Die Spielwütigen

Deutschland 1997-2004 Dokumentarfilm

Die Spielwütigen

Dokumentarfilm über Schauspielschüler auf dem Weg zum Erfolg


Rainer Gansera, epd Film, Nr. 6, 03.06.2004

Das Leben ist eine Casting-Show, und wir Zuschauer sind Happy-End-Süchtige. Wir wünschen uns dringlichst, dass Geschichten gut ausgehen, weil wir die Versicherung brauchen, dass die Schicksalsmächte am Ende doch wohlwollend schalten und walten. Bei keinem Film, auch nicht bei der schmalzigsten Romanze, wurde mir das Gebieterische unseres Happy-End-Bedürfnisses so deutlich wie bei dieser Dokumentation, die vier Schauspielschüler in einer ebenso diskreten wie intimen Annäherung über einen Zeitraum von sieben Jahren (1996 - 2003) begleitet. Regisseur Andres Veiel hat glücklicherweise vier Adepten der Schauspielkunst ausgewählt, die erfolgreich sind. Sie schaffen es. Eine Dokumentation über Verlierer wäre wohl niederschmetternd, wahrscheinlich unerträglich.

Zu Beginn schaffen die "Spielwütigen" die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule "Ernst Busch" in Berlin – wobei sich herzzerreißende Szenen abspielen, denn dort werden pro Jahrgang unter 1.000 Bewerbern nur 30 Glückliche auserwählt. Die vier Erfolgreichen schaffen auch die naturgemäß dramatischen Berg- und Talfahrten des vierjährigen Studiums; und es gelingt ihnen am Ende sogar der Sprung in die Karriere. Allerdings sind die äußeren Erfolgsmarken dann doch nicht das Entscheidende. Es kommt auf das innere Gelingen an. Darin gewinnt der Film seine anrührende Kraft, dass er in seinem Tiefenschicht-Magnetismus immer wieder auf jene Momente zusteuert, in denen sich die vier Protagonisten zu reichen, reifen, souveränen Persönlichkeiten entfalten. Das sind oft nur kleine Augenblicke, in denen plötzlich eine Geste der Selbstgewissheit aufblitzt, aber eben doch Augenblicke, die ein Aufblühen der ganzen Person bezeugen.

So leidet man mit, freut sich über glückliche Schicksalswendungen und findet alle vier außerordentlich sympathisch: die raffiniert-naive Stephanie, die mysteriös-entrückte Constanze, die mädchenhaft-verletzliche Karina und auch den polternden Prodromos, der anfangs bei der Taxi Driver-Nummer etwas großmäulig erscheint, aber spätestens bei seiner Rebellion gegen den arg verschulten Studienbetrieb unsere Zuneigung unwiderruflich gewonnen hat.

Veiel weiß, dass jede gute Dokumentation immer auch ein In-Szene-Setzen ist, ja sein muss. Gerade wenn man Menschen vor der Kamera hat, deren Beruf es ist, in Rollen zu schlüpfen, Masken zu tragen. Eine Strategie der Demaskierungen wäre hier nicht wahrheitsdienlich. Also schwingt Veiel sich in den Gestus des Sich-Zeigens seiner Figuren ein und kommt ihnen solcherart ergreifend nahe. Landläufig hält man Schauspieler für ruhmsüchtige Exhibitionisten oder für große Kinder, die fortwährend um Aufmerksamkeit buhlen müssen. Keine Sekunde hält sich der Film mit solchen Klischees auf. Er entdeckt im Kern der Spiel-Obsession Verwandlungs-Magie und schamanistischen Zauber.

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