhelfen Dr. Schenk zu keiner adäquaten Arbeit. Als er das Herumsitzen und das ständige Nörgeln Brenners satt hat, nimmt er sogar einen Job als Pharmavertreter an. Doch das Klinkenputzen ist seine Sache nun wirklich nicht, bleibt als einziger Ausweg die im Aufbau befindliche Bundeswehr: Dort könnte er, bei sehr guter Bezahlung, endlich wieder in seinem Beruf tätig sein.

Nachdem Rolf heimlich nach Dahlem gefahren ist und von Erika erfahren hat, dass sie ihm auf seine Briefe sehr wohl geantwortet hat, reift in ihm der Entschluss, sie in den Osten zurückzuholen. Bei einem zweiten Treffen verpasst Rolf den letzten Zug – und die Geschichte fliegt auf. Vater Gruber hat nichts besseres zu tun, als den „Pädagogischen Rat“ einzuberufen und damit seinen Sohn öffentlich an den Pranger zu stellen (mit welcher Selbstverständlichkeit die Defa-Filmemacher solche mittelalterlichen Methoden der SED-Sozialisten auf Zelluloid bannen, erschreckt noch heute).

Rolf unterwirft sich dem Kontaktverbot zu Erika nicht und verweigert die Selbstanklage vor versammelter Schülerschaft, die in militärischer Formation wie auf einem Kasernenhof angetreten ist zum sozialistischen Appell (solch' unfreiwillige Komik bleibt dem heutigen Zuschauer im Halse stecken). So darf er sich ein Jahr in der Produktion bewähren, wo er auf einen sehr verständnisvollen Bauleiter Reiling trifft. Derweil hat Erika nicht etwa die Schule mit dem Abitur beendet, das hätte ihre Tante nie zugelassen, sondern sich eine Arbeit gesucht – in einem Kindergarten. Doch deren Leiterin setzt sie sogleich wieder vor die Tür, nachdem sich eine Klientin (West-Gast Ruth-Maria Kubitschek als Geheimrätin) über die sozialistischen Erziehungsmethoden der „Neuen“ beschwert hat.

Apropos sozialistisch. Erika und Benno sind sich näher gekommen, als zumindest ihm lieb ist: Als sie schwanger wird, drängt er auf Abtreibung. Nun bricht für Erika endgültig eine Welt zusammen – und sie unternimmt einen Selbstmordversuch. Zudem: „Von diesem Brot will ich nicht essen“, womit Erika den Bundeswehr-Sold ihres Vaters meint. So kommt Rolf, von seinem Brigadier nach Berlin geschickt, zur rechten Zeit, um sein Mädchen endlich nach Hause, ins bessere Deutschland („Courage“-Inszenierung mit Helene Weigel am BE versus West-Kinofilme mit der aufreizenden BB), zurückzuholen...

„Das Leben beginnt“ ist ein ideologischer Film, der vor dem Hintergrund der massenhaften Abwanderung von Ärzten und anderen Freiberuflern aus dem armen Osten an die Fleischtöpfe des kapitalistischen Westens entstand. Dessen Schwarz-Weiß-Malerei aber nicht einfach nur naiv genannt werden kann, sondern hanebüchen ist bei aller unfreiwilligen Komik zumal aus heutiger Sicht. Damit ist keineswegs die Aufbruchrhetorik gemeint, die Ende der 1950er Jahre naturgemäß ungebrochen war im Glauben an die richtige, weil gerechtere Sache. Die Holzhammer-Methodik des bereits am 28. Oktober 1960 im Deutschen Fernsehfunk erstausgestrahlten Zweistünders aber wirkt abstoßend, und das keinesfalls nur heute: Slatan Dudow hatte es einst abgelehnt, das Drehbuch zu verfilmen - aus gutem Grund: Was soll der ganze Sozialismus, wenn er die Menschen am Glücksichsein hindert.

Pitt Herrmann

Credits

Director

Director of photography

Editing

Music

Cast

All Credits

Director

Script editor

Director of photography

Assistant camera

Still photography

Production design

Set construction

Prop master

Costume design

Editing

Music

Cast

Unit production manager

Location manager

Original distributor

Duration:
3254 m, 119 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w, Mono
Screening:

Uraufführung (DD): 08.04.1960, Berlin/DDR, Babylon

Titles

  • Originaltitel (DD) Das Leben beginnt

Versions

Original

Duration:
3254 m, 119 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w, Mono
Screening:

Uraufführung (DD): 08.04.1960, Berlin/DDR, Babylon