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Über einen Zeitraum von sieben Jahren begleitete der Dokumentarfilmer Andres Veiel vier Schauspielschüler. Von den Vorbereitungen zur Aufnahmeprüfung bis zum Abschluss der Ausbildung an der "Ernst-Busch"-Schauspielschule in Berlin beobachtet er die drei Frauen und einen Mann, die charakterlich kaum unterschiedlicher sein könnten. Der Film zeigt die Härte der Ausbildung, in deren Verlauf die Schüler zahlreiche Unsicherheiten und Selbstzweifel überwinden müssen.
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Prodomos Antoniadis, Karina Plachetka und Stephanie Stremler heißen die drei anderen Schauspielschüler der renommierten Berliner Ernst Busch-Hochschule, die ausgezogen sind, das Spielen zu erlernen auf den Brettern, die ihnen die Welt bedeuten – von der Pike auf bis an den Rand der physischen wie psychischen Erschöpfung.
Andres Veiel im Timebandits-Presseheft: „Wir haben die Protagonisten in erster Linie nach Talent ausgewählt. Wichtig war aber auch ihre Spielwut, die Unbedingtheit. Ich wollte, dass sie bereit sind, über sich zu sprechen. Ich wollte mich dabei nicht langweilen. Eine weitere Messlatte war, dass sie ihren Eltern eine Szene vorspielten. Das war eine große Hemmschwelle. Ich habe es durchgesetzt, um so etwas wie einen Belastungstest mit ihnen zu machen.“
Was Sönke Wortmann in seinem Spielfilm „Kleine Haie“ nur andeutete, zeigt Andres Veiel ungleich authentischer mit den Mitteln des Dokumentarfilms: „Die Spielwütigen“ ist nicht in erster Linie ein Streifen über junge Schauspielschüler auf dem steinigen Weg zu ihrem Traumberuf, sondern ein Film über das Erwachsenwerden. Nicht erst bei der Aufnahmeprüfung zur einstigen DDR-Kaderschmiede, die einen zermürbenden, monatelangen Auswahlprozess abschließt, wird dem Quartett deutlich, dass es sich von allen Glanz- und Glamour-Flausen verabschieden muss: Die Bühnenbretter sind hart und die Ausbilder gnadenlos. Sollen die jungen Talente gebrochen, gar zur vorzeitigen Aufgabe bewogen werden?
Andres Veiel: „Am Anfang war ich eine Mischung aus großer Bruder, Vater, Mentor und Beschützer. Wenn sie Probleme in der Schule hatten, sind sie zu mir gekommen. Die Kamera war dann auch Freund und Helfer. Mit der Zeit hat sich das verändert. Jeder von den vieren wollte an einem gewissen Punkt aussteigen.“ Die „Spielwütigen“ müssen sprichwörtlich erst durch die Hölle gehen, die eigenen Grenzen überschreiten, um im Kampf zwischen den hohen Erwartungen und dem eigenen Können nicht zerrieben zu werden. „Du gibst den Lehrern das Gefühl, Arschlöcher zu sein!“ wird Prodromos Antoniadis, der nur knapp einem Rauswurf entgeht, vorgeworfen – und der einzige männliche Protagonist widerspricht nicht.
Andres Veiel: „Erst nach sieben Jahren hatte ich das Gefühl, dass in den Gesichtern so viel passierte, dass ich eine Entwicklung zeigen kann. Da zeichnete sich dann auch ein Erwachsen-Werden, ein Älter-Werden in den Geschichten ab. Das war ja das Ziel. Ich wollte einen Film über das Erwachsenwerden machen.“
Es ist aber auch ein Film über das Glück geworden. So gleich am Anfang, wo den Vieren eröffnet wird, dass sie das Aufnahmeprozedere überstanden haben. So, als sie ihre Abschlusszeugnisse in der Hand halten und die „Späher“ der deutschen Theater erstes Interesse an einer Verpflichtung bekunden. So bei Stephanie Stremlers Hochzeit in Israel oder Prodomos Antoniadis’ gewagt-selbstbewusstem Trip nach New York. So bei der unbändigen Freude Karin Plachetkas und Constanze Beckers, endlich im Engagement zu stehen - in Leipzig, in Dresden, später in Kassel oder Düsseldorf – ein (häufig auch sehr einsames) Leben lang.
Bei einer Drehzeit vom 10. Januar 1997 bis zum 20. Dezember 2002 darf man durchaus von einer Langzeit-Dokumentation sprechen, die nach der Uraufführung im Panorama-Wettbewerb der 54. Berlinale mit dem Panorama-Publikumspreis und dem Preis der deutschen Filmkritik („Bester Dokumentarfilm“) ausgezeichnet worden ist.
Pitt Herrmann